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Recht

Wo bleibt er, der weisungsfreie Bundesstaatsanwalt?

©Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Wien. In Österreich soll ein weisungsfreier Bundesstaatsanwalt kommen: Als Lehre aus dem BVT-Skandal, so die Neos. Doch auch Teile der Opposition sind dagegen.

Der Vorstoß der Neos wonach die staatsanwaltschaftlichen Behörden künftig nicht mehr dem Justizminister, sondern einem unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt unterstehen sollen, wurde in der gestrigen Nationalratssitzung im Rahmen einer Ersten Lesung unterschiedlich bewertet.

Während Neos-Abgeordnete und Ex-Justizprofi Irmgard Griss mit Unterstützung von SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim die aktuelle Diskussion um die Causa BVT für die rasche Installierung eines solchen weisungsfreien Bundesstaatsanwalts ins Treffen führte, sprachen sich die Regierungsparteien – konkret Michaela Steinacker (ÖVP) und Volker Reifenberger (FPÖ) – dagegen aus.

Auch Alfred Noll von „Jetzt“ (also der vor kurzem umbenannten Liste Pilz) lehnt den Vorschlag ab: Man wolle nicht auf die Verantwortlichkeit des Ministers gegenüber dem Parlament verzichten, so die Begründung. Der Antrag wurde schließlich von der vorsitzführenden Dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller dem Verfassungsausschuss zugewiesen.

Die Argumente dafür

Angesichts der jüngsten Ereignisse sei es wichtiger denn je, von Vornherein jeden Anschein politischer Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft auszuschließen, argumentierte Irmgard Griss. Gerade die Causa BVT habe bewiesen, dass die Staatsanwaltschaft nicht so unabhängig agiere.

Ihrer Meinung nach widerspricht es außerdem dem Prinzip der Gewaltentrennung, dass die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Justizminister weisungsgebunden ist. Ein weisungsfreier Bundesstaatsanwalt sei bereits in anderen Ländern Standard, stellte sie fest.

  • Griss schlägt daher vor, den Bundesstaatsanwalt bzw. die Bundesstaatsanwältin mit Zweidrittelmehrheit vom Nationalrat, und zwar nach einer öffentlichen Ausschreibung und einem öffentlichen Hearing im Hauptausschuss, zu wählen.
  • Als Funktionsperiode sind zwölf Jahre, ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl, vorgesehen.
  • Durch ein Interpellationsrecht und weitere Befugnisse des Nationalrats und des Bundesrats soll die Kontrolle durch das Parlament gewährleistet werden.
  • In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen laut Antrag mit 1. Jänner 2020 – wenn es nach den Neos geht.

Kein volles Vertrauen in Befehlsempfänger?

Die Neos-Mandatarin unterstrich die Notwendigkeit der Vertrauens in die Justiz, und vertraut werde der Justiz nur dann, wenn diese unabhängig ist, konstatierte sie. Sie räumte zwar ein, dass unter Justizminister Brandstetter ein Weisenrat für Weisungen eingerichtet worden sei, aber dieser stelle nur eine halbe Lösung dar, weil das Weisungsrecht des Ministers bleibe, und dieses schwächt ihrer Ansicht nach die Justiz.

Diesen Argumenten schloss sich auch Johannes Jarolim (SPÖ) an. Er verwies auf eine ähnliche Initiative seiner Fraktion aus dem Jahr 2003. Die ÖVP habe das aber immer verhindert, beklagte er, denn sie wolle in die Justiz und die die Staatsanwaltschaft „hineingehen“. Die Einsetzung des Weisenrats bezeichnete als „peinliche“ Aktion.

Die Argumente dagegen

Eine solche Forderung würde eine wesentliche Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes erfordern, gab ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker zu bedenken. Sie erinnerte daran, dass Minister Brandstetter zur Reform des Weisungsrechts eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt hat und sich alle, bis auf ein Mitglied, gegen einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt ausgesprochen haben, so die Parlamentskorrespondenz.

Außerdem sei eine politische Einflussnahme derzeit durch zahlreiche Maßnahmen nicht mehr möglich – etwa durch die Einrichtung des unabhängigen Weisenrats und die Tatsache, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft von der Oberstaatsanwaltschaft unabhängig sei. Auch hält sie – so wie auch FPÖ-Abgeordneter Volker Reifenberger – den Hinweis auf die Causa BVT für unangebracht, weil in diesem Fall der Minister keinen Einfluss auf die Staatsanwaltschaft genommen habe.

Für Reifenberger würde mit der Installierung eines Bundesstaatanwalts das Gegenteil dessen bewirkt, was die Neos wollen: nämlich eine Politisierung. Niemand ohne eindeutige parteipolitische Zuordnung würde so einen Posten bekommen, zeigte er sich überzeugt. Die Folge wäre ein weisungsfreier, aber politisch besetzter Bundesstaatsanwalt, ein „Staat im Staate“. Er plädierte daher dafür, dass die Verantwortung des Ministers gegenüber dem Parlament erhalten bleibe. Außerdem würde mit einem Bundesstaatsanwalt auch eine neue Behörde entstehen, merkte er an.

Ein Lob für die Praxis

Den Argumenten der beiden Koalitionsparteien schloss sich auch Alfred Noll vom Klub JETZT an, auch wenn er, wie er sagte, atmosphärisch der Forderung nach einem Bundesstaatsanwalt etwas abgewinnen könne. Er sei aber für eine weisungsgebundene und transparente Staatsanwaltschaft und eine Ministerverantwortlichkeit, die aber im Hohen Haus auch realisiert werden müsse.

Per sei verdiene nicht jeder Minister einen „Misstrauensvorschuss“, meinte er pointiert. Seiner Ansicht nach funktioniert auch der Weisenrat gut.

Link: Parlament

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