Wien. Die Börse Wien und die neue Direktbank DADAT luden zum Diskussionsabend: Nach einem Kursplus von 50% in einem Jahr – wie geht es auf dem volatilen Wiener Markt weiter?
Es spreche derzeit sehr viel für österreichische Aktien, so der Tenor beim Themenabend „Österreichische Aktien“, zu dem DADAT und Börse in die Säulenhalle des historischen Wiener Börsengebäudes eingeladen hatten. Die Teilnehmer zeigten Optimismus, und das nach einem Anstieg des Wiener Leitindex ATX von unter 2000 Punkten Mitte 2016 bis auf derzeit rund 3.200 Punkte.
Es diskutierten konkret Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, Ernst Huber, Vorstand der DADAT, mit Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Group Bank und Asset Manager Wolfgang Matjeka.
Die Statements
„Keine andere Nationalbörse in Europa hat einen vergleichbar hohen Marktanteil. Rund 75 Prozent des Handels in österreichischen Aktien geht über unsere Börse “, so der CEO der Wiener Börse, Christoph Boschan. Er verweist auf den zurückliegenden Erfolg des heimischen Kapitalmarkts: „Die durchschnittliche Rendite im ATX lag in den letzten 25 Jahren bei sechs Prozent. Aus 10.000 veranlagten Euro wurden 43.000 Euro.“
Das sei deutlich mehr als die Anlagerendite von 2,7 Prozent, die der durchschnittliche österreichische Sparer laut einer Studie der Allianz erziele.
Rückenwind durch Osteuropa
Auch Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Group AG, sieht für den heimischen Handelsplatz noch viel Potenzial: “Wir haben hervorragende Unternehmen in globalen Nischen. Wien profitiert derzeit nicht nur von der besseren Konjunktur in der Eurozone, sondern vor allem von der Konjunkturerholung in Osteuropa. Denn rund 75 Prozent der im österreichischen Leitindex ATX gelisteten Unternehmen sind in CEE aktiv.”
Seit der Finanzkrise wuchs CEE mit insgesamt 20 Prozent zwischen 2007 und 2016 deutlich stärker als die Eurozone. Zwar könnten die Länder in der Region nicht mehr an die jährlichen Wachstumsraten vor der Krise von acht bis zehn Prozent anschließen. Dennoch sei das aktuelle Wirtschaftswachstum von zwei bis vier Prozent deutlich stärker als in der die Eurozone, so Mostböck. “Die Region profitiert von soliden Fundamentaldaten. Die Länder haben eine vergleichsweise geringe Verschuldung und ausreichend Fremdwährungsreserven.”
Wiener Börse profitiert von Konjunkturerholung
Der Analyst rechnet für heuer für Österreichs ATX-Unternehmen mit einem Gewinnanstieg von 30 Prozent und für 2018 immerhin noch von 17 Prozent. Die überdurchschnittlich gute Entwicklung begründet Mostböck auch damit, „dass im ATX ein hoher Anteil von zyklischen Aktien sind, die stärker von der Konjunkturerholung profitieren.“
Auch laufe die Wiener Börse als kleiner Markt tendenziell in einer Erholungsphase besser. Schwächelt die Konjunktur, leidet die Wiener Börse dafür umso stärker.
Industrie und Finanzbranche holen auf
Auch Aktienexperte Wolfgang Matejka von Matejka & Partners sieht die europäischen Aktien gerade in einem Aufholprozess gegenüber dem US-Kapitalmarkt: „Das Wirtschaftswachstum in Europa ist weit stärker. In Österreich haben obendrein so ziemlich alle Unternehmen ihre Bilanzen nach der Krise kräftig abgewertet. Auf die Umsatzanstiege folgen gerade erst die Gewinnanstiege. Hier helfen auch die guten Geschäfte in CEE. Die österreichische Industrie macht sich gerade auf den Weg, gegenüber der internationalen Peergroup aufzuholen, ebenso wie die heimische Banken- und Versicherungsbranche.“
Online-Finanzwelt in Österreich unterentwickelt
Vom Aufwind an der Wiener Börse profitiere der vor rund einem Monat gestartete Online-Broker DADAT Bank, heißt es: Der Markt sei erst am Anfang, so DADAT-Chef Ernst Huber.
“Das österreichische Direktbank und Onlinebroker-Geschäft ist noch unterentwickelt. Während es in Österreich gerade einmal 100.000 bis 110.000 Onlinebroking-Kunden gibt, sind es in Deutschland bereits knapp vier Millionen – also ein Faktor von ca. 36 bei einer zehnmal größeren Einwohnerzahl“, so Huber.
DADAT, die neue Direktbank der Grawe-Bankengruppe, will sich als Online-Vollserviceanbieter positionieren, vom Wertpapierhandel über Konten, Ratenkredite und Baufinanzierungen bis hin zur Vermittlung von Versicherungsprodukten. “Unsere Vision ist es, der innovativste und flexibelste Direktbank Österreichs zu sein und Step by Step auch unser Finanzbildungs-Angebot für unsere Kunden auszubauen“, so Huber – der davor als Chef der Hello Bank und weiterer Direktbanken schon breite Sortimentsstrategien verfolgte.
Das politische Risiko
Die Experten waren sich allerdings einig, dass das größte Risiko für die Aktienmärkte nicht von den Zinsen drohe – in der Eurozone wird mit einem Anstieg nicht vor Mitte 2018 gerechnet -, sondern vor einer unberechenbaren Politik.
Von der nächsten österreichischen Regierung wünscht sich Wiener Börse-Chef Boschan „ein Kapitalmarktkonzept, das den jüngsten negativen Schwung aus Erhöhung der KEst, Schließung des Dritten Markts für österreichische KMU, Finanztransaktionssteuer und gestiegenen Aufsichtskosten umkehrt“.
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