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Recht

Justiz warnt vor Sparprogramm der Regierung

Wien. Die Präsidenten aller vier österreichischen Oberlandesgerichte warnen vor dem drohenden Sparprogramm: Die Justiz werde gelähmt, auch andere Rechtsberufe seien durch Wegsparen des Gerichtsjahrs massiv betroffen.

Die Justiz spare seit Jahrzehnten massiv (wobei gleichzeitig die Gebühren steigen, Anm. d. Red.), nun sei die Grenze erreicht: Die österreichische Justiz gehöre zu den Spitzenreitern Europas bei Qualität, Sparsamkeit, Modernität und Automation.

Allein das digitale Grundbuch, der elektronische Rechtsverkehr und das Firmenbuch dienen in vielen Ländern als Vorbild, so die OLG-Präsidenten in einer gemeinsamen Pressekonferenz:

  • Manfred Scaria, Präsident des Oberlandesgerichts Graz
  • Klaus Schröder, Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck
  • Katharina Lehmayer, Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz
  • Gerhard Jelinek, Präsident des Oberlandesgerichts Wien

Im Jahr 2017 wurden 2,8 Millionen Rechtssachen erledigt. Der Europarat sehe die österreichische Justiz in seiner aktuellen Effizienz-Rangliste im Spitzenfeld. Der Anteil der Justiz am Gesamtbudget liege unter 2 Prozent.

Anders als in vielen anderen europäischen Staaten tragen die Gebühreneinnahmen diese Kosten praktisch zur Gänze, ohne den allgemeinen Steuertopf zu belasten, wie es heißt. Dennoch sei das das Personal der Gerichte und Staatsanwaltschaften seit Jahrzehnten laufend verringert worden – und zwar hauptsächlich im Kanzleibereich, der die Infrastruktur für die Kernaufgaben der Justiz sichern muss.

Nun werden die Sparvorgaben noch drastisch in die Höhe geschraubt. Im Kanzleibereich sollen im heurigen Jahr 82 Planstellen beseitigt werden, im Jahr 2019 sollen es weitere 94 sein. Auch 42 Richter- und Staatsanwaltsstellen sollen nicht nachbesetzt werden.

Gegen das Regierungsprogramm

Diese Kombination des Weg-Sparens mit der Spitzenstellung habe die Politik zum Trugschlussverleitet, die Personalkürzungen könnten unbegrenzt weitergetrieben werden. Nun soll jedoch eine Grenze überschritten werden – und das werde weitreichende negative Folgen haben, so die vier Präsidenten.

Sie verweisen auf die Herausforderungen durch Riesenverfahren im Strafrecht (wie Buwog und Hypo-Alpe-Adria), im Zivilrecht (Anlegerprozesse), personalintensive Reformen (z.B. durch das Erwachsenenschutz-Gesetz mit Kontrolle von 60.000 Sachwalterschaften) u.a.

Auch zunehmende Verflechtungen und Auslandsbezug (mit Übersetzungskosten, Rechtshilfeersuchen, Anwendung ausländischen Rechts und des Europarechts) aggressive Gefährdungen (Hasspostings, Cyberkriminalität, „Staatsverweigerer”; Dschihadisten) belasten die Justiz.

Gleichzeitig soll bei der Polizei massiv Personal aufgestockt werden, was einen „klar ableitbaren Arbeitsanstieg“ bei den Staatsanwaltschaften und den Strafgerichten bringen werde. In den letzten 10 Jahren sei außerdem bei den Zivilgerichten der Anteil der Verfahren, die bis zum Ende durchgestritten werden, um 50% gestiegen.

Eine ganze Generation wieder wegschicken?

In den letzten Jahren sei die Justiz zu einem wichtigen arbeitsmarktpolitischen Motor bei der Ausbildung von Lehrlingen und Verwaltungspraktikanten geworden. Die geplanten Kürzungen entziehen dieser Entwicklung vollständig den Boden. Tüchtige junge, von der Justiz fertig ausgebildete Menschen müssen von heute auf morgen weggeschickt werden, heißt es.

Auch die Digitalisierung der Aktenführung müsse wegen der Kürzung des dafür gewidmeten Budgets um ein Drittel auf halbem Weg abgebrochen werden. Die bisher investierten Mittel und die bisher aufgewendete Arbeit seien vergeudet. Auch Bürgerservice und sonstige Servicestellen seien gefährdet.

Und schließlich werde das Budget für die Fortbildung um 40% gekürzt, obwohl neben einer profunden Ausbildung gerade die laufende Fortbildung die Basis der hohen Qualität sei.

Der Nachwuchs

Derzeit würden gerade die Besten unter den Absolventinnen und Absolventen der rechtswissenschaftlichen Fakultäten den Beruf der Richterin, des Richters, der Staatsanwältin, des Staatsanwalts anstreben. Die Budgetpläne der Bundesregierung trocknen diesen Teil des Arbeitsmarktes für den richterlichen Nachwuchs für Jahre völlig aus, heißt es.

Für 2019 wurden 40 Richteramtsanwärter-Planstellen gestrichen.  Ein jahrelanger Stillstand bei Neuaufnahmen sei nicht vereinbar mit den hohen Anforderungen an die Qualität des Nachwuchses. Diese Anforderungen können nur erfüllt werden, wenn diestrengen Auswahlverfahren kontinuierlich weitergeführt werden.

Dass die Dauer der Gerichtspraxis auf fünf Monate herabgesetzt wird, sei ein schwerer Rückschritt, nachdem sie erst vor zwei Jahren auf (bescheidene) sieben Monate verlängert wurde. Die vorgegebenen Budgetkürzungen in diesem Bereich führen dazu, dass im Jahr 2018 überhaupt keine Rechtspraktikanten mehr aufgenommen werden können, heißt es. Eine immense  Zahlvon Studienabsolventen hänge in der Luft, zumal diese Gerichtspraxis die Voraussetzung für viele Rechtsberufe ist.

Link: Oberlandesgerichte

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