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Bildung & Uni, Recht

Sozialversicherung: Soll die Mitverantwortung gestärkt werden?

Susanne Auer-Mayer ©Kolarik / Uni Salzburg

Salzburg. Lässt sich Österreichs Sozialnetz – gedacht für Kranke und Schwache – als „soziale Hängematte“ mißbrauchen, oder schützt das Prinzip der Mitverantwortung? Eine Studie.

Lässt sich das soziale Netz, das für Kranke und Schwache geschaffen ist, leicht für ein „gemütliches Leben“ ausnützen? Im Zuge des aktuellen Umbaus des Österreichischen Sozialversicherungssystems wird u.a. auch darüber diskutiert. Oft zu hören ist der Vorwurf der „sozialen Hängematte“.

Wie es rechtlich in Österreich um die Mitverantwortung der Leistungsberechtigten in der Sozialversicherung steht, das hat erstmals umfassend die Salzburger Juristin Susanne Auer-Mayer in ihrer Habilitationsschrift untersucht, so die Uni Salzburg. Dafür wurde Auer-Mayer mit dem Herbert-Tumpel-Ehrenpreis ausgezeichnet.

Von Rauchern bis Durchschummlern

Sollen Raucher höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen? Gibt es in der Arbeitslosenversicherung für „Durchschummler“ Lücken, die geschlossen werden müssten? Es werde sich nie völlig vermeiden lassen, dass manche Menschen das Sozialsystem missbrauchen, ob in der Arbeitslosenversicherung, der Krankenversicherung, der Unfallversicherung oder der Pensionsversicherung, sagt Susanne Auer-Mayer, assoziierte Professorin für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Salzburg.

Doch rein rechtlich sei in Österreich das Prinzip der Mitverantwortung der Leistungsberechtigten in der Sozialversicherung ganz klar verankert. Zu dem Schluss kommt die Juristin in ihrer 600 Seiten umfassenden Habilitationsschrift „Mitverantwortung in der Sozialversicherung“.

Was Mitverantwortung in der Praxis bedeutet

„Es gibt sehr viele punktuelle Regelungen zur Mitverantwortung der Versicherten, etwa dass Kranke unter bestimmten Voraussetzungen an Untersuchungen und Behandlungsmaßnahmen zur Gesundung mitwirken müssen. Oder dass bei geminderter Arbeitsfähigkeit das Prinzip Rehabilitation statt Frühpension gilt. Auch bekommt man zum Beispiel kein Krankengeld, wenn die Arbeitsunfähigkeit die Folge einer Alkoholisierung ist“. Generell sei der Grundsatz der Mitwirkung stark ausgeprägt, aber eine allgemeine Verpflichtung, die Sozialversicherung zu schonen, habe sich bei der Analyse nicht gezeigt.

Ließe sich die Mitverantwortungspflicht verfassungsrechtlich und europarechtlich überhaupt ausdehnen? Etwa indem man gefahrenerhöhende individuelle Risiken beispielsweise bei Rauchern,  Berufs- oder Extremsportlern berücksichtigt? Oder dass die Versicherten stärker als bisher Wahlmöglichkeiten haben zwischen verschiedenen Versicherungsträgern, wie das bei privaten Versicherungen der Fall ist? Susanne Auer-Mayer ist skeptisch. „Der Europäische Gerichtshof akzeptiert etwa, dass sich Sozialversicherungssysteme nicht am Wettbewerbsrecht messen lassen müssen.“ Würde man in die Sozialversicherung verstärkt Elemente der privaten Versicherung einbauen, stelle sich die Frage, ob diese Ausnahme weiterhin greife. „Das könnte schlussendlich unser ganzes Sozialversicherungssystem zu Fall bringen“, meint Auer-Mayer.

Das Prinzip der Pflicht

Die österreichische Sozialversicherung ist wesentlich vom Grundsatz der Pflichtmitgliedschaft und der damit einhergehenden Solidarität der Versicherten in dieser Gemeinschaft gekennzeichnet. Für die Versicherten hängen weder die Höhe der Beiträge noch die zu erwartenden Leistungen vom individuellen Risiko ab. Die Beiträge werden (mit wenigen Ausnahmen) ausschließlich in Abhängigkeit vom Einkommen berechnet. „Das Pflichtversicherungssystem bietet im Vergleich zu anderen Systemen wie etwa dem der Versicherungspflicht in Deutschland einen deutlich größeren sozialen Ausgleich.“

Auch wenn es nach Auffassung von Auer-Mayer bei der Mitverantwortung in der Sozialversicherung inhaltlich keinen großen Änderungsbedarf gibt, so sollten doch die vielen Einzelregelungen präzisiert und systematisiert werden, heißt es. „Ich warne aber davor, Elemente wie höhere Beiträge für Risikogruppen einzuführen, weil es da sehr schwer ist, eine sachlich korrekte Differenzierung zu schaffen. Soll etwa der Extremsportler mehr zahlen oder der, der gar keinen Sport betreibt, weil Bewegungsmangel auch schlecht für die Gesundheit ist? Da öffnet man die Büchse der Pandora.“

Susanne Auer-Mayer hat in ihrer Habilitationsschrift „Mitverantwortung in der Sozialversicherung“, die im Manz Verlag veröffentlicht wurde, erstmals die gesetzliche Rechtslage monographisch aufgearbeitet und damit aufgezeigt, was es bei geplanten Änderungen zu bedenken gilt, so die Uni.

Die von der Regierung beschlossene Zusammenlegung der Sozialversicherungen auf fünf Träger sieht Auer-Mayer übrigens „mit großer Sorge“. Sie bezweifelt die angekündigten Kosteneinsparungen und den versprochenen Nutzen für die Versicherten.

Der Job an der Uni

Knapp vier Jahre lang hat Susanne Auer-Mayer an ihrer Habilitationsschrift gearbeitet. Im Juli 2018 wurde sie dafür im Rahmen des Theodor-Körner-Fonds mit dem Herbert-Tumpel-Ehrenpreis für besondere politik-, rechts-, sozial- oder wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet. Der Preis ist mit 7000 Euro dotiert.

Heute ist Auer-Mayer assoziierte Professorin für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Salzburg. Aktuell beschäftigt sie sich auch mit Datenschutz und Arbeitsrecht und dem Arbeitszeitrecht.

Link: Uni Salzburg

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