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PwC Österreich startet die Legal Tech-Offensive

Christian Oehner ©Renée Del Missier / PWC

Wien. Beratungsriese PwC startet mehrere neue Legal-Tech-Angebote in Österreich: Das Dokumentenportal „PartnerVine“ und das Beratungstool „Luminance“ sollen einen Vorsprung im Rennen um die beste Anwalts-AI bringen, so Partner Christian Oehner.

Der erwartete Vormarsch einer neuen Generation von mit Künstlicher Intelligenz (AI) ausgestatteter Anwendungen ist in der Rechtsbranche in aller Munde. Der Big Four-Beratungsmulti PwC will nun Fakten schaffen: Eine Reihe neuer Angebote soll ihm frühzeitig eine starke Stellung bringen.

Dabei ist der Grundgedanke einfach, sagt Christian Oehner, Partner und Head of Legal bei PwC Legal Österreich, im Interview mit Extrajournal.Net: Intelligente Software soll den Juristen Routinetätigkeiten abnehmen und Kosten sparen. „Mich als Anwalt interessiert schließlich die rechtliche Analyse, die Vertragsverhandlungen usw. – aber nicht Routinearbeiten“, so Oehner.

Was in den nächsten Wochen kommt

Das Online-Dokumentenportal PartnerVine.com geht dabei als erstes an den Start. Bis jetzt erst in der Schweiz in Betrieb, soll Österreich in den nächsten Wochen als zweites Land dazukommen – was mit Aufwand verbunden ist, denn der angebotene Inhalt muss natürlich immer an die betreffende Jurisdiktion angepasst bzw. komplett neu erstellt werden.

PartnerVine stellt Rechtsdokumente zu typischen Geschäftsfällen zur Verfügung, und zwar angepasst an den Kunden – der dazu durch eine interaktive Abfrage geführt wird.

Zielgruppe sind die Anwender: Unternehmenskunden, Wirtschaftsjuristen usw. Doch auch für Wirtschaftsanwälte will man interessant sein und letztere auch als Fachautoren an Bord holen – dazu später mehr.

Die AI passt die Dokumente an

Im B2C-Bereich hat es sich vor allem in den USA schon lange etabliert, Dokumentationen zu häufigen Rechtsfällen zu kaufen, schildert Oehner die Idee hinter PartnerVine: Ein Beispiel für die Dokumente, die die recht große Branche in den USA anbietet ist etwa der transfer deed für einen Hauskauf. „Dagegen hat es das im B2B-Bereich bisher kaum gegeben. Auch hier gibt es aber eine Reihe von Standarddokumenten“, schildert Oehner.

Es war die Idee der Gründer des Start-ups Partnervine – das von PwC unterstützt, aber nicht betrieben wird – solche Dokumente zur Verfügung zu stellen. Dabei wird der Inhalt durch einen mehrstufigen Abfragevorgang an die Kundenbedürfnisse angepasst.

Beispiele für solche Dokumente sind auf Transaktionsseite etwa eine Vertraulichkeitsvereinbarung (Non-Disclosure Agreement, NDA), oder im Bereich Compliance die Berufung von Geschäftsführern, die Einreichung von Jahresabschlüssen, die Änderung des Firmennamens usw.

Anwalt wird leistbarer, nicht überflüssig

„Natürlich soll PartnerVine nicht die Beratung durch den Anwalt ersetzen, wenn es dann komplexer wird braucht man den sowieso“, sagt Oehner. Doch bei Standardvorgängen könnten neue Lösungen wie PartnerVine sowohl die Wirtschaftsanwälte wie ihre Kunden, die Unternehmen (bzw. deren Juristen) von Routinetätigkeiten entlasten – und dabei Kosten sparen helfen. „Solche Routine-Elemente sind derzeit ein großer Teil des Geschäfts der Anwälte, sind aber aus der Sicht von PartnerVine teilweise automatisierbar. Ich sehe es als ein Angebot an die Rechtsabteilungen der Unternehmen, den Anwalt einfach später zu brauchen“, meint Oehner.

Derzeit ist PartnerVine nur in der Schweiz tätig, woher auch die Gründer des Start-ups kommen. In einigen Wochen will Oehner aber bereits mit einem Angebot für Österreich starten. Weitere Länder sollen dazukommen – PwC als global tätiger Partner sei natürlich gut geeignet um die entsprechende Expansion zu unterstützen. Die Zukunftsvision lautet so: Wer z.B. eine Vertraulichkeitsvereinbarung braucht, der muss auf PartnerVine dann nur noch die gewünschte Jurisdiktion auswählen.

Besser als die eigene Muster-Sammlung?

Abgesehen von der Kostenseite verspricht sich Oehner vom PartnerVine-Angebot noch weitere Vorteile: „In der Praxis wird ja auch jetzt schon in den Rechtsabteilungen der Unternehmen ein Muster herausgefischt – aus einer alten E-Mail vielleicht, oder bestenfalls aus einer persönlichen Muster-Datenbank.“ Der Nachteil bei der bisherigen Vorgangsweise sei: „Keine Qualitätskontrolle, und die Besonderheiten des alten Geschäftsvorfalles werden in den neuen Fall importiert.“

Dagegen werde die PartnerVine-Version laufend aktualisiert und biete Wahlmöglichkeiten wie beispielsweise Vertraulichkeitserklärungen mit und ohne Vertragsstrafen, mit / ohne Schiedsgerichtsvereinbarung usw. Oehner: „Der User geht dabei durch einen geführten Fragebogen. Das ergibt eine viel bessere Ausgangslage.“

Das Gegenargument der Kritiker gegenüber PartnerVine wie wie auch vielen anderen neuen Legal Tech-Tools ist vorhersehbar: Die spezfischen Umstände des Kunden – schließlich ist jeder ist ein Einzelfall – werden nicht alle berücksichtigt.

„Dieses Argument ist richtig, geht allerdings ein wenig an der Situation vorbei“, meint Oehner. Bei der bisher geübten Vorgangsweise, auf alte Muster im eigenen Bestand zurückzugreifen, werde ja ebenfalls nicht auf die Besonderheiten der Gegenwart Rücksicht genommen. Anpassungsbedarf könne in beiden Fällen bestehen – PartnerVine wolle die Rechtsabteilung bzw. den Anwalt nicht ersetzen, nur unterstützen.

Was kostet das Ganze?

Letztendlich gehe es um einen Mittelweg zwischen Perfektion und Wirtschaftlichkeit. Zum Anwalt gehen kann man immer noch – doch zunächst sei der neue Weg jedenfalls günstig, glaubt Oehner. Dass PwC den Legal Tech-Vorstoß ernst meint, zeigt ein Blick auf das Portal, wo sich bereits eine beträchtliche Zahl von Dokumenten nach Schweizerischem Recht angesammelt hat.

So kostet auf PartnerVine beispielsweise eine Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA) ab 99 Schweizer Franken (CHF), als rund 84 Euro. Komplexere Angebote wie das „Package Schwestern-Fusion“ (d.h. für einen Merger innerhalb einer Unternehmensgruppe) müssen bis zu 595 Franken oder mehr hingeblättert werden.

Dem stehen Preise von 200 bis 400 Euro pro Arbeitsstunde gegenüber, wenn ein Kunde ein solches Dokument bei einem Anwalt bestellt, meint Oehner – und natürlich fallen rasch einige Stunden an.

Was in Österreich kommt

Welche Dokumenten-Kategorien zum Österreich-Start angeboten werden sollen, darüber hat man sich schon im Detail den Kopf zerbrochen. Interessant seien beispielsweise Muster für Angebote, die auch hausintern bei PwC verwendet werden sollen, Mandatsvereinbarungen usw.

Womit PartnerVine in Österreich startet:

  • Arbeitsvertrag (ausführlich)
  • Arbeitsvertrag (kurz)
  • Lizenzvertrag
  • Unternehmenseinlage (Sacheinlage, Cash,…)
  • Kreditvertrag
  • Vertraulichkeitserklärung (NDA)
  • Anteilsabtretungsvertrag
  • Datenschutz-Toolbox (für DSGVO; teilweise automatisierte Dokumenterstellung, teilweise Workshop)

PartnerVine ist letzlich ein hochmodernes Musterbuch, sagt Oehner: „Der Markt wird entscheiden wie gut es sich weiterentwickeln wird. Wir glauben damit in die richtige Richtung zu gehen.“

Zu erwarten sei, dass die künftige Konkurrenz für Anwälte, Steuerberater usw. aus ganz neuen Richtungen kommen werde, von Start-ups usw. „Und da wollen wir schon jetzt selbst aktiv werden“, sagt Oehner. Dass die AI einmal die anwaltliche Arbeit selbst übernimmt, das sei wohl eher eine weit entfernte Zukunft – doch schon jetzt Realität ist, dass die Technologie immer mehr solche Routine-Elemente übernimmt, heißt es.

Übrigens ist PartnerVine als offene Plattform gedacht: So nimmt derzeit neben PwC Legal auch bereits eine Schweizer Anwaltskanzlei teil und veröffentlicht darauf Dokumente. Konkurrenz unter dem Dach von PartnerVine sei gewünscht, der User soll die Wahl haben und auch durch seine Bewertungen zeigen können, wie zufrieden er mit den gebotenen Dokumenten ist.

Und natürlich ist es denkbar, dass über PartnerVine auch Klienten für eine direkte Betreuung ins Haus kommen: Es sei zwar nicht unbedingt ein „Berater kontaktieren“-Button direkt beim Dokument angedacht, aber sehr wohl Autoreninformationen, der Hinweis auf vertiefte Recherche, Beratungsmöglichkeiten usw.

„Wir können damit vielleicht auch für uns neue Klienten erschließen“, sagt Oehner, schließlich will PwC Legal in Österreich wachsen: Da Beteiligungen aus fremden Branchen an Anwaltskanzleien bekanntlich hierzulande standesrechtlich verboten sind, ist PwC Legal als eigenständige Sozietät konstituiert, sehr wohl aber Teil des Netzwerkes von Big Four-Multi PwC.

Vor eineinhalb Jahren gegründet, möchte PwC Legal in Österreich die Beratungsleistungen nun noch deutlich ausbauen – möglichst eng verzahnt mit den Steuer- und Wirtschaftsprüfungsangeboten von PwC Österreich. „Der Kunde trennt nicht zwischen Rechts- und Steuerberatung, sondern will eine Lösung“, sagt Oehner.

Die weiteren Legal Tech-Produkte

Beim künftigen Wachstum soll Legal Tech helfen. Der Start von PartnerVine ist dabei die erste von mehreren Maßnahmen. Schon in einigen Wochen soll auch in Österreich „Luminance“ in Betrieb gehen, ein AI-Tool zum Einsatz bei Unternehmensübernahmen (konkret für die Due Diligence-Prüfung des Kaufobjekts), das international schon im Einsatz ist.

Öhner sieht auch bei bei M&A-Transaktionen immer mehr die Zeit standardisierter Verträge heraufdämmern, wie sie etwa in der Finanzgeschäft schon vielerorts üblich sind. Und keine Frage, dass ein solcher Trend zur Standardisierung auch den Legal Tech-Anbietern in die Karten spielt.

Link: PwC Legal Österreich

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