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Business, Recht

Ryanair-Streik: Schadenersatz für Passagiere?

©ejn

Airlines. Vom Streik gegen Ryanair sind heute 55.000 Passagiere und 400 Flüge betroffen, auch bei Laudamotion. Verbraucherschützer raten zur Schadenersatzforderung (Update).

Der irische Billigflieger Ryanair ist mit dem bisher größten Pilotenstreik seiner Geschichte konfrontiert, seit sich zuletzt auch die große deutsche Gewerkschaft „Vereinigung Cockpit“ (VC) den in anderen Ländern bereits beschlossenen Streiks angeschlossen hat.

Insgesamt streiken heute Ryanair-Piloten in Belgien, Deutschland, Irland, den Niederlanden und Schweden. Jeder sechste der 2400 geplanten Europaflüge von Ryanair muss abgesagt werden – in Summe sind das 400, wobei allein 250 in Deutschland ausfallen.

Auch bei der österreichischen Ryanair-Tochter Laudamotion werden deshalb rund 20 für Ryanair durchgeführte Deutschland-Flüge gestrichen. Österreich-Verbindungen sind dagegen laut Laudamotion nicht betroffen; die betroffenen Passagiere seien bereits informiert worden.

Weitere Streiks könnten kommen

Die Pilotenstreiks haben bei Ryanair bereits um 03.01 Uhr früh begonnen und sollen am Samstag um 02.59 Uhr zu Ende gehen. Unmittelbares Ziel seien bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter.

Bis jetzt zeigt sich Ryanair allerdings hart. Weitere Streiks werden von der VC daher nicht ausgeschlossen, man wolle sie aber zumindest 24 Stunden vorher ankündigen.

Die Rechte der Passagiere

Klar ist, dass vom Streik betroffene Ryanair-Passagiere das Recht auf eine Umbuchung bzw. Erstattung des Kaufpreises für ihr Ticket haben, wenn der gewünschte Flug am Boden bleibt. Doch darüber hinausgehende Entschädigungen lehnt Ryanair ab – wie übrigens auch andere Airlines in solchen Fällen.

Doch damit setzt sich Ryanair ins Unrecht, glaubt das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ), das in Österreich beim VKI angesiedelt ist: Die deutsche Lufthansa habe in einem ganz ähnlichem Fall die Passagiere sehr wohl entschädigen müssen.

Streiks bei Airlines als ständige Begleiter

Personalstreiks bei Fluggesellschaften, wie jetzt bei Ryanair, scheinen geradezu schon an der Tagesordnung, heißt es bei den Verbraucherschützern. Vieles dreht sich dabei um die Frage, ob den Passagieren bei daraus resultierenden Flugverspätungen und Annullierungen eine Entschädigung zusteht. Das Friedensgericht Luxemburg habe diese Frage vor kurzem mit einem klaren „Ja“ beantwortet.

Das EVZ rate den Betroffenen des Ryanair-Streiks daher, Preiserstattung und Entschädigung zu fordern und stellt dafür einen Musterbrief zur Verfügung.

Der Präzedenzfall

Zwei Konsumenten forderten bei dem vom EVZ angeführten Urteil eine Ausgleichszahlung von der AUA-Mutter Lufthansa, nachdem ihre Flüge aufgrund eines Pilotenstreiks im Herbst 2016 annulliert wurden und sie erst stark verspätet an ihrem Ziel in Oslo ankamen.

Wie so oft bei Streiks wollte die Airline mit dem Hinweis auf „außergewöhnliche Umstände“ nicht zahlen. Dasselbe Argument nutzt übrigens auch Ryanair in der aktuellen Situation.

Nachdem die Kläger bei der Fluglinie scheiterten, wandten sie sich an das Europäische Verbraucherzentrum Luxemburg. Da in diesem Fall keine außergerichtliche Lösung mit Lufthansa erzielt werden konnte, zogen die beiden Konsumenten in Luxemburg vor Gericht. Sie konnten ihre Ansprüche durch das von der EU initiierte Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen durchsetzen, so das EVZ: Dieses ist in Luxemburg kostenlos, in anderen Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, fällt eine Gebühr an. Ein Anwalt werde nicht benötigt, die beiden Kläger mussten lediglich ein Formular ausfüllen.

Die Entscheidung

Das Luxemburger Gericht entschied schließlich, dass der angekündigte Streik der Piloten von Lufthansa keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der europäischen Fluggastrechteverordnung darstellt (Urteil n° 2768/2018). Somit sei die Fluggesellschaft sehr wohl verpflichtet, Ausgleichszahlungen an die beiden Kläger zu zahlen, die von den Flugannullierungen bzw. -verspätungen betroffen waren.

Dabei nahm der Friedensrichter Bezug auf ein Urteil vom April 2018, bei dem der Europäische Gerichtshof den Fall eines “wilden” Streiks eines Teils des Personals von TUIFly ebenfalls nicht als außergewöhnlichen Umstand qualifizierte.

Die Kläger dürften damit laut EVZ in Luxemburg eines der ersten Urteile überhaupt erstritten haben, in dem ein nationales Gericht unter Anwendung der Kriterien des TUIfly-Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine Fluggesellschaft zur Zahlung von Entschädigungen verpflichtet.

Die Empfehlungen der Verbraucherschützer

Das EVZ rät Verbraucherinnen und Verbrauchern, die von den aktuellen Streiks bei Ryanair betroffen sind, neben der Erstattung des Ticketpreises für annullierte Flüge auch eine Entschädigung bei der Fluggesellschaft schriftlich geltend zu machen. Diese könne je nach Reichweite des Fluges zwischen 250 und 600 Euro betragen.

Auch die kämpferische Flugentschädigungs-Plattform FairPlane rät zur Schadenersatzforderung: Der Weigerung von Ryanair, zu bezahlen, sei vermutlich ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zugrundegelegt (v. 21.8.2012 X ZR 138/11). Darin habe der BGH den rechtmäßigen betriebsinternen Streik als außergewöhnlichen Umstand angesehen.

Doch habe eben der EuGH in der Rechtssache Krüsemann/TUIfly den wilden Streik nicht als außergewöhnlichen Umstand gewertet, erinnert auch FairPlane. Eine Ablehnung der Auszahlung von Ryanair im Vorhinein akzeptiere man nicht, das Bestehen eines Anspruchs müsse immer noch ein Gericht prüfen.

Ronald Schmid, Reiserechtsspezialist und Unternehmenssprecher von FairPlane: „Als maßgeblich betrachtete der EuGH, dass der Streik bei TUIfly durch eine unternehmerische Entscheidung (Umstrukturierung des Betriebs), die zu den gewöhnlichen wirtschaftlichen Maßnahmen von Unternehmen zählt, ausgelöst wurde.“

Die Frage sei also, ob nicht auch die unternehmerische Entscheidung, eine Gehaltsforderung der Mitarbeiter, die Einführung von Tarifverträgen oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen der eigenen Mitarbeiter abzulehnen, eine normale betriebswirtschaftliche und damit dem Unternehmen zurechenbare Maßnahme sei, die kausal für die Arbeitsniederlegung ist.

Und das sei zu bejahen, denn Meinungsverschiedenheiten einer Airline mit ihren Mitarbeitern seien nun einmal „ein Risiko, welches als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens zu betrachten ist.“

Update: Das auf Fluggast-Entschädigungen spezialisierte Portal EUflight sieht laut deutschen Medienberichten zwar wenig Chancen auf Entschädigung, da der Streik wohl als außergewöhnlicher Umstand gewertet werden müsse. Allerdings hat EUflight inzwischen ebenfalls damit begonnen, betroffene Fluggäste um sich zu scharen. Laut Handelsblatt will man eine kleine Anzahl von Forderungen testweise einklagen. Skeptisch, ob Klagen Erfolg haben, ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Link: EVZ

Link: FairPlane

Link: Ryanair

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Ein Kommentar

  1. Was für Passagiere auch wichtig ist: Unabhängig von der Frage der Entschädigung haben sie auch bei einem Streik auf jeden Fall das Recht auf Rückerstattung oder Ersatzbeförderung und zusätzlich das Recht auf Betreuungsleistungen bis hin zur Hotelübernachtung. Quelle: flugrecht.de

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