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Business, Recht, Tipps

Gastbeitrag: Teilzeit, aber richtig!

Peter Rieder ©Arbeitswelten

Teilzeitarbeit boomt. Fast 50% der unselbständig erwerbstätigen Frauen und bereits über 10% der Männer in Österreich arbeiten in Teilzeit. Neben der Elternteilzeit gibt es noch viele weitere Modelle, etwa Teilzeit für Bildung oder Pflege Die Experten und Buchautoren Peter Rieder, Anna Mertinz und Elisabeth Wenzl helfen mit ihrem Gastbeitrag bei der Orientierung.

Der Boom der Teilzeit hat vielfältige Gründe. Einen großen Anteil der Teilzeitbeschäftigten stellen die Beschäftigten in Elternteilzeit dar. Aber auch abseits familiärer Hintergründe wünschen sich immer mehr Arbeitnehmer Teilzeitarbeit, beispielsweise um Hobbies, freiwilligen Tätigkeiten oder einer Weiterbildung nachzugehen.

Anna Mertinz ©KWR

Auch andere Vorstellungen der Arbeitswelt bei jungen Menschen spielen vielfach eine Rolle. Junge Väter wollen mehr Verantwortung in der Familie übernehmen, Beschäftigte sind weniger bereit, für einen Beruf permanent verfügbar zu sein. Die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten steigt seit Jahren kontinuierlich. Und das, obwohl in viele Betrieben Teilzeitarbeit immer noch skeptisch gesehen wird.

Diese Skepsis ist zum Teil verständlich, zum Teil aber unberechtigt, denn es gibt nicht nur viele Möglichkeiten und gesetzliche Modelle, sondern auch zahlreiche Vorteile von Teilzeitarbeit.

Elisabeth Wenzl ©Familieundberuf.at

Einige Unternehmen gestalten deshalb aktiv die Teilzeitmodelle ihrer Beschäftigten. Die Generali bietet beispielsweise ihren Mitarbeitern familienorientierte Arbeitszeitgestaltung durch individuell abgestimmte Arbeitszeitmodelle und hat eine sehr flexible Gleitzeitvereinbarung mit gleitender Blockarbeitszeit und Übertragungsmöglichkeit von Arbeitszeitkonten.

Es bestehen die verschiedensten Teilzeitmodelle mit allen Varianten an Wochenarbeitszeit und -lage jeweils in Abstimmung zwischen betrieblichen Anforderungen und persönlichen Bedürfnissen.

Land der Überstunden und der Teilzeitarbeit

Was sich auf den ersten Blick paradox anhört, ist in Österreich Realität. In der Eurostat Statistik aus dem Jahr 2015 landet Österreich in Sachen Wochenarbeitsstunden auf dem zweiten Platz mit durchschnittlichen 43 Wochenarbeitsstunden bei Vollzeitbeschäftigten. Vor uns liegt derzeit nur noch Griechenland, das seit seiner Krise die Liste anführt. Überstunden sind also in Österreich, wie es scheint, Teil der Kultur.

Zählt man die Teilzeitbeschäftigten in der Statistik dazu, dann landet Österreich aber nur mehr auf Platz 25. Lediglich die Niederlande haben eine – mit Abstand – höhere Teilzeitquote als Österreich.

Dahinter steckt unter anderem eine noch immer sehr traditionelle Aufteilung der Familienaufgaben. Das Modell, in dem „er“ voll arbeitet und „sie“ zu Hause bleibt oder in Teilzeit „ein wenig dazuverdient“, ist in Österreich nach wie vor präsenter als in anderen Ländern.

Teilzeitarbeitet bietet viele Vorteile

Eine 2017 veröffentlichte breite Untersuchung der FH Wien der WKW hat ergeben, dass in der Wahrnehmung von Führungskräften die Teilzeitbeschäftigten als teils deutlich effizienter gesehen werden als ihre Vollzeitkollegen. Negativer werden im Vergleich zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten nur die Faktoren „Verfügbarkeit“ und „Bereitschaft zu Überstunden“ bewertet (s. https://www.hrweb.at/2017/03/teilzeitjob-teilzeitbeschaeftigung-studie/)

Ein viel geschätzter Vorteil von Teilzeit liegt aber gerade in der höheren Flexibilität, die sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern entgegenkommen kann. So können beispielsweise im Falle notwendiger Mehrleistung leichter zeitliche Puffer aktiviert werden (ohne dass gleich teure Überstunden anfallen). Viele Teilzeitbeschäftigte nennen auch die Möglichkeit der flexiblen Lage ihre Wochenarbeitsstunden als „Plus“.

Rechtliche Aspekte von Teilzeit

Um Teilzeitmodelle für alle Beteiligten vorteilhaft einsetzen zu können, sind Kenntnis, Umsetzung und Einhaltung der rechtlichen Rahmbedingungen essentiell.

Rechtlich gesehen wird unter Teilzeit jede Form der Beschäftigung unter der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit verstanden.

  • Für Teilzeitbeschäftigte gilt grundsätzlich das gesamte Arbeitsrecht wie für Vollzeitbeschäftigte.
  • Eine unsachliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten ist unzulässig (Benachteiligungsverbot).
  • Teilzeitbeschäftigte sind trotz reduzierter Arbeitszeit „vollwertige“ Mitarbeiter.

Bei Beschäftigungsausmaßen von 30-40 Stunden wird in der Praxis zuweilen von „vollzeitnaher Teilzeit“ gesprochen. Auch geringfügig Beschäftigte mit einem nur geringen Wochenstundenausmaß sind im rechtlichen Sinn Teilzeitbeschäftigte. Die Arbeitsgesetze und Kollektivverträge gelten mit einigen Ausnahmen für sie ebenso.

Teilzeitarbeitet hat viele Gesichter

Teilzeit wird oft auf Elternteilzeit reduziert. Teilzeit hat jedoch viele Gesichter – Bildungsteilzeit, Pflegeteilzeit oder Altersteilzeit, um nur einige Beispiele zu nennen.

Alle diese Modelle ermöglichen eine Reduktion der Arbeitszeit und Lohnkosten bei gleichzeitigem teilweisen Lohnausgleich für den Beschäftigten. Bevor Sie gleich über einige besondere, gesetzlich geregelte Formen von Teilzeit lesen: Arbeitnehmer und Arbeitgeber können einvernehmlich, freilich unter Beachtung des gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen, immer Teilzeit und auch einen Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit vereinbaren.

Wird das Ausmaß der Arbeitszeit während des laufenden Arbeitsverhältnisses geändert, muss dies jedenfalls schriftlich vereinbart werden.

Teilzeit für Bildung

Die Bildungsteilzeit ermöglicht die Herabsetzung der Arbeitszeit um 25-50% für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren. Voraussetzung für die geförderte Bildungsteilzeit ist unter anderem, dass das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Die wöchentliche Normalarbeitszeit muss während der Bildungsteilzeit mindestens 10 Stunden betragen.

Für den Teil des Gehalts, der wegfällt, wird unter gewissen Voraussetzungen „Weiterbildungsgeld“ gewährt. Arbeitnehmer haben auf Bildungsteilzeit keinen gesetzlichen Anspruch. Vielmehr muss Bildungsteilzeit auf freiwilliger Basis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter schriftlich vereinbart werden.

Teilzeit für Pflege

Seit 2014 gibt es die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung für die Erfüllung von Pflegeaufgaben. Für die geförderte Pflegeteilzeit ist Voraussetzung, dass ein naher Angehöriger mit Pflegegeldstufe 3 oder höher gepflegt wird.

Pflegeteilzeit wird für maximal 3 Monate durch das „Pflegeteilzeitgeld“ gefördert. Bislang wird das Modell der Pflegeteilzeit noch wenig genutzt. 2016 gab es in Österreich noch weniger als 100 Inanspruchnahmen.

Familienhospizteilzeit

Eine weitere, allerdings wenig bekannte gesetzliche Möglichkeit ist die der Familienhospizteilzeit. Diese wurde geschaffen, um Beschäftigten, die sterbenden nahe Angehörige oder schwer kranke Kinder begleiten, eine kurzfristige Erleichterung zu verschaffen.

Anders als bei Bildungsteilzeit und Pflegeteilzeit besteht hier ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers. Die Dauer ist mit 3 Monaten bei sterbenden Angehörigen bzw. 5 Monaten bei schwer kranken Kindern begrenzt (Option der Verlängerung auf 6 bzw. 9 Monate im Bedarfsfall).

Elternteilzeit

Die wohl bekannteste und beliebteste Form der Teilzeit ist immer noch die Elternteilzeit. Bereits seit mehr als 13 Jahren gibt es in Österreich die Elternteilzeit. Diese ermöglicht Jungeltern die Reduktion und/oder Veränderung der Lage der Arbeitszeit, um arbeitenden Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung zu erleichtern.

Anspruch auf Elternteilzeit bis zum 7. Geburtstag des Kindes besteht nur unter gewissen Voraussetzungen. Ansonsten ist Elternteilzeit bis zum 4. Geburtstag des Kindes zu vereinbaren.

Seit 2016 beträgt die Mindestwochenstundenanzahl für Elternteilzeit 12 Stunden. Zudem muss die zuvor vereinbarte Normalarbeitszeit um mindestens 20% reduziert werden. Arbeitnehmer in Elternteilzeit genießen zudem einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz.

Zweck und Ziel der Elternteilzeit ist eine möglichst gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die aber auch die Interessen des Arbeitgebers mitberücksichtigt.

Teilzeit – ein ungebrochener Trend

Seit Jahren zeigt sich ein eindeutiger Trend in Richtung Teilzeitarbeit. Die Gründe sind mannigfaltig. Arbeitgeber müssen und sollten sich mit den Möglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen von Teilzeit auseinandersetzen. Flexibilität ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein wesentliches „Asset“, das Teilzeitarbeit besonders wertvoll werden lässt.

Die Autorinnen und Autoren

  • Mag. (FH) Peter Rieder ist Unternehmensberater und Auditor für das Audit berufundfamilie des BMFJ. In dieser Funktion berät er Unternehmen zum Thema Familienfreundlichkeit im Betrieb.
  • Dr. Anna Mertinz ist Rechtsanwältin mit Spezialisierung im Arbeitsrecht und leitet den Bereich Employment Law bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte.
  • Mag. Elisabeth Wenzl ist Geschäftsführerin der Familie & Beruf Management GmbH, welche als nationale Koordinierungsstelle für Vereinbarkeitsmaßnahmen Audit-Angebote für Unternehmen, Gemeinden, Hochschulen und Universitäten sowie Gesundheits- und Pflegeinstitutionen anbietet.

Buchtipp:

©Manz

Das Manz-Buch „Familienfreundlichkeit im Betrieb“ (Rieder / Mertinz/Wenzl) soll Unternehmen fit für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie machen.

Geschildert werden Möglichkeiten und Handlungsfelder die es gibt, um ein Unternehmen familienfreundlich zu gestalten. Neben Beschreibungen und Best Practices enthält es auch rechtliche Tipps und Muster für die Umsetzung.

Link: Audit berufundfamilie

Link: KWR

Link: Manz

Link: Familie & Beruf

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