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Business, Recht

Gastbeitrag: Was das neue Vergaberecht 2018 bringt

Johannes Stalzer ©Schönherr / Detailsinn

Gastbeitrag. Mehr Innovation und Flexibilität, kürzere Verfahren: Das BVergG 2018 kommt. Schönherr-Counsel Johannes Stalzer, spezialisiert auf Vergaberecht, erläutert die zum Teil gravierenden Auswirkungen.

Über vier Jahre nach Inkrafttreten der „neuen“ EU-Vergaberichtlinie, über zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist und über ein Jahr nach Veröffentlichung des ersten Umsetzungsentwurfs ist es nun so weit: Es ist von einem Inkrafttreten des neuen Bundesvergaberechts im Juli 2018 in Österreich auszugehen. Darauf deuten Beschlussfassungen im Ministerrat und im Bundesrat in den vergangenen Monaten hin.

Das Tempo im Endspurt

Das bisherige Bundesvergabegesetz aus dem Jahr 2006 wird damit final abgelöst. Vergaberechtlich wird damit eine neue Ära eingeläutet: Die verpflichtende elektronische Auftragsvergabe, neue Verfahrensarten und Beschaffungsmethoden, sowie das zwingende Bestbieterprinzip sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Neuerungen, die den Beschaffungsprozess und die Vergabepraxis grundlegend verändern werden.

Auftraggeber und Bieter sollten sich daher dringend mit den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Denn aufgrund des erheblichen Verzugs bei der Umsetzung der Vergabe-RL ist nach Zustimmung der erforderlichen Gremien mit einem Inkrafttreten „von heute auf morgen“ zu rechnen.

Die wichtigsten Änderungen und Neuerungen im Überblick:

Mehr Beschaffungen ohne Vergaberecht: Der Katalog jener Leistungen, deren Beschaffung nicht dem BVergG unterliegen, wird erweitert. Von besonderer praktischer Relevanz sind dabei – neben den Ausnahmen für Kredite und Darlehen, für spezielle Rechtsanwalts- und Notarleistungen, sowie für gewisse Rettungsdienstleistungen – die erweiterten Ausnahmen für konzerninterne Auftragsvergaben („Inhouse-Vergabe“) und öffentlich-öffentlicher Kooperationen.

Ende der (nicht) prioritären Dienstleistungen: Die bisherige Unterscheidung zwischen „prioritären Dienstleistungen“ und „nicht prioritären Dienstleistungen“, die nur teilweise dem BVergG unterliegen, wird ersatzlos gestrichen. Zukünftig unterliegen grundsätzlich alle Dienstleistungen dem Vollanwendungsbereich des BVergG. Ausgenommen hiervon sind lediglich „besondere und soziale Dienstleistungen“: darunter fallen etwa Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens, Dienstleistungen im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe oder diverse kommunale Dienstleistungen.

Die Vergabe solcher Leistungen gestaltet sich zukünftig, aufgrund eines höheren Schwellenwerts, der bei EUR 750.000 liegt, und der weitgehend freien Verfahrenswahl und -gestaltung, erheblich leichter und flexibler. Allerdings sind auch hierbei die Grundregeln und die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, einzuhalten, sofern an dem Auftrag ein grenzüberschreitendes Interesse besteht (EuGH, 19.04.2018, C-65/17).

Neuer & erweiterter Ausschlusskatalog: Der Katalog jener Gründe, die zwingend zum Ausschluss von Bewerbern / Bietern von Vergabeverfahren führen, wird erheblich erweitert: Von besonderer Brisanz für Bieter ist der gebotene Ausschluss bei Interessenskonflikten, die versuchte (!) ungebührliche Einflussnahme auf den Auftraggeber und der Ausschluss wegen erheblich mangelhafter Leistungserbringung bei der Abwicklung früherer Aufträge.

Die Schlecht- oder Nichterfüllung von öffentlichen Aufträgen kann somit nicht nur zu regulären, vertragsrechtlichen Konsequenzen führen, wie Schadenersatz, Vertragsstrafen oder Kündigung. Zukünftig muss zusätzlich auch mit dem Ausschluss von Ausschreibungen zur Vergabe künftiger Aufträge gerechnet werden.

Erleichterte Eignungsprüfung: Mit dem neuen Bundesvergabegesetz kommt auch das „only once principle“: Dies bedeutet, dass Bieter idente Nachweise nicht jedes Mal von neuem vorlegen müssen. Damit und mit der zwingenden Akzeptanz der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung („EEE“) wird der Aufwand für Unternehmen im Zusammenhang mit der Beibringung von Eignungsnachweisen erheblich reduziert.

Verkürzung und Vereinfachung der Vergabeverfahren: Hervorzuheben sind außerdem vor allem die signifikant kürzeren Mindestfristen für die Teilnahme und die Angebotslegung in Vergabeverfahren, die erleichterte Inanspruchnahme des Verhandlungsverfahrens, das Absehen von einer zwingenden, formellen Angebotsöffnung im offenen und nicht offenen Verfahren und der mögliche Ersatz der Bekanntmachungen durch eine Vorinformation.

All diese Maßnahmen werden die Abwicklung von Beschaffungsprozessen nicht nur vereinfachen, sondern teilweise auch drastisch verkürzen. Während eine Beschleunigung des Vergabeverfahrens naturgemäß für Auftraggeber vorteilhaft ist, stellt die Verfahrensverkürzung für Bieter ein erhebliches Risiko dar, Teilnahme-, Anfrage- und vor allem Rechtsschutzfristen zu versäumen.

Deswegen sollten Unternehmen bei Bekanntmachung einer für sie interessanten Ausschreibung unverzüglich eine wirtschaftliche und rechtliche Erstevaluierung der Ausschreibungsunterlagen veranlassen.

Innovationspartnerschaft: Der Gesetzgeber möchte zukünftig innovative Beschaffungen fördern und stärken. Ein wesentliches Instrument dafür ist die Innovationspartnerschaft. Bei diesem Verfahren wird der Forschungs- und Entwicklungsprozess mit dem anschließenden Beschaffungsprozess in einem Vergabeverfahren verknüpft. Damit soll es erheblich leichter werden, innovative Beschaffungsvorhaben durchzuführen und Kooperationen mit Startups einzugehen.

Verpflichtende e-Vergabe: Spätestens ab 18.10.2018 müssen Vergabeverfahren elektronisch durchgeführt werden. Dazu gehören insbesondere die elektronische Kommunikation zwischen Auftraggebern und Unternehmen, die elektronische Verfügbarkeit / Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen, sowie die elektronische Einreichung von Teilnahmeunterlagen und Angeboten.

Ausschreibungsunterlagen müssen zudem künftig bereits ab der Bekanntmachung vollständig und kostenfrei für alle Interessenten verfügbar sein. Auftraggeber müssen daher alle Unterlagen (vom Teilnahmeantrag bis zum Vertrag) ab erstmaliger Bekanntmachung der Ausschreibung verfügbar machen, sodass sich Bewerber und Bieter ein vollständiges Bild von der zu beschaffenden Leistung und den Bedingungen der Leistungserbringung machen können.

Entschärfung des zwingenden Bestbieterprinzips: Das heftig diskutierte Bestbieterprinzip wird entschärft: Zwingend hat der Zuschlag auf das „wirtschaftlich und technisch günstigstes Angebot“ demnach im Wesentlichen nur mehr bei der Verwendung einer funktionalen Leistungsbeschreibung, bei der Wahl des Verhandlungsverfahrens und der Innovationspartnerschaft, bei der Vergabe von Bauaufträgen über EUR 1 Mio., sowie bei der Vergabe von Reinigungs- und Bewachungsdienstleistungen zu erfolgen.

Mehr Spielraum bei der Änderung & Anpassung bestehender Verträge: Ohne eine Neuausschreibungspflicht zu riskieren, können bestehende Verträge zukünftig durch Änderung bzw. Anpassung des Leistungsgegenstandes und -umfanges, der Vergütungsregelungen oder sogar unter gewissen Umständen durch Austausch des Vertragspartners an geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Dies bringt insbesondere bei langfristigen und komplexen Beschaffungen die notwendige Flexibilität im Stadium der Auftragsabwicklung und mehr Rechtssicherheit für Auftraggeber und Bieter.

Allerdings ist dennoch besondere Vorsicht beim Eingriff in bestehende Verträge geboten: Zum einen sind die zulässigen Ausnahmebestimmungen restriktiv auszulegen und zum anderen sieht das BVergG ein äußerst komplexes Prüfschema vor, bevor eine Vertragsänderung als zulässig erachtet werden kann. Fehler können zur Nichtigkeit der Vertragsänderung und zu empfindlichen Geldbußen führen.

Erweiterte Dokumentationspflichten: Insbesondere Auftraggeber sollten zukünftig nicht vergessen, vergebene Aufträge bereits ab einem Auftragswert von EUR 50.000, unter Offenlegung umfangreicher Informationen, unter www.data.gv.at bekanntzugeben und für fünf Jahre zur Verfügung zu stellen.

Autor Johannes Stalzer ist Vergaberechtsexperte und Counsel bei Schönherr Rechtsanwälte.

Link: Schönherr

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