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Recht

Verwaltung soll zuerst beraten, dann bestrafen

Wien. Der Grundsatz „Beraten statt strafen“ soll im Verwaltungsstrafrecht Einzug halten, so ein Regierungsentwurf.

Effizientere und transparentere Verwaltungsstrafverfahren, einheitliche Strafkataloge und die gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes „Beraten statt strafen“ im Verwaltungsstrafgesetz sind Ziel eines Gesetzespakets, das die Regierung dem Nationalrat vorgelegt hat.

Außerdem ist vorgesehen, die Befugnisse von Sicherheitsorganen genauer zu definieren und die Beschuldigtenrechte im Einklang mit neuen EU-Vorgaben auszuweiten, so die Parlamentskorrespondenz.

Bei Verwaltungsverfahren wird Behörden und Verwaltungsgerichten die Möglichkeit eingeräumt, Ermittlungsverfahren mit Schluss der mündlichen Verhandlung für beendet zu erklären. Ein eigenes Bundesgesetz dient der Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen.

Vorrang für Beratung bei geringfügigen Verwaltungsübertreungen

Gemäß dem Grundsatz „Beraten statt strafen“ sind Behörden künftig bei weniger gravierenden Verwaltungsübertretungen angehalten, dem Beschuldigten Zeit zu geben, einen den Vorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen, bevor eine Strafe verhängt wird.

  • Als Beispiel werden etwa geringfügige Abweichungen von technischen Maßen genannt, von denen keine Gefahr für Personen oder für Sachgüter ausgeht.
  • Wer vorsätzliches Verhalten an den Tag legt oder bei wiederholten gleichartigen Verstößen ertappt wird, muss hingegen weiter mit sofortigen Strafverfügungen rechnen.
  • Auch Übertretungen, die Anlass zu einstweiligen Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen geben bzw. die Entziehung von Berechtigungen vorsehen, sind unmittelbar zu ahnden.

Erweiterte Verfahrensrechte für Beschuldigte

Ausgeweitet werden mit dem Gesetzentwurf die Verfahrensrechte von Beschuldigten. Damit wird nicht zuletzt EU-Vorgaben Rechnung getragen.

Unter anderem geht es um die Beiziehung eines Verteidigers zu jedem Zeitpunkt des Verwaltungsstrafverfahrens, den Schutz von Beschuldigten bei Vernehmungen, verständliche Rechtsbelehrungen, die Übersetzung von Strafverfügungen und die Bereitstellung von DolmetscherInnen.

Allerdings kommen einige dieser neuen Rechte nur bei schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen zum Tragen, konkret wenn diese mit einer Geldstrafe von über 7.500 € bzw. mit einer Freiheitsstrafe bedroht sind.

Vorgaben für Informationsweitergabe an Medien

Ebenfalls mit EU-Recht sowie mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) werden neu eingefügte Vorgaben betreffend die Informationsweitergabe an Medien begründet. Demnach sind Informationen über Ermittlungsverfahren nur dann zulässig, wenn Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen, der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie der Anspruch auf ein faires Verfahren nicht verletzt werden.

Auskünfte sind nicht zu erteilen, soweit schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen dem entgegenstehen oder wenn durch die Auskunft der Zweck des Ermittlungsverfahrens gefährdet wäre.

Zwar könne die Öffentlichkeit grundsätzlich über anhängige Ermittlungs- oder Strafverfahren informiert und auch der Name der verdächtigen Person genannt werden, heißt es dazu in den Erläuterungen. Gemäß der EMRK und einer einschlägigen EU-Richtlinie zur Unschuldsvermutung dürfe aber von Verwaltungsbehörden, Gerichten oder anderen staatlichen Stellen nicht der Eindruck erweckt werden, dass jemand schuldig ist, bevor der Sachverhalt gerichtlich geklärt wurde.

Keine Aussagepflicht für ehemalige LebensgefährtInnen

In Bezug auf Fahrlässigkeitsdelikte wird verankert, dass die grundsätzliche Vermutung, wonach den Beschuldigten ein Verschulden trifft, in jenen Fällen nicht gilt, in denen eine Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50.000 € bedroht ist.

Begründet wird das mit der Schwere der Folgen. Laut Erläuterungen zielt diese Bestimmung insbesondere auf Personen ab, die ein Unternehmen nach außen vertreten und für die Missachtung von Vorschriften durch MitarbeiterInnen zur Verantwortung gezogen werden.

In Umsetzung eines VfGH-Urteils zur Strafprozessordnung werden ehemalige LebensgefährtInnen ehemaligen EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen auch in Verwaltungsstrafverfahren gleichgestellt und von der Aussagepflicht befreit.

Sicherheitsorgane dürfen künftig „angemessenen Zwang“ ausüben

Erleichtert wird mit der Novelle das sprengelübergreifende Einschreiten von Sicherheitsorganen. Demnach können die Beamte in Hinkunft auch außerhalb des Sprengels der Behörde, der sie funktionell zugeordnet sind, tätig werden. Bisher war das nur bei Gefahr in Verzug der Fall. Das soll flexiblere und wirksamere Einsätze ermöglichen.

Zudem wird klarer als bisher geregelt, in welchem Umfang und mit welchen Befugnissen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an Strafverfahren mitzuwirken haben. Neu ist in diesem Zusammenhang das Recht von Sicherheitsorganen, zur Durchsetzung ihrer Befugnisse „angemessenen Zwang“ anzuwenden, etwa bei Identitätsfeststellungen.

Identitätsfeststellungen sind darüber hinaus künftig nicht nur bei Betreten auf frischer Tat zulässig, sondern auch unmittelbar nach der Tathandlung, sofern die betreffende Person glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt wird oder Gegenstände bei sich hat, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen.

Als Beispiel wird etwa der Fall genannt, dass ein Kontrollor mit einem „Schwarzfahrer“ aus der Straßenbahn aussteigt und diese die Station zum Zeitpunkt des Eintreffens der Exekutive bereits verlassen hat.

Schwarzfahrer erhalten 14 Tage Zeit, um Strafticket zu begleichen

Auch in einem weiteren Bereich sind „Schwarzfahrer“ von der Novelle betroffen. Künftig liegt erst dann eine Verwaltungsübertretung vor, wenn der Fahrpreis samt Zuschlag nicht unverzüglich bzw., im Falle der Feststellung der Identität, innerhalb der gesetzlichen Frist bezahlt wird. Letztere wird dabei von drei auf 14 Tage erstreckt.

Damit haben ertappte Schwarzfahrer, die sich ausweisen können, künftig zwei Wochen Zeit, die Schuld zu begleichen.

Einheitliche Deliktskataloge, weniger Bürokratie

Im Interesse einer möglichst einheitlichen Strafpraxis und aus Gründen der Gleichbehandlung und der Transparenz ist vorgesehen, dass die jeweils oberste zuständige Behörde künftig einheitliche Deliktskataloge für Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organstrafen festlegt.

Überdies wird den Behörden mit der Novelle die Möglichkeit eingeräumt, von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen, wenn der Betroffene irrtümlich einen höheren Betrag als durch eine Anonymverfügung vorgeschrieben bezahlt hat. Das ist derzeit aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht möglich.

Beschuldigte erhalten außerdem das Recht, einen erhobenen Einspruch gegen eine Strafverfügung wieder zurückzuziehen bzw. einzuschränken.

Beendigung von Ermittlungsverfahren nach der mündlichen Verhandlung

Auf eine Unterbindung von Verfahrensverschleppungen durch Parteien zielen neue Bestimmungen im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz ab. Demnach erhalten Behörden – und analog auch Verwaltungsgerichte – künftig die Möglichkeit, das Ermittlungsverfahren unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung für geschlossen zu erklären.

Auch sonst wird es Parteien erschwert, während der Ausfertigung einer Entscheidung noch neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Um zu verhindern, dass zwischen dem Schluss des Ermittlungsverfahrens und der Bescheiderlassung ein allzu langer Zeitraum verstreicht, wird eine gesetzliche Acht-Wochen-Frist verankert: Ergeht in diesem Zeitraum nicht an zumindest eine Partei ein Bescheid, gilt das Ermittlungsverfahren wieder als offen.

Link: Parlament

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