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Business, Recht

Die Argumente der Wirtschaft gegen die EU-Sammelklage

Wien. Die Wirtschaftskammer Österreich kritisiert den EU-Vorschlag für Sammelklagen und verschärfte Strafen im Verbraucherschutz. Gar eine „Mogelpackung“ sieht der Handel – es gehe überhaupt nur darum, Druck aufzubauen. Und den will man nicht.

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) übt Kritik an dem gestern präsentierten Vorschlag zum EU-Verbraucherschutz, den die Europäische Kommission – zusätzlich zu einem Richtlinienvorschlag zur kollektiven Rechtsdurchsetzung ­- beschlossen hat.

Diese „Sammel-Richtlinie“ soll mehrere bestehende Verbraucherschutz-Richtlinien ändern und sieht unter anderem EU-weit verschärfte Sanktionen in Form von drastischen Geldstrafen bei Verstößen gegen Verbraucherschutzbestimmungen vor.

Eine Regulierungsflut?

„Damit hat sich die Kommission ein weiteres Betätigungsfeld für EU-Regulierung gesucht, obwohl ein Fitness Check den zahlreichen bestehenden Verbraucherschutz-Richtlinien bescheinigt hat, dass die auch im digitalen Zeitalter >fit for purpose< sind“, kritisiert Rosemarie Schön, Leiterin der Rechtspolitischen Abteilung der WKÖ.

Vor allem erachtet es die WKÖ als verfehlt, EU-weite Strafen vorzuschreiben, weil es bei der Compliance nicht ein Problem >in der EU< gebe, sondern in einzelnen Mitgliedstaaten. Das zeige auch der letzte Consumer Conditions Scoreboard: Länder wie etwa Österreich und Deutschland, die nicht primär auf Strafen setzen, schneiden bei diesem Vergleichstest zum Zustand des Verbraucherschutzes sehr gut ab, im Gegensatz zu manch anderen Mitgliedstaaten, die primär auf hohe Geldstrafen setzen.

„Dass nicht zielgerichtete Maßnahmen in jenen Mitgliedstaaten erfolgen, die eindeutigen Verbesserungsbedarf haben, sondern wieder EU-weit Sanktionsregelungen vorgeschlagen werden, ist ein weiteres Zeichen für den Regulierungs-Aktionismus im immer komplexeren EU-Verbraucherschutz. Das stößt gerade KMU mehr und mehr vor den Kopf“, so Schön.

Seitens der WKÖ wird in diesem Bereich daher schon lange nachdrücklich mehr Augenmaß im Interesse eines unternehmensfreundlichen Klimas in Europa eingefordert. Ein richtiger Schritt in diese Richtung ist die Berücksichtigung der Forderung der Wirtschaft, dass es kein Widerrufsrecht mehr geben soll, wenn z.B. eine online bestellte Ware nicht nur probiert, sondern vom Kunden tatsächlich gebraucht wird. Ein Beispiel hierfür ist ein Ballkleid, das nach dem Ballbesuch retourniert wird. „Wir bekennen uns zu einem vernünftigen Verbraucherschutz, aber Missbrauch muss – gerade auch im Interesse der sich korrekt verhaltenden Verbraucher – verhindert werden“, so Schön.

Keiner kennt sich mehr aus im EU-Verbraucherschutz

Das EU-Verbraucherschutzrecht ist nach Auffassung der WKÖ immens komplex und für ein KMU, das kein Rechtsexperte ist, nicht mehr durchdringbar. Selbst jene, die sich mit nichts anderem als dem Verbraucherschutz befassen, tun sich bereits schwer, den Überblick zu behalten, kritisiert die WKÖ-Rechtsabteilung.

Der beste Beweis dafür sei die neue EU-online-Schulungsmöglichkeit für KMU zum Verbraucherrecht. Die von der Kommission finanzierte Schulungsinitiative, die federführend von BEUC, dem europäischen Dachverband von Verbraucherorganisationen, getragen wird, ist seit kurzem online zugänglich und wurde von der WKÖ stichprobenartig getestet: Mit schlechten Ergebnissen, wird kritisiert.

Allein bei zwei der getesteten Module der Österreichvariante im Quiz-Modus haben die WKÖ-Experten laut den Angaben sofort Fehler ausgemacht.

„Würde ein nicht rechtskundiges KMU auf die unrichtigen Aussagen in dieser Schulung vertrauen, dann könnte das einen Verstoß nach sich ziehen. Statt über Strafen zu diskutieren, wäre dem EU-Verbraucherschutz durch Vereinfachung und mit der Verankerung des Grundsatzes >beraten statt strafen und klagen<  mehr gedient“, so Schön.

Der Handel sieht eine Mogelpackung

Noch schärfer formuliert es die Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), was die vorgeschlagenen EU-weiten Sammelklagen betrifft: Hier sieht man den Vorstoß der EU-Kommission als Versuch, Gruppen-/Sammelklagen nach US-Vorbild zu schaffen.

Dem stehe man ablehnend gegenüber: „Gruppenklagen sind in Österreich schon derzeit in vielfältiger Weise möglich – etwa durch das bewährte System einer Sammelklage österreichischer Prägung oder durch die Beteiligung an einer Streitgenossenschaft“, sagt Handelsobmann Peter Buchmüller.

Bitte keinen Druck machen?

Im amerikanischen Modell gehe es vor allem darum, Druck aufzubauen, sowohl durch Strafandrohungen als auch medial. Die Wirtschaft werde massiv unter Druck gesetzt, Reputationsschäden von Unternehmen werden oft willentlich in Kauf genommen, ja seien sogar Teil des Systems.

„Damit können Gruppen- und Sammelklagen zu Folterwerkzeugen für Unternehmerinnen und Unternehmer werden, die ihren eigentlichen Zweck verfehlen, nämlich in Schadenersatzfällen eine vernünftige Einigung herbeizuführen“, fürchtet Buchmüller.

„Dazu kommt noch: Gruppen- oder Sammelklagen sind eine Mogelpackung – indem sie nämlich Vereinfachungen vortäuschen, die es gar nicht gibt“, so der Bundesspartenobmann. Sie seien mit erheblichem organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden.

„Die Wirtschaft ist für eine sachliche Diskussion jederzeit zu haben und verschließt sich sinnvollen Reformen keineswegs. Sinnvoll bedeutet allerdings, dass ausgewogene Mittel und Wege gefunden werden. Entscheidend ist, dass es – ob individuell oder gebündelt – im Schadenersatzprozess um die Verfolgung subjektiver Rechte geht. Daher darf es im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob ein Anspruch einzeln oder im Rahmen einer Gruppenklage verfolgt wird“, so Buchmüller.

Link: WKÖ

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