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Welche Nebenwirkungen hat die Arzneimittelpreisbremse?

Francine Brogyanyi ©Dorda

Wien. Österreich hat eine neue gesetzliche Preisbremse für Arzneimittel: Francine Brogyányi, Partnerin und Leiterin des Life Sciences Desk der Wirtschaftskanzlei Dorda, schildert die Situation, vergleicht Österreich mit Deutschland und befürchtet negative Auswirkungen.

Im Vorjahr konnten Repräsentanten der Pharmaindustrie die Einführung einer gesetzlichen Preisbremse noch verhindern. Das ist ihnen heuer nicht mehr gelungen, so Brogyányi: Am 30.3.2017 wurde eine entsprechende Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) im Nationalrat beschlossen.

Worum es geht

Eines der Kernstücke der Neuregelung ist, dass für die Aufnahme von Medikamenten in den Erstattungskodex künftig der EUDurchschnittspreis gilt. Erhoben wird dieser Preis mehrmals (nach der ersten Festsetzung durch die Preiskommission nach 18 Monaten, dann nach weiteren 24, allenfalls nochmals nach neuerlichen 18 Monaten). Durch diese wiederholte Anpassung des EU-Durchschnittspreises sollen sinkende Kosten berücksichtigt werden können.

Gestoßen hatte sich der Hauptverband (der Sozialversicherungsträger) schon länger an der von einzelnen Pharmaunternehmen gewählten Strategie, Arzneimittel ohne Antrag – und sohin ohne Aufnahme in den Erstattungskodex – in Österreich auf den Markt zu bringen. Diese so genannten „No Box“- Produkte wurden nämlich im begründeten Einzelfall und bei Vorliegen einer chefärztlichen Bewilligung – auch ohne Aufnahme in den Erstattungskodex – erstattet. Das galt vor allem für sehr innovative Produkte, für die es keine alternativen Therapien am Markt gab und die entsprechend teuer sind, so Brogyányi.

Auch für diese „No Box“-Produkte gilt aber jetzt nach der beschlossenen ASVG-Änderung der EU-Durchschnittspreis. Sohin wurde für jedes Arzneimittel ein Höchstpreis eingeführt. Die Festsetzung eines solchen Höchstpreises war auch bisher mittels Bescheid der Preiskommission möglich. Eine Möglichkeit, von der praktisch aber kein Gebrauch gemacht wurde. Ein sehr kleines Trostpflaster gebe es aber für die Pharmaindustrie, weil der zunächst geplante fünfprozentige Strafabschlag für „No Box“-Produkte (noch?) nicht kommt.

Außerdem wurde die nunmehrige ASVG-Änderung dazu genutzt, zwei Themen gesetzlich zu regeln, die in der Vergangenheit für heftige Diskussionen und auch Rechtsstreitigkeiten sorgten: nämlich die Unterscheidung zwischen Generika und Biosimilars im Erstattungsrecht sowie die Festsetzung eines so genannten Preisbandes.

Markteintritt von Generika und Biosimilars

Grundsätzlich legt das ASVG nun fest, dass ein Originalprodukt um 30 Prozent billiger werden muss, wenn ein wirkstoffgleicher Nachfolger (Generikum oder Biosimilar) auf den Markt kommt.

Ist das der Fall, wurde aus gesundheitsökonomischen Gründen festgelegt, dass bis 1.10.2020 das Original nicht aus dem Erstattungskodex gestrichen wird, wenn sein Preis nicht um mehr als 30% höher als das günstigste Konkurrenzprodukt ist.

Das sei ein Zugeständnis an die Pharmaindustrie, die so zumindest für einen Minimalzeitraum mit einem – wenn auch günstigeren – konstanten Preis rechnen kann.

Der Preis des ersten auf den Markt kommenden Generikums (zu einem bereits im Erstattungskodex enthaltenen Orginalprodukt) muss – sodass das Generikum in den Erstattungskodex aufgenommen werden kann – 28,6% unter dem (bereits abgesenkten) Preis des Originals liegen. Der Preis eines Biosimilars muss in der gleichen Situation aber lediglich 11,4 % unter dem des Originals liegen.

Warum dieser Unterschied? Ein Biosimilar ist ein Nachahmerprodukt eines Biopharmazeutikums, erläutert Brogyányi: Die Wirkstoffe dieser Biotechnologie-Erzeugnisse sind aber nicht völlig identisch mit dem Originalwirkstoff und erfordern deshalb aufwendigere Zulassungsverfahren und Überwachungsmaßnahmen als die klassischen Generika.

Dies verbessere die erstattungsrechtliche Lage für Biosimilars, die bisher wie Generika behandelt wurden. Damit hatten aber im Erstattungsrecht die – im Vergleich zu Generika – höheren Kosten, die erforderlich sind, um Biosimilars auf den Markt zu bringen, in der Vergangenheit keinen Niederschlag gefunden.

Das Preisband

Auch bisher wurde vom Hauptverband vertreten, dass alle weiteren Generika/Biosimilars nur in den Erstattungskodex aufzunehmen sind, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Nachfolgepräparat besteht. Erst jetzt werde aber dieses so genannte Preisband gesetzlich geregelt, und zwar muss für das zweite Generikum/Biosimilar ein Preis vereinbart werden, der um 18% (Generikum) und 15% (Biosimilar) unter dem Preis des ersten Nachfolgepräparates liegt und muss für das dritte Generikum/Biosimilar ein Preis vereinbart werden, der um 15% (Generikum) und 10% (Biosimilar) unter dem Preis des zweiten Nachfolgepräparates liegt.

Interessant sei in diesem Zusammenhang auch die recht unscheinbar anmutende neue Regelung, wonach „der Hauptverband bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts abweichende Regelungen zur Anwendung bringen kann“.

Es bleibe abzuwarten, was der Gesetzgeber damit gemeint hat, allerdings erscheine es doch recht zweifelhaft, dass diese Bestimmung ausreichend determiniert und sohin verfassungskonform ist.

Das Fazit

Diese Änderungen werden jedenfalls (wieder) zu einer Ersparnis bei den Arzneimittelausgaben führen, so Brogyányi: Ob sie allerdings auch zu einer Verbesserung der Arzneimittelversorgung mit – vor allem – innovativen Präparaten führt, sei eher zu bezweifeln.

Die Aussage des SPÖ-Gesundheitssprechers, wonach mit den nun eingeführten Preisen „die Pharmariesen auch in Zukunft nicht am Hungertuch nagen“ werden, ist in den Augen der Dorda-Spezialistin in diesem Zusammenhang „doch etwas kurz gedacht“: Zwar möge diese Aussage für sich genommen stimmen, dennoch sei zu bedenken, dass Pharmaunternehmen, so wie alle anderen Unternehmen auch, einen Gewinn erwirtschaften wollen.

Erweise sich aber ein Markt – der noch dazu vergleichsweise klein ist – als nicht mehr ausreichend gewinnbringend, so bestehe für die Pharmaunternehmen keine Motivation mehr, diesen Markt zu bedienen. Das führe aber für Patienten zu mehr als nur dem Verlust von innovativen Arzneimitteln. Weniger Gewinn bedeute auch weniger finanzielle Mittel für Forschungsprojekte in Österreich, für die die Pharmaindustrie einen ganz wesentlichen Beitrag leistet.

Der internationale Vergleich

Die Situation in Österreich ist mit der in anderen Ländern nur schwer vergleicbhar: In Deutschland beispielsweise führte die dortige Preisbremse zwar nicht zu negativen Konsequenzen, doch ist hier ist der gravierende Unterschied, dass kein Pharmaunternehmen es sich leisten kann, den deutschen (oder auch französischen) Markt nicht zu bedienen, weil diese Märkte so groß sind, warnt Brogyányi: „Genau das trifft auf Österreich nicht zu.“

Für einen Global Player sei Österreich nur dann interessant, wenn eine ausreichende Rentabilität gegeben ist, zumal der Markt so gut wie keinen strategischen Wert besitze.

Dass Pharmaunternehmen so auf die Preisbremse reagieren könnten, vor allem im No Box Bereich, wo es oft um sehr innovative Produkte (gerade zB in der Onkologie) geht, sind Rückmeldungen, die derzeit aus dem Markt kommen, so Brogyányi.

Francine Brogyányi ist Partnerin der Dorda Rechtsanwälte GmbH und Leiterin des Life Sciences Desk der Kanzlei.

Link: Dorda

 

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