Neue Serie. Im dritten Teil geht es um Legal Tech im Tagesgeschäft. DLA Piper-Partner Armin Hendrich betrachtet streitige Verfahren, Due Diligence und mehr.
Vorab soll gesagt sein, dass viel daran liegt, den für einen Fall verantwortlichen Juristen mit dem Thema Legal Tech vertraut gemacht zu haben, sonst wird es zu einem Einsatz von Legal Tech mitunter gar nicht erst kommen. Auch muss das Tool dem Juristen möglichst schnell und unkompliziert zur Verfügung gestellt werden, da solche Projekte eher im Ausnahmefall eine entsprechende Vorbereitungszeit haben.
So läuft der Einsatz der Tools in der Tagesarbeit des Anwalts ab
Vor allem im Bereich der streitigen Verfahren, Untersuchungen (auch strafrechtlich) sowie Kartellverfahren beginnt der Einsatz bereits bei der „forensisch korrekten Sammlung“ der Daten.
- Die sogenannten Metadaten (Datum und Zeit der Erstellung und letzten Änderung, Autor, etc.) können wesentliche Informationen beinhalten und gehen beim einfachen Kopieren entweder verloren oder werden verfälscht.
- Die gesammelten Daten müssen sodann auch „audit proof“ gesichert werden. Gewöhnlich greift ein Legal Tech Tool nur auf die Kopie dieser Daten zu.
- Während der Sammlung selbst keine rechtlichen Hürden im Weg stehen sollten, ist in einem weiteren Schritt darauf zu achten, dass die Daten in einem Tool nicht ohne Prüfung von diversen Rechten Dritter auf Geheimhaltung von Anwendern gesehen werden.
Reviews (und ich möchte diese vorab gesondert behandeln) sind unterschiedlich strukturiert und es kommt auf die rechtlichen Voraussetzungen, das gesteckte Ziel und das gewählte Tool an. Möglich ist hier alles, vom mehrstufigen „straight-on“ Review bis hin zu Suche nach der Nadel im Heuhaufen mit Unterstützung von AI.
Ich versuche hier das Thema kurz anzureißen: Anfangs ist immer davon auszugehen, dass eine zu große Menge an Daten für eine „document by document“-Sichtung zur Verfügung steht – und dem ein zu geringes Wissen über die Causa gegenübersteht.
Klassisch wurde versucht, mit dem vorhandenen Wissen eine Liste an Stichwörtern zu erstellen, welche relevante Dokumente identifizieren sollen. Dabei nicht identifizierte Daten schieden zumeist endgültig aus dem Review aus.
Einige der genannten Tools verfügen nun über sogenanntes Continuous Active Learning (CAL), wobei das System durch die Interaktion mit dem Benutzer lernt (nicht in jeder Interaktion, sondern anhand von Dokumentblöcken) und dynamisch auch Dokumente oder E-Mails, welche ursprünglich ausgeschieden wurden, dadurch wieder in den Review gelangen, indem das System diese anhand der Benutzerinteraktion als relevant erkennt.
Etwas anders ist der Zugang der Early Case Assessment Tools, welche durch sehr fortschrittliche Analyse erkennen, wer die handelnden Personen in den Dokumenten sind, zu welchem Themenbereich das Dokument gehört (z.B. Trade Finance) und darüber hinaus sprachlichen Ausdruck (z.B. positiv oder negative Kommunikation über ein Thema) und Kommunikationsmuster.
Es wird somit auf einen Mix aus menschlichem Verhalten und dem der Causa zugrundeliegenden Themenbereich abgestellt. Man kann so z.B. konkret nach Fehlverhalten in einem Bereich suchen. Das System lernt dabei mit jeder Interaktion mit dem Anwender. Am Ende dieser Phase ist davon auszugehen, dass man über alle Schlüsseldokumente zu dem Fall verfügt und sichtet diese – abhängig von der Anzahl – nochmals einzeln, oder in Hinsicht auf gewisse Aspekte.
Etwas anders ist dabei die Vorgehensweise bei Due Diligence Tools, in welcher gewöhnlich das System vorab trainiert wird und daraufhin gezielt nach relevanten Themen gesucht wird.
In jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass der Einsatz solcher Tools nicht nur Effizienz erhöht und Kosten spart, sondern auch die Fehlerquote senkt. Wichtig ist, dass im Sinn eines ordentlichen Prozess-Managements jederzeit die volle Transparenz nach innen, aber auch gegenüber dem Mandanten gegeben ist.
Welche Vorteile ergeben sich für die Anwälte, welche für Klienten?
Einfach gesprochen ist es die vorläufige Antwort auf die altbekannte Bitte, mehr in weniger Zeit zu geringeren Kosten zu erledigen. Solange, bis dies Standard ist und sich das Rad weiterdreht.
Etwas detaillierter gesagt, kann der Anwalt durch den neu geschaffenen Spielraum in Hinsicht auf Zeit und Kosten seine Gewinnspanne erhöhen und das selbst dann, wenn ein Teil dieser Spanne an den Mandanten zu dessen Vorteil weitergegeben wird.
Darüber hinaus habe ich bereits angesprochen, dass im Sinne eines ordentlichen Wissens-Managements der Einsatz von Legal Tech in vielen Bereichen längst unverzichtbar geworden ist. Österreich liegt dabei – wie auf entsprechenden Konferenzen zu sehen ist – deutlich im internationalen Umfeld zurück. Das Wissen in einem Anlassfall ist weniger personengebunden und der Verlust, sollte eine der agierenden Personen während des Projektes ausscheiden, deutlich reduziert.
Gewisse Anfragen von Mandanten lassen sich ohne die Verwendung von Legal Tech nicht mehr hinreichend erledigen. Täglich wächst bei jeder Person und jedem Unternehmen die Datenmenge. Kommunizieren ist durch E-Mail und elektronische Dokumente deutlich einfacher und schneller geworden, wodurch die Datenmenge exponentiell ansteigt. Dies schafft eine neue Realität für Anwälte, der man sich nicht entziehen kann. Kurz gesprochen lauten die Vorteile also: Kosten, Qualität und Transparenz.
Link: Legal Tech in der Praxis, Teil 1: So funktioniert es bei DLA Piper)
Link: Legal Tech in der Praxis, Teil 2: Die Ziele für die Tools
Link: Legal Tech in der Praxis, Teil 3: Einsatz im Tagesgeschäft, Vorteile für Klienten
Armin Hendrich ist Partner im Wiener Büro von DLA Piper. Er gehört der Litigation & Regulatory-Praxisgruppe an und berät vorwiegend nationale und internationale Kunden im Bank- und Finanzsektor, mit langjähriger Erfahrung im IT-Bereich.