Sekten-Beratungsstelle. Von Geistheilern bis Gurus reicht das Spektrum des jetzt im Parlament präsentierten neuen österreichischen Sektenberichts. Die Staatsverweigerer kommen darin prominent vor.
Es sei ein Einblick in den „Supermarkt“ der Weltanschauungen und spirituellen Bewegungen, die auch in Österreich eine Relevanz haben, so die Parlamentskorrespondenz: Der jährliche Sektenbericht des Familienministeriums widmet diesmal ein ausführliches Kapitel den „Freeman“-Bewegungen. Sie werden auch mit Begriffen wie Staatsverweigerer, Staatsfeinde oder Reichsbürger umschrieben.
Zentrale Servicestelle als Drehscheibe
Eine zentrale Anlaufstelle dabei ist die Bundesstelle für Sektenfragen, an die sich 2015 insgesamt 978 Personen gewandt haben. Die Bundesstelle steht seit 1998 österreichweit als Service- und Anlaufstelle Privatpersonen, Institutionen und staatlichen Einrichtungen zur Verfügung.
Neben möglichst objektiver Information soll sie individuelle psychosoziale Beratung, Präventionsarbeit sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bieten. In ihrer täglichen Arbeit sind die Mitarbeiter mit vielfältigen Fragen konfrontiert, etwa zu
- alternativen religiösen Bewegungen,
- Esoterik,
- spezifischen Seminarangeboten (Lebenshilfemarkt),
- Geist- und Wunderheilungen,
- fundamentalistischen Strömungen,
- Guru-Bewegungen,
- Okkultismus oder Satanismus.
Im Rahmen dieser Tätigkeit gehe es nicht um die Bewertung von Glaubensfragen, wie die Berichtsautoren betonen, sondern wie in den unterschiedlichen Gruppierungen mit den Menschen umgegangen wird und ob sich daraus mögliche Gefährdungen ergeben.
Nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bundesstelle fallen die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Die „Freeman“-Bewegungen
Ein neueres Phänomen sind dabei die Staatsverweigerer, die ein prominenter Gegenstand im neuen Sektenbericht sind.
Im Sommer 2014 waren die Behörden in Niederösterreich erstmals mit einem Phänomen konfrontiert, das sich als „One People’s Public Trust“ (OPPT) präsentierte. Es kam zu einem Polizeieinsatz im niederösterreichischen Ort Hollenbach, da die Anhänger der Gruppe ein „Gerichtsverfahren“ gegen eine Sachwalterin organisierten.
OPPT ist dabei nur eine von einer größeren Anzahl von Gemeinschaften, die in Nordamerika in den 1970er und 1980er Jahren ihren Ursprung haben und als sogenannte „Freeman“-Bewegungen bezeichnet werden. Allen gemeinsam sei die Rückweisung jeglicher staatlicher Autorität.
Der kleinste gemeinsame Nenner ist in der Annahme gegeben, dass das herkömmliche wirtschaftliche und politische System korrupt und grundlegend falsch ist, eigentlich seine Legitimität verloren hat und dass man von allen offiziellen Stellen und auch den Medien belogen wird, wie es weiter heißt.
Damit ergibt sich auch eine Verbindung zu verschiedenen Verschwörungstheorien, die in ihren unterschiedlichen Ausprägungen von der Grundannahme geleitet sind, dass die aktuelle Krise bewusst von einer kleinen weltbeherrschenden Elite gesteuert ist und die ultimative Unterdrückung und Entmündigung der Menschen zum Ziel hat.
Vielfach sei so eine gewisse Nähe zu rechtsorientierten Argumentationsfiguren (jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung oder der angebliche Einfluss der Bankenfamilie Rothschild) erkennbar.
Wichtig sei nicht zuletzt, die zumeist esoterische Orientierung dieser Bewegungen nicht außer Acht zu lassen. Man sieht den Menschen in einem verderblichen System gefangen, das ihn an einer höheren Einsicht in die wirklichen Zusammenhänge hindere. Dies werde ihm nun durch das Wissen einer Gruppe von Befreiten ermöglicht.
Vielfach lassen sich Schnittmengen mit Personen feststellen, die etwa an Chemtrails und Ufos glauben oder Impfgegner sind. Zu beobachten seien auch gewisse Tendenzen im Schulwesen, die mit den genannten Bewegungen in Zusammenhang stehen (z.B. die Gründung von speziellen Schulen, Unterricht zu Hause).
Zersplitterung der Weltanschauungen
Generell stellen die Autoren fest, dass sich die weltanschauliche Szene immer mehr in kleinere Organisationen, Gemeinschaften sowie Einzelanbieter aufspalte, was auch zu einer Vielzahl an Neugründungen geführt hat.
Grundsätzlich hat die Bundesstelle für Sektenfragen den gesetzlichen Auftrag, Gefährdungen, die von „Sekten“ oder „sektenähnlichen Aktivitäten“ ausgehen können, zu dokumentieren und darüber zu informieren, sofern für deren Vorliegen ein begründeter Verdacht besteht und diese Gefährdungen bestimmte schutzwürdige Güter oder Interessen betreffen.
Konfliktträchtige Strukturen oder mögliche Gefährdungen können dabei nicht nur in religiösen oder weltanschaulichen Bereichen beobachtet werden, sondern etwa auch im expandierenden kommerziellen Lebenshilfemarkt oder der schwer zu überblickenden Esoterikszene, wie es heißt.
Der 180 Seiten umfassende Bericht enthält Fallbeispiele, die einen Einblick in die Beratungstätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen geben sollen. So wandten sich etwa Personen an die Bundesstelle, die von jahrelangen sexuellen Belästigungen durch den „Guru“ einer Yogagemeinschaft berichteten oder von „Geistheilern“ finanziell ausgenutzt wurden.
Da Menschen, die schwere Gesundheitsprobleme haben, besonders anfällig für jede Form von Heilungsversprechen sind, gab es auch in diesem Bereich zahlreiche Fälle. So verließen sich etwa Eltern, deren Kind diabeteskrank war, auf alternative Heilmethoden, was schließlich zu einer lebensgefährlichen Unterzuckerung bei der Tochter führte.
In einer privaten Kindergruppe wurde wiederum für eine Gesundheitskonzept geworben, demzufolge jede Krankheit durch das wiederholte Abspielen eines Liedes geheilt werden könne.
Ein boomender Markt
Viele Angebote im weltanschaulichen Bereich haben auch einen kommerziellen Aspekt, heißt es im Bericht. Der Markt halte eine Fülle von Produkten bereit, die von Seminaren zur Aus- und Weiterbildung über „esoterische“ Präparate bis hin zu pseudowissenschaftlich begründeten Apparaturen und Geräten reichen.
Insbesondere Begriffe, die sich an der modernen Physik zu orientieren scheinen, werden vielfach herangezogen, wie z.B. Quantenheilung, Energieübertragung, Schwingungsfelder etc.
Eine Frau zeigte sich etwa besorgt darüber, dass ihr Ehemann von einem Gerät begeistert ist, das „freie Energie“ erzeugen und gratis Strom liefern soll. Um solch ein Gerät vorbestellen zu können, müsste er lediglich 16.000 Euro vorab bezahlen.
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