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Business, Recht, Steuer

Anwälte: Notfalls Streik gegen Steuerberaterbefugnisse

Rupert Wolff ©Julia Hammerle / ÖRAK

Anwälte vs. Big Four? Die Rechtsanwälte unter ihrem Bundeschef Rupert Wolff (ÖRAK) haben einen „Sturmlauf“ gegen die geplante Ausdehnung der Steuerberaterbefugnisse angekündigt. Sie wittern Lobbying der Beratungsmultis dahinter. Auch DLA Piper-Chef David Bauer sieht das Thema kritisch. Konter gibt Steuerberater-Präsident Hübner.

Eine geplante Novelle des Berufsrechts der Wirtschaftstreuhandberufe (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) sorgt für Aufregung bei Rechtsanwaltskammern mit ihren 6.300 österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten: Mit der vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen die Berufsbefugnisse der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer umfassend ausgeweitet werden – zulasten der freien Berufe und auf Kosten der rechtsuchenden Bevölkerung, wie Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), warnt.

Er ortet einen „Angriff auf den Rechtsstaat, auf die Qualität der Rechtsberatung, auf Mandanten und Rechtsanwälte gleichermaßen.“ Die Aufregung sei enorm, die Kollegenschaft zu Recht empört. Auch David Bauer, Chef der internationalen Wirtschaftskanzlei DLA Piper in Österreich, sieht das Thema im Interview mit Extrajournal.Net kritisch.

Fehlende Ausbildung und Berufsregeln

Die Ausweitung der Befugnisse betrifft insbesondere die Errichtung von Verträgen (zB Dienstverträge, Liegenschaftsverträge usw), die Vertretung in allen Verwaltungsstrafverfahren und vor Gerichten (in Firmenbuchsachen und bei Umgründungen) sowie vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Kritisiert wird, dass die dafür erforderlichen juristischen Ausbildungen und Berufsregeln (Verschwiegenheit, Unabhängigkeit, Schutz vor Interessenskollisionen), wie sie etwa Rechtsanwälte zum Schutz ihrer Klienten zu absolvieren und einzuhalten haben, bei den Steuerberatern nicht vorhanden sind. Jede Berufsgruppe solle das tun, wofür sie ausgebildet ist und wofür die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind, so Wolff.

Nicht umsonst sehe der österreichische Gesetzgeber zum Schutz der Konsumenten derart hohe und spezifische Anforderungen an die jeweiligen Berufe vor. „Es ist nicht auszudenken, wie groß der Protest wäre, würden Zahnärzte in ihrer Praxis künftig auch Mandel- und Blinddarmoperationen durchführen wollen“, so Wolff: „Bürger, deren Rechte in Verträgen festgehalten und vor Gericht vertreten werden, müssen sich darauf verlassen können, dass dies fundiert und bestmöglich erfolgt. Die Rechtssicherheit der Bürger darf ebenso wenig auf das Spiel gesetzt werden, wie ihre Gesundheit.“

Auch die Haftungsregeln der Wirtschaftstreuhänder seien mit jenen der Rechtsanwälte nicht vergleichbar. Dadurch würden Klienten nicht nur Gefahr laufen, von nicht oder jedenfalls nicht ausreichend rechtlich ausgebildeten Personen beraten und vertreten zu werden, sondern könnten im Haftungsfall nicht einmal auf einen adäquaten Haftungsfonds zugreifen.

Rechtsanwälte kündigen Protestmaßnahmen an

Die Rechtsanwälte sprechen von einem Bruch in der österreichischen Rechtsordnung und kündigen bereits Protestmaßnahmen, wie etwa die Einstellung der kostenlosen Ersten Anwaltlichen Auskunft, an, sollte das Gesetz tatsächlich beschlossen werden.

„Die Rechtsanwaltschaft spricht sich vehement gegen dieses Vorhaben aus. Ich warne vor den Konsequenzen eines Auseinanderbrechens des bewährten Gefüges der freien Berufe zulasten der Bürger und Unternehmer in unserem Land“, so Wolff. Der Gesetzesvorschlag schade den österreichischen Freiberuflern massiv.

Die Profiteure dieses „Dammbruchs“ wären ausschließlich einige wenige, multinationale Beratungskonzerne, die seit Jahren massives Lobbying betreiben, um den österreichischen Markt unter ihre Kontrolle zu bringen, so Wolff: Damit könnten die „Big Four“ und andere Großkanzleien gemeint sein – also die weltweit marktführenden Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsriesen. Namen nennt Wolff allerdings nicht.

In Wahrheit hätten nur diese die Kapazitäten und könnten das unternehmerische Risiko aufwenden, um in einem de facto berufsfremden Bereich tätig zu werden, so Wolff.

Das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, die tausenden heimischen Klein- und Mittelunternehmer in den freien Berufen, drohe unter diesem Druck zu zerbrechen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dieses Gesetz noch vor dem Sommer auf Biegen und Brechen verabschiedet werden soll.

Zahlreiche Kritiker?

Das System der Spezialisierung unter den freien Berufen habe sich am Markt seit Jahrzehnten bewährt und sei ein Vorzeigekonzept. Es bestehe keinerlei Bedarf, dieses nun plötzlich – ohne vorherige Einbeziehung der Betroffenen – entgegen den Fachmeinungen aller Experten aus den Angeln zu heben.

„Wir appellieren an die Bundesregierung und die Parlamentarier, entschieden gegen diesen Vorstoß einiger weniger Großkonzerne aufzutreten“, so Wolff.

Kritisiert wurde das geplante Gesetz bereits in der Begutachtung; Neben den Rechtsanwälten warnen unter anderem der Oberste Gerichtshof, das Justizministerium, die Notariatskammer, die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer vor negativen Folgen, erinnert Wolff. Umso unverständlicher sei, dass diesen Stimmen bislang kein Gehör geschenkt worden sei.

Die Meinung der Steuerberater

„Entlastung und mehr Rechtssicherheit für Unternehmen“ verspricht dagegen die Wirtschaftstreuhänder-Kammer, zu der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zählen: Komplexe steuer- und arbeitsrechtliche Regelungen und umfassende Dokumentationspflichten stellen vor allem heimische Kleinunternehmer mit beschränkten Personal- und Zeitressourcen vor große Herausforderungen, heißt es – und primärer Ansprechpartner sei für 95% der KMUs nun einmal der Steuerberater.

Dieser Steuerberater solle auf Wunsch der Unternehmen künftig für sie auch einfache und standardisierte Verträge, wie z. B. Dienstverträge, erstellen dürfen. Auch eine Vertretung vor dem VwGH in Sozialversicherungsangelegenheiten, die Vertretung in Verwaltungsstrafverfahren im Zusammenhang mit Finanzpolizei-Einsätzen sowie die Vertretung gegenüber Firmenbuchgerichten durch den Steuerberater soll in Zukunft – im Sinne eines One-Stop-Shops – erlaubt sein, wirft sich die Steuerberater-Kammer gegen den Zorn der Anwälte in die Bresche.

„Faktisch allein gelassen“

„Durch die Einräumung dieser Befugnisse bekommen Unternehmerinnen und Unternehmer Unterstützung in Bereichen, wo sie bisher in der Praxis faktisch alleine gelassen wurden“, meint Klaus Hübner, Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Derzeit müssen Steuerberater, die ihre Klienten seit jeher auch in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen betreuen, diese beispielsweise bei der Erstellung von Dienstverträgen an den Rechtsanwalt verweisen. Den Unternehmen fehle dafür das Verständnis und in den meisten Fällen werde aus Zeit- und Kostengründen auch kein Rechtsberater konsultiert.

Hübner: „Überall dort, wo der Steuerberater traditionellerweise näher dran ist an der Materie als ein Rechtsanwalt, soll er im Sinne der Wirtschaft tätig sein dürfen. Andere Berufsgruppen werden damit de facto in ihren Rechten nicht beschnitten.“

Am kommenden Donnerstag soll sich jedenfalls der Wirtschaftsausschuss des Nationalrats damit befassen.

Link: ÖRAK

Link: KWT

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