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Business, Personalia, Recht, Tech

PHH-Gründer Prochaska: KI als Gamechanger für Anwälte

Stefan Prochaska ©PHH

Wirtschaftskanzleien. Stefan Prochaska, Managing Partner der Wirtschaftskanzlei PHH Rechtsanwälte, hat zum 20-jährigen Jubiläum im Beruf eine drastische Botschaft: „Die KI wird die Strukturen der Branche verändern.“ Und das, sagt der Profi, der sogar auf ein persönliches Büro verzichtet, „ist gut. Strukturen behindern.“

Extrajournal.Net: Sie sind seit 20 Jahren Anwalt und Gründer sowie Managing Partner der Wirtschaftskanzlei PHH Rechtsanwälte: Wie gut laufen die Geschäfte? PHH ist vielen Berufskollegen ja noch durch das Ausscheiden von Vier Equity-Partnern ein Begriff: 2013 verließen Dieter Heine sowie Nikolaus und Karl Vavrovsky und Christian Marth die damalige PHHV und gründeten Vavrovsky Heine Marth.

Stefan Prochaska: Natürlich war der Abgang der Kollegen ein einschneidendes Erlebnis für uns. Allerdings muss man auch sagen: Die Motivation für die verbliebenen Partner war umso höher, und der Umsatz von PHH Rechtsanwälte war schon im ersten Gesamtjahr nach der Trennung höher als zuvor.

Wie groß ist die Kanzlei derzeit?

Prochaska: Wir sind rund 80 Personen, alles in allem – also inklusive Teilzeitmitarbeitern usw. Bei der Spaltung waren wir insgesamt ca. 50. Heute gibt es bei uns knapp 40 Juristen darunter 11 Partner, davon 5 Equity Partner und 7 Rechtsanwälte.

Sie vermissen die alten Zeiten also nicht?

Prochaska: Es hat bei uns einfach eine erhebliche Professionalisierung stattgefunden. Die Arbeitsweise von PHH Rechtsanwälte, die Akquisition von Mandaten hat sich massiv geändert. Ich selbst war früher im Projektgeschäft (M&A) tätig, habe dabei Klienten Akquisition betrieben, also wirklich Klinken geputzt. Heute wird PHH Rechtsanwälte angerufen, wird häufig ganz von selbst in Betracht gezogen, wenn es ein Mandat zu verteilen gilt – ein großer Unterschied gegenüber der Anfangszeit, über den wir uns sehr freuen.

Dieser Erfolg ist natürlich auch guten neuen Partnern zu verdanken: Rainer Kaspar z.B., Partner seit 2012 und ein klassischer M&A Anwalt hat den gesamten internationalen Bereich der Kanzlei aufgebaut und pflegt unsere internationalen Kontakte und Netzwerke. Wolfram Huber ist seit 2014 bei uns, er macht Bank- & Finanzrecht, u.a. Finanzierungen und PPP Projekte und hat somit in der Kanzlei einen Bereich aufgebaut, den wir zuvor nicht bedient haben.

Solche Neueinsteiger haben klarerweise auch Strahlwirkung nach außen. Ein weiterer Faktor ist, dass wir uns im Gegensatz zu früher verstärkt um Marketing, PR und Rankings kümmern.

Die richtige Mischung aus internem und externem Know-how hilft?

Prochaska: Ich glaube dass eine gute Mischung aus internen Aufsteigern und Neuankömmlingen für den Erfolg wichtig ist. Neue Themen kommen tendenziell von außen herein, mit den richtigen neuen Kollegen. Natürlich ist es wichtig dass die Persönlichkeiten harmonieren. Darauf schauen wir heute mehr als früher, daher gibt es seit Beginn des Jahres auch eine eigene HR-Stabstelle.

Wenn die Personen nicht zusammenpassen, dann gibt es Probleme?

Prochaska: Das war sicherlich in der Vergangenheit manchmal der Fall. Wer das überkommene Selbstverständnis des Anwalts von früher mitbringt, der findet sich vielleicht in unserer Organisation nicht einfach zurecht. PHH Rechtsanwälte ist wesentlich flexibler und offener organisiert als andere große Wirtschaftskanzleien. Das sieht man bei mir am besten – ich habe selbst habe gar kein eigenes Büro, keine vier Wände, in denen ich mich verkrieche – sondern ich verwende höchstens wie bei diesem Interview nach Bedarf einmal einen der Besprechungsräume.

Sie verzichten als Gründungs- und Managing Partner auf ein eigenes Büro?

Prochaska: Das klassische Büro eines Anwalts, so wie es häufig gesehen wird, das empfinde ich heute als eine Art Höhle, es hat sich für mich persönlich geradezu als Rückzugsort für nicht erledigte Aufträge erwiesen. Ein Ort wo sich Akten stapeln, unerledigte Aufgaben warten, wo man nicht ansprechbar und nicht zugänglich ist. Darauf zu verzichten hat mir einen Quantensprung beschert. Es macht auch im Kopf freier. Dieser Philosophie versuche ich auch in der Kanzlei zu folgen. Unsere Juristen sitzen zum Beispiel grundsätzlich nicht alleine, sondern in Arbeitsgruppen, und natürlich wird auch mobil gearbeitet.

Jeder arbeitet im Großraumbüro?

Prochaska: Nicht im Großraumbüro – das wäre bei unserem schönen alten Gebäude im 1. Wiener Bezirk gar nicht möglich – sondern in offenen Bürolandschaften für mehrere Personen. Nur Partner haben bei uns ein eigenes Zimmer. Daran arbeite ich noch. Zum Beispiel habe ich die Idee, in Zukunft immer den jüngsten Konzipienten mit dem ältesten Partner zusammenzusetzen.

Für den Gedankenaustausch?

Prochaska: Davon können beide Seiten extrem stark profitieren. Die Teams sitzen bei uns jetzt bereits zusammen. Das Ergebnis ist, dass alle in Berührung mit den Klienten kommen. Ich selbst habe in meiner Ausbildung stark davon profitiert, dass ich miterleben konnte wie erfahrene Anwälte mit Klienten und Kollegen geredet und die Dinge gehandhabt haben. Das Ergebnis ist ganz einfach bessere Qualität, denn die juristische Arbeit kann der Mandant meistens erst am Ende beurteilen. Das Auftreten und die Qualität der Betreuung jedoch schon von Beginn an.

Darum sagen wir, dass unsere Konzipienten schon lange vor dem Anwaltsdasein mit den Klienten zusammenkommen müssen. Das alte Muster, wonach nur der Anwalt den Kundenkontakt hat, und der Konzipient dann nach der Anwaltsprüfung sozusagen ins kalte Wasser geworfen wird – das funktioniert einfach nicht mehr.

Es ist wichtig, neue Strukturen zu finden?

Prochaska: Eine der Konsequenzen daraus, dass ich auf ein eigenes Büro verzichte, ist dass ich ganz einfach öfter bei den Klienten draußen bin. Ich chatte auch viel mit meinen Klienten, das ist viel effizienter als per E-Mail. Das alles ist aber erst der Anfang, wir haben noch viel vor.

Bis vor zwei Jahren hatten wir eine klassische Teamstruktur. Diese Teams haben teilweise an ähnlichen Themen gearbeitet, beispielsweise im Bereich Corporate und M&A. Dann haben wir mit dem Kanzleiberater Christoph Vaagt eine neue Struktur erarbeitet. Die Hauptpunkte waren Pooling der Mitarbeiter und Leitung nach dem 4-Augen-Prinzip, wobei immer ein Equity Partner einen Hauptbereich leitet.

Wie sieht die Struktur heute aus?

Prochaska: Wir sind in zwei großen Gruppen organisiert, nämlich einerseits Corporate / M&A und andererseits Disputes. Zu letzterem gehören bei uns Gericht, Schiedsverfahren, Strafrecht usw., aber auch Immobilien. Die Mitarbeiter teilen sich ungefähr im Verhältnis 45 zu 55 auf die beiden Gruppen auf.

Die Vorteile liegen in der engen Zusammenarbeit und der einfachen Teamleitung. Ich kann nur jedem empfehlen, die alte Struktur, bei der die Konzipienten jeweils einem Anwalt zugeordnet waren, aufzugeben, es ist auch für die Ausbildung besser. Wir haben auch firmenweite Meetings geschaffen, damit alle wissen worum es gerade geht: An ihnen nimmt das gesamte Team teil, auch die Sekretärinnen – die es bei uns nicht gibt, sie heißen Assistentinnen und sind es wirklich.

Wie sehen Sie die Trends im Anwaltsberuf? Von Großkanzleien hört man oft, der Mittelbau werde es immer schwerer haben.

Prochaska: Mit dem Mittelbau sind dann wohl wir gemeint – also, ich fürchte mich wahnsinnig. Im Ernst, wäre ich in einer Großkanzlei, würde ich das wohl auch sagen. Nur erinnert mich das an ewige Diskussionen wie rechts gegen links, zentral gegen dezentral usw. Die wirklich wichtige Frage ist doch: Wer hat einem moderne Dienstleistung zu einem fairen Preis anzubieten?

Früher ging es darum, als Anwalt überhaupt von potenziellen Klienten gefunden zu werden, aber heutzutage ist im Internet jeder auffindbar. Umso wichtiger ist Beratungsqualität und Service und das wird bei uns täglich gelebt. Und im internationalen Vergleich sind die österreichischen Großkanzleien alle Zwerge.

Auf die Dauer wird es wohl global gesehen bei den Anwälten dominante Player wie die Big Four bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geben. Gleichzeitig wird es aber immer Themen mit lokaler Komponente geben, und die ist bei uns ganz stark ausgeprägt. Deshalb werden wir beauftragt. Das könnte sich höchstens einmal ändern, wenn sich unsere Qualität ändert – aber nicht durch die Größe.

Was halten Sie von neuen Trends wie Künstlicher Intelligenz (KI) im Anwaltsberuf? Können solche neuen Werkzeuge die Spielregeln ändern?

Prochaska: Die Auswirkungen sind ganz einfach diese: Standardprozesse werden abgeschafft. Formalistische Abläufe laufen künftig als IT-Prozess nebenher mit. Das bedeutet, dass es mehr denn je um die Beratung gehen wird, auf die kommt es an.

Ein Beispiel ist die Due Diligence bei Unternehmenskäufen. Wenn in der Vergangenheit ein Unternehmen gekauft wurde, dann haben buchstäblich ganze Generationen von Anwälten im Auftrag des Käufers jeden einzelnen Vertrag durchgelesen, den dieses Unternehmen jemals abgeschlossen hat – und gut daran verdient. Aber künftig macht das der Computer. Der Anwalt sieht sich nur noch das Ergebnis der Prüfung an, und er berät bei der Kaufentscheidung selbst.

Das wird erhebliche Auswirkungen auf die Kanzleistrukturen haben, auf die Art und Weise wie Anwälte arbeiten.

Prochaska: Ja, und das ist gut. Strukturen behindern.

Link: PHH

 

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