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Arbeitszeitrecht-Novelle: Die Probleme in der Praxis

©CMS

Wien. Beim letzten „CMS Business Breakfast“ ging es um das neue Arbeitszeitgesetz – bei regem Teilnehmerinteresse.

Das neue Arbeitszeitgesetz bringt einige grundlegende Neuerungen. Diese und sich daraus in der betrieblichen Praxis ergebender Anpassungsbedarf standen beim CMS Business Breakfast vor einigen Tagen im Mittelpunkt.

An der Veranstaltung der Wirtschaftskanzlei nahmen rund 120 Personen teil, heißt es weiter. Die beiden CMS-Arbeitsrechtsexperten Christoph Wolf und Andreas Jöst informierten über die Eckpunkte der Novelle, den Gestaltungsrahmen und die Auswirkungen auf bestehende betriebliche Arbeitszeitmodelle.

Die neuen Bestimmungen

Die AZG Novelle ist am 1. September 2018 in Kraft getreten und bringt neben einer neuen Gesamtarbeitszeit von 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche und einer neuen Definition des Begriffs des leitenden Angestellten vor allem Neuerungen bei der Gleitzeit und den Überstunden.

Für die rechtssichere Anwendung der neuen Bestimmungen stellen sich allerdings auch bei dieser Novelle einige Auslegungsfragen, die vorweg beantwortet werden müssen, so Wolf und Jöst. Beispielsweise beim neuen Begriff des leitenden Angestellten: Da hier weitgehend der Text aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie übernommen wurde, sei insoweit vor allem die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich, wonach es vor allem auf einen sehr hohen Grad an Zeitautonomie ankommt.

48 Stunden pro Woche sind die Grenze

Auch wenn die Gesamtarbeitszeitgrenzen an einzelnen Tagen auf 12 Stunden und in einzelnen Wochen auf 60 Stunden angehoben wurden, bleibt es dabei, dass im Durchschnitt von 17 Wochen insgesamt (inkl. Überstunden) nicht mehr als 48 Stunden pro Woche gearbeitet werden darf.

Dies ergibt sich bereits aus dem Unionsrecht, wobei der Kollektivvertrag den Durchrechnungszeitraum unter bestimmten Voraussetzungen erweitern kann. Die Kontrolle dieser Grenze werde daher an Bedeutung gewinnen. „Ein diesbezügliches Kontrollsystem ist daher unverzichtbarer Bestandteil der innbetrieblichen Arbeitszeitgestaltung“, so Wolf.

Die Überstunden und das neue Ablehnungsrecht

Mit der Novelle wurde das allgemeine Überstundenkontingent auf 20 Stunden pro Woche erweitert. Wird durch die Überstunden eine Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten, können ArbeiternehmerInnen die Überstunden grundlos ablehnen.

Aus der Ablehnung dürfen Arbeitnehmernkeine Nachteile entstehen. Dieses Ablehnungsrecht wird auch im Fall eines Arbeitseinsatzes im Rahmen von Rufbereitschaften gelten.

Entscheidend ist daher die Frage, wann das Ablehnungsrecht ausgeübt werden muss: Dazu gebe es keine klare Regelung im Gesetz. „Dem Zweck von Rufbereitschaften würde es am ehesten entsprechen, dass das Ablehnungsrecht bereits bei der Einteilung zu einem konkreten Rufbereitschaftsdienst ausgeübt werden muss“, so Wolf.

Geld oder Zeitausgleich

Eine weitere Problematik wirft die Frage des Wahlrechtes des Arbeitnehmers bezüglich der Abgeltung von Überstunden auf, durch die eine Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird.

  • Nach dem neuen § 10 (4) AZG haben die Arbeitnehmer die Wahl, ob sie diese Überstunden in Geld oder in Zeit abgegolten haben wollen.
  • Das Wahlrecht ist möglichst frühzeitig auszuüben, jedenfalls aber am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes.

Diese Regelung stellt vor allem die Lohnabrechnung vor große Herausforderungen, weil am Ende des Abrechnungszeitraumes Überstunden, die nicht in Zeit ausgeglichen werden, in der Regel bereits an die Lohnabrechnung „übergeben“ sind.

Die CMS Experten empfehlen, die Arbeitnehmer bereits bei der Anordnung von Überstunden, durch die eine Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, zu fragen, für welche Abgeltungsart sie sich entscheiden.

Darüber hinaus wurde auch eine neue Überstundendefinition für Gleitzeit eingeführt. Sie findet sich in einem neuen § 4b (5) AZG und sieht vor, dass Überstunden immer auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber Arbeitsstunden anordnet, die über die Normalarbeitszeit hinausgehen (gem § 3 (1) AZG, sprich über 8 Stunden am Tag bzw. 40 Stunden in der Woche).

Neues Gleitzeitmodell – ohne weiteres umsetzbar?

Ein vielfach diskutiertes Thema der letzten Wochen war auch die Einführung eines neuen Gleitzeitmodells mit 12 Stunden Normalarbeitszeit. Dieses setzt voraus, dass die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass der Zeitausgleich in ganzen Tagen verbraucht werden kann und ein Verbrauch im Zusammenhang mit der wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist.

Was aber, wenn der Kollektivvertrag die Normalarbeitszeit bei Gleitzeit mit 10 Stunden „abschneidet“? „Dann bleibe vorerst – bis zur Anpassung des Kollektivvertrages – alles beim Alten, es kann nur ein Gleitzeitmodell mit einer Normalarbeitszeit bis zu 10 Stunden umgesetzt werden“, so Andreas Jöst.

Kein Regelungsdruck, aber Überprüfung empfehlenswert

Auch wenn es in weiten Teilen aus der aktuellen AZG-Novelle keinen unmittelbarer Regelungsdruck gebe, sollten die betrieblichen Arbeitszeitvorschriften doch daraufhin überprüft werden, ob sie mit den neuen Bestimmungen im Einklang stehen. Beispielsweise in Hinblick auf die neue Überstundendefinition bei Gleitzeit oder die Kontrolle der Einhaltung der 48-Stunden-Grenze, so Wirtschaftskanzlei CMS.

Link: CMS

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