Wien. Der Bundesrat hat den Weg freigemacht für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten: WK NÖ-Chefin Sonja Zwazl sieht verfassungswidrige Bestimmungen.
Große Unterschiede gab es zwar nicht mehr, Verbesserungsbedarf sah man jedoch noch beim Kündigungsschutz für ArbeiterInnen und bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, berichtet die Parlamentskorrespondenz: Dieser Beschluss wurde im Rahmen einer namentlichen Abstimmung (36 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen) von allen anwesenden Bundesräten der SPÖ, der FPÖ, der Grünen sowie der fraktionslosen Jutta Arztmann mitgetragen.
Die vorgesehenen längeren Kündigungsfristen für ArbeiterInnen werden aber erst ab dem Jahr 2021 gelten. Außerdem dürfen Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen (z.B. Bausektor oder Tourismus), über das Jahr 2021 hinaus abweichende Regelungen durch Kollektivvertrag festlegen.
Die Kritikpunkte
Gegen das Gesetzespaket stimmte erneut die ÖVP. Bundesrätin Sonja Zwazl – sie ist Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich – sprach von einer „Hauruck-Aktion“. Ihrer Ansicht nach wären noch ausführlichere Beratungen notwendig gewesen; außerdem fehle ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff.
Zwazl beklagte vor allem die mangelnde Einbindung der Sozialpartner. Auch die Volkspartei strebe einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff an, dieses Ziel müsse jedoch schrittweise und mit entsprechenden Übergangsfristen verfolgt werden.
Der jetzt vorgelegte Gesetzesantrag sei sehr unbestimmt und enthalte wohl auch verfassungswidrige Bestimmungen, urteilte Zwazl.
- So wies sie etwa darauf hin, dass kurzfristig in tausende Dienstverträge eingegriffen wird, zumal geringfügig beschäftigte Angestellte derzeit von langen Kündigungsfristen ausgenommen sind.
- Außerdem finde man keine Definition darüber, was genau unter Saisonbetrieben zu verstehen ist.
- Als fahrlässig bezeichnete sie zudem die Regelung, wonach es einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch dann gibt, wenn eine einvernehmliche Lösung im Hinblick auf die Dienstverhinderung erfolgt.
Aus all diesen Gründen plädierte sie für einen Beharrungsbeschluss von Seiten des Bundesrates. Dieser Forderung schloss sich auch Bundesrat Andreas Köll (ÖVP Tirol) an. Bei dem seiner Meinung nach nicht ausgereiftem Entwurf handle es sich um einen Wahlkampfgag.
Bundesrat Bernhard Rösch (FPÖ Wien) dagegen von einem sozialen Meilenstein, für den sich die FPÖ immer stark eingesetzt habe. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung, die schon seit langem Realität sei, brauche es Gleichberechtigung in der Arbeit. Gefordert seien dabei auch die Sozialpartner, die sich auf die neuen Bedingungen einstellen müssten.
Die Gleichstellung im Detail
- Gemäß dem Gesetzesbeschluss wird auch für Arbeiter künftig eine zumindest sechswöchige Kündigungsfrist gelten, wobei das Dienstverhältnis nur mit Ablauf jedes Kalendervierteljahres gelöst werden kann. Danach steigt die Kündigungsfrist stufenweise an – bis zu einer Dauer von fünf Monaten nach dem vollendeten 25. Dienstjahr.
- Für Angestellte ist neu, dass die Kündigungsregelungen auch für Beschäftigte mit nur wenigen Wochenstunden (weniger als ein Fünftel der kollektivvertraglichen Normarbeitszeit) gelten.
- Vereinheitlicht wird auch die Systematik für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder nach einem Unfall, bei gleichzeitiger Verankerung einzelner Verbesserungen. So ist das Gehalt bzw. der Lohn künftig bereits nach einem Dienstjahr – statt wie derzeit erst nach fünf – acht Wochen lang weiterzuzahlen.
- An der Grundstufe der Entgeltfortzahlung (sechs Wochen) und den weiteren Steigerungsstufen (zehn Wochen nach fünfzehn Dienstjahren, zwölf Wochen nach fünfundzwanzig Dienstjahren) ändert sich hingegen nichts.
- Bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres ist eine Zusammenrechnung der Anspruchszeiten vorgesehen, außer es handelt sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit. Günstigere Regelungen in Kollektivverträgen sollen beibehalten werden.
- Nicht mehr möglich sein wird es, den grundsätzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei unverschuldeten kurzzeitigen Dienstverhinderungen aufgrund wichtiger persönlicher Gründe kollektivvertraglich einzuschränken. Bei Arbeitern ist das bisher zulässig.
- Lehrlinge werden künftig im Krankheitsfall acht – statt bisher vier – Wochen lang die volle Lehrlingsentschädigung und weitere vier Wochen (statt zwei) ein Teilentgelt erhalten.
Die Fristen
In Kraft treten werden die Änderungen im Entgeltfortzahlungsrecht mit 1. Juli 2018, der verbesserte Kündigungsschutz für ArbeiterInnen wird ab 2021 gelten.
Zur Umsetzung der Gleichstellung müssen nicht nur das Angestelltengesetz, das ABGB und das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert werden, sondern auch das Gutangestelltengesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz und das Landarbeitsgesetz.
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