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Recht

VfGH: Präsidenten-Urteil als aufwändigstes Verfahren

©VfGH / Achim Bieniek

Wien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat 2016 die durchschnittliche Verfahrensdauer weiter reduziert. Gleichzeitig hatte er mit der Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl das bisher aufwändigste Verfahren überhaupt zu bewältigen. Das Ergebnis fiel dabei anders aus als bei 95% der übrigen VfGH-Verfahren.

Trotz des Verfahrens zur Bundespräsidenten-Stichwahl und eines insgesamt steigenden Arbeitsanfalls ist es dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) im vergangenen Jahr gelungen, die durchschnittliche Verfahrensdauer weiter zu reduzieren, heißt es weiter: 143 Tage und damit weniger als fünf Monate dauerte es im Schnitt, bis eine Sache entschieden wurde.

Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofs 2016 hervor, der von Kanzleramtsminister Thomas Drozda dem Nationalrat vorgelegt wurde und über den die Parlamentskorrespondenz im Detail berichtet.

Österreich stehe damit im internationalen Vergleich gut da. Insgesamt hat der VfGH 3.898 Verfahren abgeschlossen, darunter 584 Gesetzesprüfungsverfahren.

Wann es länger dauern kann…

Zu deutlich längeren Verfahren komme es meist nur dann, wenn diese unterbrochen werden: Etwa weil sich der Verfassungsgerichtshof dafür entschieden hat, ein Normenprüfungsverfahren einzuleiten, oder er den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht.

In diesem Sinn stammen lediglich 25 der 998 Verfahren, die Ende 2016 noch offen waren, aus dem Jahr 2015. Nicht berücksichtigt bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer von 143 Tagen sind Asylrechtssachen, bei ihnen ist die Erledigungsdauer noch deutlich kürzer.

Eine große Herausforderung für den Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr war die Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl, der das Richterkollegium schließlich auch stattgegeben hat (im Gegensatz zu den allermeisten anderen Anfechtungen). Die öffentliche mündliche Verhandlung erstreckte sich über einen Zeitraum von sechs Tagen. Erstmals wurde eine bundesweite Wahl aufgehoben, hebt VfGH-Präsident Gerhart Holzinger im Vorwort zum Bericht hervor.

Hoch geblieben ist auch die Zahl der so genannten Gesetzesbeschwerden. 283 Mal wurde dieses im Jahr 2015 neu eingeführte Rechtsschutzinstrument für Verfahrensparteien in Gerichtsverfahren genutzt, wobei 272 der Beschwerden Gesetze und 11 andere Normen wie Verordnungen betrafen.

Insgesamt sind das zwar etwas weniger als 2015 (321), ursprünglich waren jährlich aber nur rund 150 zusätzliche Normenprüfungsverfahren erwartet worden. Die Erfolgsaussichten von Parteianträgen auf Gesetzesprüfung sind allerdings gering, wie die Statistik zeigt: Lediglich vier der 381 im vergangenen Jahr abgeschlossenen einschlägigen Verfahren führten zur Aufhebung beanstandeter Bestimmungen.

VfGH hob 20 von 114 geprüften Gesetzesnormen zumindest teilweise auf

  • Insgesamt hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2016 exakt 584 Gesetzesprüfungen erledigt. Von 114 geprüften Normen wurden 20 zumindest teilweise aufgehoben, vorrangig aufgrund von amtswegigen Prüfungen und Gerichtsanträgen. 94 hielten der Prüfung hingegen stand.
  • Vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden unter anderem das in der Strafprozessordnung verankerte Aussageverweigerungsrecht für geschiedene Ehepartner und die Einschränkung der Rechtsberatung von AsylwerberInnen.
  • Außerdem wurde klargestellt, dass die Beschränkung von Wahlwerbungsausgaben für Landtags- und Gemeinderatswahlen in die Kompetenz der Länder fällt.
  • Keine Einwände hatten die RichterInnen hingegen gegen die Registrierkassenpflicht, die Untersagung der Gründung eines Vereins für Sterbehilfe, die zahlenmäßige Beschränkung der Konzessionen zum Betrieb von Glücksspielautomaten und das per Bundesgesetz beschlossene Werbeverbot für ästhetische Behandlungen und Operationen in Krankenanstalten.
  • Ebenso wenig wurden die gesetzlichen Eingriffe in Betriebspensionen bei der Nationalbank, die Unzulässigkeit der Stellung eines Parteiantrags auf Gesetzesprüfung im Exekutionsverfahren, die Anwohnerparkzonen in Wien und die neuen Bestimmungen über die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags für ÖBB-Bedienstete beanstandet.
  • WaldbesitzerInnen müssen auf ihrem – nicht umfriedeten – Grund Jagd dulden, auch wenn sie diese aus ethischen Gründen ablehnen.

Nur 5% der Beschwerden erfolgreich

Insgesamt wurden im Jahr 2016 3.920 Verfahren beim VfGH neu anhängig. Das ist ein Plus um mehr als 10% gegenüber 2015. Ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz fiel – mit 1.726 Fällen – dabei wieder auf Asylrechtssachen. Das sind 44% des Neuanfalls.

Gleichzeitig konnte der Verfassungsgerichtshof 3.898 Verfahren abschließen. Neben 584 Gesetzesprüfungsverfahren und 94 Verordnungsprüfungsverfahren waren das auch 3.144 Einzelbeschwerden nach Art. 144 B-VG (davon 1.670 Asylbeschwerden), 2 Staatsvertragsprüfungen, 20 Wahlanfechtungen, 2 Beschwerden betreffend Wählerevidenzen und 2 Anträge auf Mandatsverlust.

In 184 Fällen (5%) gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin satt. Dem stehen 233 Abweisungen, 338 Zurückweisungen und 1.318 Ablehnungen gegenüber. Dazu kommen 1.750 negative Entscheidungen über Verfahrenshilfeanträge und 75 „sonstige Erledigungen“ wie Verfahrenseinstellungen.

Für den amtierenden VfGH-Präsidenten Gerhart Holzinger ist der vorgelegte Bericht übrigens der letzte: Er scheidet mit Ende des Jahres altersbedingt aus dem Verfassungsgerichtshof aus. Auch zwei weitere Richter erreichen heuer die Altersgrenze von 70 Jahren.

Link: VfGH

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