Wien. Die Gewerbeordnungsnovelle bringt zahlreiche Änderungen, auch wenn sie die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für das One-Stop-Shop-Prinzip verfehlt hat.
SPÖ und ÖVP gelang es vergangene Woche doch noch, die Novelle der Gewerbeordnung in der laufenden Legislaturperiode gemeinsam über die parlamentarische Bühne zu heben. Möglich wurde dies durch Abänderungsanträge, die eine „Single License“ für alle freien Gewerbe vorsehen und die Zahl der reglementierten Gewerbe nunmehr auf 75 reduzieren, berichtet die Parlamentskorrespondenz.
Die für das One-Stop-Shop im Betriebsanlagenrecht erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit konnte allerdings nicht erzielt werden, zumal die Opposition bei ihren Bedenken blieb und zusätzliche Liberalisierungsschritte vermisste.
Neos und Grüne forderten die Freigabe einer Reihe weiterer Gewerbe, die Grünen befürchten zudem auch Einbußen in den Nachbarschafts- und Umweltrechten im Zuge des Betriebsanlagenrechts. In Kraft treten wird die neue Gewerbeordnung mit 1. Mai 2018.
75 reglementierte Gewerbe, „Single License“ für alle freien Gewerbe
Liberalisierung und Deregulierung sind die Hauptstoßrichtungen der Novelle – auch wenn sie den Kritikern bei weitem zu unambitioniert ist:
- Nach dem Wegfall des Hufschmiedegewerbes werden nun auch Arbeitsvermittlung und die Erzeugung von kosmetischen Artikeln zu freien Gewerben, einige Textilgewerbe wiederum werden zusammengelegt. Somit reduziert sich die Zahl der regulierten Gewerbe von zuletzt 80 auf nunmehr 75, die Teilgewerbe entfallen.
- Mit einer einheitlichen Gewerbeberechtigung, der so genannten Single License, kann in Zukunft jedes der rund 440 freien Gewerbe ausgeübt werden.
- Wenn die zusätzliche Tätigkeit in einem anderen freien Gewerbe allerdings 30% des Jahresumsatzes übersteigt, muss dies beim Gewerbeinformationssystem GISA angezeigt werden – eine elektronische Mitteilung ist hier möglich -, wobei dann auch eine Grundumlage für die Wirtschaftskammer fällig wird.
- Bei reglementierten Gewerben können bis zu 15% der Auftragssumme in einem anderen reglementierten Gewerbe ohne Erfordernis einer zusätzlichen Gewerbeberechtigung erwirtschaftet werden.
- Die Anmeldung eines Gewerbes ist gebührenfrei.
- Im Betriebsanlagenverfahren kommt es zu einer Entbürokratisierung, insgesamt gilt hier der Grundsatz „Beraten vor Strafen“.
- Erleichterungen bringt die Novelle vor allem auch für den Tourismus, da nun Hotels auch Zusatzleistungen wie Ausflüge, Schivermietung oder Wellnessdienste anbieten können.
- Anpassungen bei der Sperrstundenregelung wiederum greifen bereits auf das kommende Rauchverbot und damit zusammenhängende allfällige Lärmbelastungen durch vor den Lokalen rauchende Gäste vor. Gemeinden können nun in Abwägung der Interessen der AnrainerInnen und der Lokalbetreiber unter Beiziehung von Sachverständigen die Sperrstunde vorverlegen.
- Ausdrücklich klargestellt wird schließlich, dass Automatentankstellen als Betriebsstätten im Sinn der Gewerbeordnung gelten.
- Weitere Änderungen der Gewerbeordnung, ergeben sich aus der Umsetzung der 4. Geldwäsche-Richtlinie der EU, wobei es bei den einzelnen Bestimmungen vor allem darum geht, das Bewusstsein der Gewerbetreibenden und der Behörden über die Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erhöhen. Hier erfolgte die Zustimmung einhellig.
Erleichterungen für Unternehmen
Die Reform bringe notwendige Modernisierungen, ist die ÖVP überzeugt. So ermögliche die digitale Gewerbelizenz ein Hineinarbeiten in andere freie Gewerbe bis zu 30% des Jahresumsatzes. Die Novelle bringe aber auch wesentliche Erleichterungen für Tourismusbetriebe und werde daneben durch den Wegfall aller Bundesgebühren zu einer Ersparnis für die Unternehmen von 10 Mio. € führen.
Ein mittelständisches Hotel brauchte bisher sechs Gewerbescheine, um alle Bedürfnisse der Gäste abzudecken, nach dem heutigen Beschluss reiche dafür ein einziger Schein, heißt es.
Auch an Pferdehöfe wurde gedacht: Landwirtschaftliche Betriebe, die nicht mehr als 25 Pferde halten und nicht mehr als zwei Pferde pro Hektar, können damit weiterhin diese Pferdeeinstellung als landwirtschaftliche Tätigkeit beibehalten. Die Regierung habe bewiesen, dass sie reformwillig und reformfähig ist, so die ÖVP.
Hätte es mehr sein können?
Christoph Matznetter (SPÖ) freute sich, dass es nun ein liberales Gewerberecht mit einer Single-License gibt, räumte aber ein, die SPÖ hätte weitergehende Forderungen gehabt.
Die Möglichkeit zu wesentlich größeren Befreiungen und Entlastungen der Wirtschaft sei trotz einiger positiver Punkte verpasst worden, urteilte FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger. Zu einer deutlichen Senkung der Zahl der reglementierten Gewerbe sei es nicht gekommen, faktisch werden nur zwei weitere Gewerbe aus der Liste gestrichen. Die 30%-Regelung bedeute noch nicht den einheitlichen Gewerbeschein für alle freien Gewerbe.
Matthias Strolz von den Neos führte die Single-License und die vorgenommenen Liberalisierungen auf den Druck seiner Fraktion zurück, qualifizierte die Novelle aber insgesamt als unzureichend. Man hätte zumindest auf 60 reglementierte Gewerbe reduzieren können, meinte er unter Hinweis auf den gemeinsam mit den Grünen eingebrachten Abänderungsantrag. Doch eigentlich gehöre die Gewerbeordnung nicht novelliert, sondern völlig neu geschrieben, lautete sein Urteil.
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