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Business, Recht, Steuer, Tech, Veranstaltung

LexisNexis-Chef Alberto Sanz: Was Legal Tech bringt

Alberto Sanz de Lama ©leadersnet.at / S.Menegaldo

Wien. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz als „Game Changer“ der Rechtsberufe: LexisNexis-CEO Alberto Sanz de Lama sieht große Umwälzungen – „Wir machen jetzt schon 80 Prozent Digital-Umsatz.“

Bei der Future Law-Veranstaltung „Ist Legal Tech ein Gamechanger für die Rechtsbranche“ Ende November 2017 ging es um den bereits bestehenden und immer mehr wachsenden Einfluss von Legal Tech auf staatliche Institutionen, Kanzleien, die öffentliche Hand und Rechtsabteilungen.

Das Thema hat viele Facetten: In den Mittelpunkt stellten die Veranstalter – unterstützt von Branchen-Schwergewichten wie LexisNexis, Manz und Schönherr – Künstliche Intelligenz (Maschinenlernen), die Industrialisierung der Rechtsbranche, Public Legal Tech und die Blockchain-Technologie als neue Form fälschungssicherer Transaktionen.

Verlage als digitale Lieferanten

Präsent waren zahlreiche Vertreter der Rechtsbranche, Unternehmensjuristen, Anwälte, aber auch die großen Informationslieferanten: Die Fachverlage haben sich längst zu digitalen Informationsanbietern entwickelt.

So basiert etwa das neue Rechtsrecherche-Tool Lexis 360 seit heuer bereits auf Machine Learning, sagt Alberto Sanz de Lama, Geschäftsführer von LexisNexis Österreich, im Gespräch mit Extrajournal.Net. Er sieht einerseits die großen, augenfälligen Veränderungen, und andererseits solche, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind – und doch große Auswirkungen haben werden.

Nicht alles ist sichtbar…

Ein Beispiel für die deutlich sichtbaren Veränderungen ist es, wenn Legal Tech direkt im Arbeitsalltag mitwirkt, um etwa Schriftsätze auszufüllen. Bei LexisNexis dagegen findet die Komplexität im Hintergrund statt: Der Anwender merkt davon nichts, es werden lediglich – wie im Beispiel Lexis 360 – die Suchergebnisse immer relevanter.

Ein weithin bekanntes Beispiel für eine solche Strategie ist etwa auch Suchmaschinenriese Google, dessen Hauptprodukt, das Suchfeld, sich über die Jahre kaum verändert zu haben scheint. Doch die dahinterstehende Technologie hat sich gewaltig weiterentwickelt.

„LexisNexis investiert, um eine leistungsfähigere Technologie und dabei gleichzeitig eine einfachere Nutzererfahrung zu ermöglichen“, sagt Sanz de Lama. Er sieht eine weite Landschaft an technischen Möglichkeiten: „Natürlich könnten wir beim Ausfüllen von standardisierten Schriftstücken helfen, wir könnten einem Anwalt aber auch sagen: Bei diesem oder jenem Dokument in deinem Vertragsbestand steht gerade eine wichtige Änderung der Gesetzeslage bevor – schau dir das an, ob du da etwas ändern musst. Das können wir, weil wir eine große menschliche Redaktion haben, die Änderungen bewertet. Wir wollen unsere Kunden nämlich nicht über jede Änderung informieren, sondern über wichtige.“

Es geht um die wichtigen Dinge

Dazu analysiere die neue Technologie mithilfe vorausdenkender Suchalgorithmen und 30 Millionen intelligenter Verknüpfungen laufend die Datenbankinhalte, um ähnliche oder thematisch weiterführende Dokumente zu finden und zu verknüpfen. So ergänze „Lexis SmartSearch“ Verbindungen, die von menschlichen Autoren noch nicht gemacht wurden.

Bei einer Suchanfrage leiten die Algorithmen die passendsten Dokumente her und empfehlen weiterführende Informationen – auch solche, die den Suchbegriff zwar nicht enthalten, aber inhaltlich passende Informationen enthalten. Der Rechercheassistent erkenne also den Kontext und liefere intelligente Antworten.

Allerdings geht es auch bei dem Produkt nicht bloß um maschinelle Informationen: Die technologische Innovation kombiniere man bei Lexis 360 mit einer neuen Form der Rechtsliteratur: Von Experten verfasste kompakte „Lexis Briefings“, die Stunden an Recherche und Analyse bei der Einarbeitung in neue Fragestellungen und Rechtsbereiche ersparen sollen.

Platz für neue Ideen

Zur großen Legaltech-Landschaft gehören derzeit auch zahlreiche Start-ups: Auch in Österreich bietet sich eine vielfältige Landschaft, von der bei der Future Law-Veranstaltung einiges zu sehen war.

Das Problem ist freilich, dass Österreich mit seinen 6000 Anwälten ein wesentlich kleinerer Markt ist als beispielsweise Deutschland mit seinen 160.000 Berufspraktikern. Wenn in den USA oder auch noch in Deutschland ein Marktanteil von 3 oder 5 Prozent bequem ausreicht, damit ein Start-up sich etablieren kann, dann sind in Österreich praktisch vom Start weg wesentlich größere Marktanteile erforderlich, das diktiert einfach die Mathematik.

Doch auch hierzulande verfolgt LexisNexis interessiert die Entwicklungen bei den Start-ups: Immerhin macht das Unternehmen, dass zu RELX (ehemals Reed-Elsevier) gehört, selbst konzernweit bereits 80 Prozent seines Umsatzes mit digitalen Informationsdienstleistungen. „Wir haben den Zugang und die Einsicht in viele Märkte“, sagt Alberto Sanz de Lama: „Dabei liegt unser Hauptinteresse natürlich an Entwicklungen, die man auf vielen verschiedenen Märkten einsetzen kann.“

Die Veränderungen sind schon sichtbar

Viele österreichische Start-ups sind von ihrer Tätigkeit her stark auf die Jurisdiktion Österreich festgelegt. Doch auch hierzulande zeigen sich schon jetzt zahlreiche Anzeichen der Digitalisierung. Unternehmensjuristen großer Konzerne mit HQ in Österreich schildern einen Berufsalltag, in dem der Umgang mit Rechtsinstrumenten immer digitalisierter und auch immer mehr einem Modulkonzept folgend ausgestaltet wird.

So setzen Mitarbeiter bei Verhandlungen mit anderen Unternehmen ihre Unterschrift vielleicht auf ein standardisiertes Non-Disclosure-Agreement (NDA), das zwar an die Situation angepasst wird, von der Rechtsabteilung aber in dieser Ausformung nie gelesen wurde.

Und internationale Vertragsverhandlungen finden über eine Share-Plattform statt, wo der aktuelle Vertragstext mit allen Änderungen jederzeit einsehbar ist und eine Chatfunktion dafür sorgt, dass Unklarheiten direkt mit dem Gegenüber besprochen werden können.

Wird Ihr Job wegrationalisiert?

Solche standardisierten Abläufe sind eine wichtige Vorstufe zum möglichen nächsten Schritt, nämlich ihrer Automatisierung: Tatsächlich gibt es Schätzungen, dass bis zu 80 Prozent der Tätigkeit von Juristen – vor allem Rechtsanwaltsanwärtern – automatisierbar und damit irgendwann durch die AI ersetzbar sind. Doch die Legal Tech-Profis selbst schließen sich diesen Thesen durchaus nicht einhellig an – sie sehen die Sache differenzierter.

„Wird Ihr Job in einigen Jahren wegrationalisiert sein?“ fragte etwa Jakob Reiter, CEO von theventury.com, das Fachpublikum bei der Veranstaltung. Und beantwortet die Frage gleich selbst: „Eher… nein. Vorsichtig gesagt.“ Wird der Berufsalltag aber künftig immer noch so aussehen wie jetzt? Wohl nicht, das stellt der im noblen Park Hyatt Hotel stilecht in Hemd und Jeans referierende Legal Tech-Gründer und Start-up-Investor auch klar.

Techniken wie Mustererkennung und Wahrscheinlichkeitsanalyse sind dabei, den Juristen eine Reihe mächtiger neuer Werkzeuge an die Hand zu geben, die beispielsweise aus einem Konvolut von Informationen eine intelligent sortierbare Datenbank machen.

Es kann aussehen wie Google mit Turbo

  • Optisch – also vom User Interface her – könnte das ganz vertraute Züge annehmen, etwa an eine Auflistung von Google-Suchresultaten erinnern („Welche Akten im Konzern haben mit Geschäftsfall XY oder den handelnden Personen zu tun?“).
  • Oder auch wie die Ergebnisse einer Rechtschreibprüfung anmuten: Antworten auf die Frage „Welche Vertragsformulierungen wurden durch die letzten Gesetzesänderungen tangiert?“ sind dann unterstrichen, der Link führt gleich zu den Details.

Manche Dinge sind bereits sehr konkret – Anwendungsbeispiele wie Ross Intelligence (ein digitaler Assistent für Anwälte) gibt es schon. Bei „Case Crunch“ sagt die AI die Ergebnisse von Prozessen voraus, und bei PartnerVine werden Dokumentvorlagen gelefert, gestartet auf PwC-Initiative.

Neue Werkzeuge, neue Jobs

Chatbots, die die Kommunikation mit Kunden abwickeln helfen, sind oft „die Einstiegsdroge“ für Künstliche Intelligenz im Alltagseinsatz, schildert Reiter. Andere müssen erst entwickelt werden – und die neue Technik braucht Manpower. Zuallererst ist sie nicht exakt, was auch für Informatiker ein Umdenken erforderlich macht.

Erich Schweighofer, Alric Ofenheimer, Lukas Haider, Jakob Reiter, Alberto Sanz ©leadersnet.at / S.Menegaldo

Ein Beispiel: Die Suche nach den relevanten Akten zum Geschäftsfall kann 98 oder 99 Prozent der Papiere auf den Bildschirm bringen – aber vielleicht nie 100%. Denn ob ein bestimmtes Aktenstück ausgewählt wird oder nicht bestimmt ein auf Wahrscheinlichkeiten basierender Algorithmus. Und letztendlich hängt es von den Umständen ab, was eigentlich „relevant“ ist.

Zweitens muss Künstliche Intelligenz trainiert werden, wenn sie auf Maschinenlernen basiert: Sie lernt durch Mustererkennung, und das bedeutet: Je mehr Input und je mehr Feedback, desto effektiver. Nicht umsonst sind die großen IT-Riesen wie Google, Microsoft oder Facebook bereits mit viel Energie in das Rennen eingestiegen: Sie verfügen nicht nur über viel Geld, sondern vor allem auch über gigantische (Nutzer-)Datenmengen.

Ohne Anlernen liegt die Erfolgsrate von Mustererkennung & Co bei den derzeit auf den Markt drängenden Instrumenten nicht bei 99% sondern vielleicht nur bei 25-30%, so die Profis. Die Konsequenz daraus?

„Es wird vielleicht in Zukunft manche Arbeitsplätze nicht mehr geben“, sagt Legal Tech-Entrepeneur Reiter, „aber dafür wird es neue geben. Zum Beispiel Spezialisten, die die Künstliche Intelligenz beim Kunden darauf anlernen, die richigen Ergebnisse zu liefern.“ Der Name für die neue Berufsgruppe ist anschaulich: „Bot-Trainer“, so Reiter.

Link: LexisNexis

Link: Theventury.com

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