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Recht, Tipps

VfGH erlaubt Ehe und Verpartnerung für alle

©ejn

Wien. Der VfGH hebt die Trennung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare auf: Allen steht ab 2019 sowohl Heirat wie eingetragene Partnerschaft offen. Die Streichung von zwei Wörtern im Gesetz genügt.

Die derzeit vom Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft verletzt das Diskriminierungsverbot, so die Entscheidung des Höchstgerichts (5.12.2017G 258/2017 ua).

Die neue Ehe für alle

Auch gleichgeschlechtliche Paare werden damit in Österreich künftig heiraten können. Der Verfassungsgerichtshof hat jene gesetzlichen Regelungen aufgehoben, die diesen Paaren den Zugang zur Ehe bisher verwehren. Dabei kommt das Höchstgericht mit minimalen Änderunge am Gesetzestext aus:

Die Wortfolge „verschiedenen Geschlechtes“ in § 44 des Allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811, und im Bundesgesetz
über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz –
EPG), BGBl. I Nr. 135/2009 idF BGBl. I Nr. 25/2015, die Wortfolgen „gleichgeschlechtlicher Paare“ in § 1, „gleichen Geschlechts“ in § 2 sowie die Ziffer 1 des § 5 Abs. 1 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Gerichtshof begründet diesen Schritt mit dem Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft.

Die Entscheidung ist keine Einbahnstraße: Gleichzeitig steht ab 2019 die eingetragene Partnerschaft auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen – es kommt also nicht nur die Homosexuellen-Ehe, sondern auch die eingetragene Partnerschaft für Heterosexuelle.

Die Vorgeschichte

Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmungen über Ehe und eingetragene Partnerschaft von Amts wegen einer Prüfung unterzogen. Anlass des Verfahrens war die Beschwerde von zwei Frauen, die in eingetragener Partnerschaft leben und die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt haben. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien abgelehnt.

Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) wurde 2009 beschlossen und trat 2010 in Kraft. Der Gesetzgeber verfolgte damals das Ziel, die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare abzubauen, blieb aber vor dem Hintergrund eines „bestimmten traditionellen Verständnisses“ bei zwei verschiedenen Rechtsinstituten, eben der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft.

Seither ist die eingetragene Partnerschaft der Ehe immer weiter angenähert worden, sodass die beiden Rechtsinstitute einander heute sowohl von der Ausgestaltung als auch von den Rechtsfolgen her trotz „vereinzelt bestehender Unterschiede“ weitgehend entsprechen, so der VfGH.

Die jüngere Rechtsentwicklung ermögliche insbesondere eine gemeinsame Elternschaft auch gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren und die zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung gleichberechtigt nutzen.

Einen Unterschied machen – ohne Unterschied?

Die Unterscheidung in Ehe und eingetragene Partnerschaft lässt sich heute aber nicht aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren. Denn die Trennung in zwei Rechtsinstitute bringt zum Ausdruck, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind, so der VfGH.

In dem Erkenntnis heißt es dazu wörtlich: „Die damit verursachte diskriminierende Wirkung zeigt sich darin, dass durch die unterschiedliche Bezeichnung des Familienstandes (‚verheiratet‘ versus ‚in eingetragener Partnerschaft lebend‘) Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft auch in Zusammenhängen, in denen die sexuelle Orientierung keinerlei Rolle spielt und spielen darf, diese offen legen müssen und, insbesondere auch vor dem historischen Hintergrund, Gefahr laufen, diskriminiert zu werden.“

Der Gerichtshof kommt daher zu folgendem Schluss: „Die gesetzliche Trennung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in zwei unterschiedliche Rechtsinstitute verstößt damit gegen das Verbot des Gleichheitsgrundsatzes, Menschen auf Grund personaler Merkmale wie hier der sexuellen Orientierung zu diskriminieren.“

Was konkret aufgehoben wird

Die Aufhebung umfasst die Wortfolge „verschiedenen Geschlechtes“ in den Regelungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zur Ehe sowie jene Bestimmungen im EPG, welche die eingetragene Partnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare beschränken. Damit stehen nach der Aufhebung die Ehe und die eingetragene Partnerschaft sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen.

Das FAQ des VfGH

Das Höchstgericht hat zur Orientierung der Bürgerinnen und Bürger einen Fragenkatalog (FAQ) zur künftigen gleichgeschlechtlichen Ehe veröffentlicht, hier im Wortlaut:

  • Wann kann die erste gleichgeschlechtliche Ehe geschlossen werden? Die bisherigen Bestimmungen (Ehe für verschiedengeschlechtliche Paare, eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare) bleiben gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch bis 31. Dezember 2018 in Kraft, wenn der Gesetzgeber (das Parlament also) sie nicht schon vorher aufhebt oder ändert. Gleichgeschlechtliche Paare können daher spätestens nach dem 31. Dezember 2018 heiraten.
  • Anders ist die Situation für jene Paare, die beim Verfassungsgerichtshof bereits vor dem aufhebenden Erkenntnis eine entsprechende Beschwerde eingebracht haben. Für sie gilt die Aufhebung ab der Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Sie können daher auch vor dem 31.12.2018 eine Ehe eingehen, wenn nicht andere Hindernisse dagegen sprechen. Neben dem Anlassfall, auf Grund dessen der Verfassungsgerichtshof das Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet hat, sind noch vier weitere Fälle anhängig.
  • Warum hat der VfGH das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz nicht zur Gänze aufgehoben? Um eine verfassungsmäßige Rechtslage herzustellen reichte es aus, jene Bestimmungen aufzuheben, welche die Zugangsvoraussetzungen für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare regeln. Das EPG sollte als Rechtsrahmen für bestehende Partnerschaften aufrecht bleiben. Der Status von Paaren, die bereits in einer eingetragenen Partnerschaft leben, bleibt unverändert, mit allen Rechten und Pflichten.
  • Müssen eingetragene Partner jetzt auch noch zusätzlich heiraten? Ja, wenn sie künftig als verheiratet gelten wollen. Nein, wenn sie mit ihrem bisherigen Status als eingetragene Partner zufrieden sind.
  • Haben gleichgeschlechtliche Paare jetzt die Wahlmöglichkeit zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft? Auf Grund der Rechtslage nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes haben sie spätestens nach dem 31. Dezember 2018 eine Wahlmöglichkeit. Der Gesetzgeber könnte aber eine Neuregelung beschließen, die eine andere Rechtslage bringt.
  • Können sich jetzt auch verschiedengeschlechtliche Paare verpartnern? Auf Grund der Rechtslage nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist das spätestens nach dem 31. Dezember 2018 möglich. Verschiedengeschlechtliche Paare haben dann so wie gleichgeschlechtliche Paare eine Wahlmöglichkeit. Der Gesetzgeber könnte aber eine Neuregelung beschließen, die eine andere Rechtslage bringt.
  • Was müssen Menschen, die in eingetragener Partnerschaft leben, tun, damit sie heiraten können? Sofern es sich nicht um die beim VfGH bereits anhängigen Anlassfälle handelt, müssen sie das Ende der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist (31. Dezember 2018) bzw. das frühere Inkrafttreten einer allfälligen Neuregelung durch den Gesetzgeber abwarten. Sobald ihnen die Ehe offensteht, müssen sie sich wie verschiedengeschlechtliche Paare auch bei ihrem zuständigen Standesamt zur Eheschließung anmelden.
  • Ist eine bestehende eingetragene Partnerschaft ein Ehehindernis? Wer in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, darf eine Ehe erst eingehen, wenn die eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist (§ 9 Ehegesetz). Ob diese Regelung auch für Paare gilt, die bereits in eingetragener Partnerschaft leben und zusätzlich heiraten wollen, entscheiden die zuständigen Behörden und Gerichte.

Wie geht es wirklich weiter?

Die Entscheidung des VfGH hat politisch bereits für großes Aufsehen gesorgt. Die vom Höchstgericht gesetzte Frist von einem Jahr ist theoretisch lange genug, dass Österreichs nächste Regierung eine neue Regelung beschließen könnte, die vom VfGH-Erkenntnis abweicht.

Dazu wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erforderlich, über die die bevorstehende ÖVP-FPÖ-Koalition – Gegner der Ehe für Homosexuelle – allein nicht verfügt. Die Oppositionsparteien SPÖ, Neos, Liste Pilz und Grüne haben dagegen die Entscheidung des VfGH bereits begrüßt.

Link: VfGH

 

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