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Recht

EuGH nimmt Steuerbefreiungen für Kirche ins Visier

Kirche und Staat. Die Steuerbefreiungen, in deren Genuss die katholische Kirche in Spanien kommt, können verbotene staatliche Beihilfen darstellen – wenn und soweit sie für wirtschaftliche Tätigkeiten gewährt werden. Das hat der EuGH jetzt entschieden.

Ein vor dem Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften geschlossenes Abkommen zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl sieht verschiedene Steuerbefreiungen zugunsten der katholischen Kirche vor, schildert der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorgeschichte.

In der vorliegenden Rechtssache C-74/16 beruft sich eine religiöse Kongregation der katholischen Kirche in ihrer Eigenschaft als Trägerin einer kirchlichen Schule in der Nähe von Madrid auf dieses Abkommen, um die Erstattung einer Gemeindesteuer auf Bauwerke, Einrichtungen und Baumaßnahmen in Höhe von knapp 24 000 Euro zu erwirken, die sie auf Baumaßnahmen an einem Schulgebäude, in dem die Aula der Schule untergebracht ist, entrichtet hat.

Die fraglichen Räumlichkeiten werden für staatlich reglementierten Primar- und Sekundarunterricht genutzt, der dem Unterricht an öffentlichen Schulen gleichsteht und vollständig aus dem öffentlichen Haushalt finanziert wird. Sie werden auch für freien Vorschulunterricht, außerschulischen Unterricht und Unterricht im Anschluss an die Schulpflicht genutzt, der nicht aus dem öffentlichen Haushalt subventioniert wird und für den Einschreibegebühren erhoben werden.

Zunächst ein Steuerstreit…

Der Erstattungsantrag wurde von der Steuerbehörde abgelehnt. Die Steuerbefreiung finde keine Anwendung, da sie für eine Tätigkeit der katholischen Kirche begehrt werde, mit der kein strikt religiöser Zweck verfolgt werde.

Der mit der Klage der religiösen Kongregation befasste Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 4 de Madrid (Verwaltungsgericht Nr. 4 von Madrid) fragte den EuGH, ob die streitige Steuerbefreiung, hier angewandt auf ein Schulgebäude, als eine durch das Unionsrecht verbotene staatliche Beihilfe zu betrachten sei.

In der Rechtssache werde damit zugleich die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob eine verbotene staatliche Beihilfe vorliegen kann, wenn ein Mitgliedstaat eine Religionsgemeinschaft von bestimmten Steuern befreit, und zwar auch für Tätigkeiten, die keinen strikt religiösen Zweck haben.

Das Urteil

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass eine Steuerbefreiung eine verbotene staatliche Beihilfe darstellen kann, wenn und soweit die in den fraglichen Räumlichkeiten ausgeübten Tätigkeiten wirtschaftlicher Art sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass nur die nicht vom spanischen Staat subventionierten Unterrichtstätigkeiten wirtschaftlichen Charakter haben dürften, da sie im Wesentlichen mittels privater finanzieller Beteiligungen an den Schulgebühren finanziert werden.

Das nationale Gericht werde ferner zu klären haben, ob und in welchem Umfang die fraglichen Räumlichkeiten, zumindest teilweise, für solche wirtschaftlichen Tätigkeiten genutzt werden.

Der Gerichtshof fügt hinzu, dass die Befreiung von der fraglichen Gemeindesteuer zumindest zwei der vier Voraussetzungen für die Einstufung als verbotene staatliche Beihilfe zu erfüllen scheint, da sie

  • der die Schule betreibenden Kongregation einen selektiven wirtschaftlichen Vorteil verschaffen würde und
  • zu einer Verringerung der Einnahmen der Gemeinde und damit zum Einsatz staatlicher Mittel führt.

Zu den beiden anderen Voraussetzungen (Auswirkungen des wirtschaftlichen Vorteils auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung) stellt der Gerichtshof fest, dass die streitige Befreiung möglicherweise dazu führt, die Erbringung der Unterrichtsleistungen der religiösen Kongregation im Vergleich zu Einrichtungen, die auf dem gleichen Markt tätig sind, attraktiver zu gestalten.

Das Unionsrecht bestimmt allerdings, dass Beihilfen, die einen Gesamtbetrag von 200 000 Euro innerhalb von drei Jahren nicht übersteigen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen und den Wettbewerb nicht verfälschen oder zu verfälschen drohen, so dass solche Maßnahmen vom Begriff der staatlichen Beihilfen ausgenommen sind.

Das nationale Gericht werde daher prüfen müssen, ob dieser Schwellenwert im vorliegenden Fall erreicht wird, wobei nur die Vorteile zu berücksichtigen sind, die die religiöse Kongregation aus ihren etwaigen wirtschaftlichen Tätigkeiten zieht.

Schließlich führt der Gerichtshof aus, dass die streitige Steuerbefreiung, auch wenn das Abkommen zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl vor dem Beitritt Spaniens zur Union abgeschlossen wurde, gegebenenfalls nicht als bestehende staatliche Beihilfe anzusehen ist, sondern als neue Beihilfe.

Die spanische Steuer auf Bauwerke, Einrichtungen und Baumaßnahmen wurde nämlich erst nach diesem Beitritt eingeführt. Sollte das nationale Gericht feststellen, dass eine staatliche Beihilfe vorliegt, müsste diese also der Kommission mitgeteilt werden und dürfte nicht ohne ihre Zustimmung durchgeführt werden.

Link: EuGH

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