Wien. Unternehmen sollten sich überlegen, ob sie die Angebote der Arbeitszeitflexibilisierung in Erwägung ziehen. „Es kann zu einer finanziellen Mehrbelastung führen“, so Schönherr-Partner Stefan Kühteubl.
Damit eröffnete Kühteubl eine aktuelle Schönherr-Informationsveranstaltung zum neuen Arbeitszeitgesetz. Gemeinsam mit Anwältin Teresa Waidmann diskutierte er die Kernpunkte des hitzig diskutierten Pakets, das bekanntlich schon mit 1. September 2018 in Kraft tritt.
Dementsprechend groß war der Andrang beim Event, so die Kanzlei: Knapp 70 Geschäftsführer, HR-Manager und Legal Counsels holten sich von den Schönherr-Arbeitsrechtsspezialisten Tipps für die Umsetzung des neuen Gesetzes im eigenen Unternehmen.
Die Ausnahmen und die Gleitzeit
Das Modell erweitert den Ausnahmenkatalog für das Arbeitszeitgesetz: „Neu daran ist, dass leitenden Angestellten keine Führungsaufgaben mehr zugeordnet werden müssen, um vom Gesetz ausgenommen zu sein. Die Zuordnung einer >selbstständigen Entscheidungsbefugnis< ist ausreichend“, so Waidmann.
Das bedeute für die Praxis auch, dass Arbeitnehmer kein Team mehr führen müssen, um in den Ausnahmenkatalog zu fallen. Waidmann: „Wichtig ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer die gesamte Arbeitszeit frei einteilen kann.“ Wenn die Arbeitszeit nur teilweise frei eingeteilt werden kann, falle der Arbeitnehmer wieder unter das Arbeitszeitgesetz.
„Das neue Modell gibt Arbeitnehmern mehr Wahlrechte bei der Gleitzeit.“ Damit wäre für Arbeitnehmer die 4 Tage-Arbeitswoche möglich. „Das bedeutet für Betriebe mit Gleitzeit aber auch, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zwingen kann, für wichtige Meetings im Büro zu sein. Zeiteinteilungen bedürfen keiner Zustimmung von Vorgesetzten mehr“, so Kühteubl. Letztendlich könnte dadurch das neue Gesetz für Unternehmen unattraktiver werden.
Überstunden und neuer Motivkündigungsschutz
„Die Überstunden-Regelungen wurden für Unternehmen stark vereinfacht.“, so Kühteubl weiter: „Trotzdem gibt es keinen Freibrief für eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden.“
Eine schon bisher im Arbeitszeitgesetz verankerte Sonderregel sei nämlich in der aktuellen Diskussion übersehen worden: Demnach darf die durchschnittliche, wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen nicht überschreiten. „Das heißt konkret, im Zeitraum von einer Woche dürfen im Durchschnitt maximal acht Überstunden geleistet werden“, so Kühteubl.
Zu erwarten sei, dass sich das Arbeitsinspektorat bei der Prüfung auf diese Durchrechnungszeiträume fokussieren werde. Abweichungen beim Durchrechnungszeitraum können kollektivvertraglich verhandelt werden, weshalb Kühteubl mit Spannung auf die im Herbst startenden Kollektivverhandlungen blickt.
Keine Benachteiligung erlaubt
Die Aufforderung des Arbeitgebers Überstunden, die über die 10. Tagesarbeits- bzw die 50. Wochenarbeitsstunden hinausgehen, zu leisten, darf ohne die Angabe von Gründen vom Arbeitnehmer abgelehnt werden. Arbeitnehmer dürfen dafür auch nicht benachteiligt werden.
„Zu beachten ist weiters, dass mit dieser neuen Regelung auch eine neue Möglichkeit für die Anfechtung von Kündigungen einhergeht“, hebt Waidmann hervor.
Link: Schönherr