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Business, M&A, Recht, Steuer

China-Investments in Europa haben sich halbiert

©ejn

Gegenwind hält an. Chinesische Investoren kommen in Europa immer seltener zum Zug: Die Zahl der Deals sank im Vorjahr um mehr als ein Fünftel, das Volumen sogar um die Hälfte. 

Im vergangenen Jahr ging die Zahl der Übernahmen und Unternehmensbeteiligungen in Europa um 21 Prozent auf 196 zurück, das Investitionsvolumen schrumpfte sogar um 46 Prozent auf 31,2 Milliarden US-Dollar. Besonders stark fiel der Rückgang der Transaktionstätigkeit in Europa im zweiten Halbjahr aus: Die Zahl der Zukäufe sank im Vergleich zur ersten Jahreshälfte um 26 Prozent.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, die die M&A-Investitionen chinesischer Unternehmen in Europa untersucht.

Rückgänge seit zweieinhalb Jahren

„Die Anzahl der getätigten Transaktionen ist in Europa nun fünf Halbjahre in Folge zurückgegangen“, stellt Eva-Maria Berchtold, Leiterin Transaction Advisory Services bei EY Österreich, fest. „Die Gründe für diesen kontinuierlichen Rückgang sind vielfältig.“

Und worin sieht der Beratungsmulti die Gründe für eine Entwicklung, die man – ebenso wie die meisten Branchenkollegen – so nicht prognostiziert hat?

  • Zum einen haben sich die Rahmenbedingungen in China verändert, so EY: Die Regierung möchte übermäßige Kapitalabflüsse verhindern und wünsche eine Konzentration der Investitionstätigkeit auf Kernbranchen.
  • Zudem wächst die chinesische Wirtschaft nicht mehr so stark, was – gepaart mit der hohen Verschuldung vieler Unternehmen – eine stärkere Vorsicht gerade bei großen Transaktionen zur Folge habe.
  • Obendrein werden chinesische Investoren „auch in Europa nicht mehr überall mit offenen Armen empfangen“, beobachtet Berchtold.

Die Europäer sind bürokratischer geworden

Auch der Transaktionsprozess sei komplizierter geworden, ergänzt Yi Sun, Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz bei EY: „Seit einigen Jahren fordern europäische Käufer von chinesischen Investoren schon am Anfang eines Verkaufsprozesses Nachweise über die nötigen Finanzmittel. Zudem wird vielfach eine detaillierte Integrationsplanung erwartet. Auch das Vorliegen von Genehmigungen durch chinesische Behörden wird inzwischen vielfach vorausgesetzt.“

Wohin es die Chinesen (noch) zieht

  • Nach wie vor zieht es chinesische Investoren vor allem nach Deutschland und Großbritannien: Die Bundesrepublik belegt trotz eines deutlichen Rückgangs von 54 auf 35 Transaktionen (-37%) Platz eins im Länderranking, knapp gefolgt von Großbritannien, wo die Deal-Anzahl etwas weniger stark von 44 auf 34 zurückging (-23%).
  • Auch in den meisten anderen größeren Märkten verringerten sich die M&A-Aktivitäten chinesischer Firmen: in Italien von 24 auf 20 (-17%) und in Frankreich von 22 auf 16 (-27%).
  • Die Zahl der Deals in der Schweiz hat sich hingegen von sieben auf 13 fast verdoppelt.
  • Auch in Österreich ging die Anzahl der Transaktionen von fünf auf drei zurück.

Größter Deal eines chinesischen Investors 2018 hierzulande war der Erwerb eines Mehrheitsanteils an Wolford durch Fosun um rund 75 Millionen Euro. Auf Platz zwei folgt der Kauf des Trauner Kranherstellers Voith durch Eurocrane China um rund 49 Millionen Euro.

Komplettiert werden die drei hierzulande getätigten Transaktionen durch den Einstieg einer von Ming Capital angeführten Investorenrunde beim Wiener Biotech-Unternehmen Miracor um rund 25 Millionen Euro.

Die Aussichten für 2019

Eine Einkaufstour im großen Stil wie vor allem 2016 in vielen europäischen Ländern zu beobachten war, sei in Österreich auch in Zukunft nicht zu erwarten, so Berchtold: „Es ist aber davon auszugehen, dass das Interesse chinesischer Investoren an der österreichischen Wirtschaft und speziell heimischen Nischenmarktführern in den nächsten Jahren weiterhin gegeben ist. China ist ein wichtiger Schwerpunkt in der kürzlich vorgestellten Außenwirtschaftsstrategie der Bundesregierung, erst im vergangenen Jahr hat eine Delegation vor Ort die Werbetrommel für den Standort Österreich gerührt“.

Es gebe jedenfalls gute Argumente für chinesische Investoren, sich mit Unternehmen ‚Made in Austria‘ zu beschäftigen, heißt es: Österreich habe viele hochspezialisierte Hidden Champions, wirtschaftliche Stabilität und sei ein guter Hub für Zentraleuropa.

Größte Investments und größte Deals

Das meiste Geld floss 2018 nach Deutschland: Insgesamt 10,7 Milliarden US-Dollar haben chinesische Unternehmen in Deutschland investiert – ein Rückgang um fast ein Viertel (22%) gegenüber dem Vorjahr, als 13,7 Milliarden US-Dollar investiert wurden.

  • Der europaweit mit Abstand größte Deal war der Einstieg von Geely bei Daimler mit einem Volumen von geschätzt 8,9 Milliarden US-Dollar.
  • An zweiter Stelle folgt der – noch nicht abgeschlossene – Kauf des finnischen Sportausrüsters Amer Sports Oyj durch Anta Sports für 6,3 Milliarden US-Dollar.
  • Dahinter rangiert die Komplettübernahme des italienischen Mobilfunkbetreibers Wind Tre durch CK Hutchinson für 2,9 Milliarden US-Dollar.
  • Insgesamt wurden fünf Transaktionen mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar gezählt – im Vorjahr hatte es noch elf derartige Deals gegeben.

Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der gekauften europäischen Industrieunternehmen von 79 auf 39 etwa halbiert. Auch im High-Tech-Bereich ging die Transaktionsaktivität von 32 auf 22 Deals zurück. Gestiegen ist hingegen die Zahl der Transaktionen im Bereich Konsumgüter und Dienstleistungen: von 13 auf 27. Dazu zählen beispielsweise neben Schmuck- und Möbelherstellern etwa Sprachschulen – vor allem in Großbritannien.

„In China wächst eine kaufkräftige und konsumfreudige Mittelschicht heran – allerdings gibt es in der Volksrepublik derzeit noch kaum eine weltbekannte Marke im mittleren oder Luxus-Segment. Daher sind chinesische Investoren seit etwa drei Jahren immer stärker auch auf der Suche nach namhaften europäischen Konsumgüterproduzenten“, so Sun.

Auch im E-Commerce-Bereich gebe es großes Interesse vieler europäischer Marktteilnehmer an den Kompetenzen chinesischer E-Commerce-Player in den Bereichen künstliche Intelligenz und moderne Logistik. Auch hier dürfte es künftig mehr Transaktionen geben, so die EY-Spezialisten.

Rahmenbedingungen bremsen China-Investoren

Angesichts des zumindest bis 2016 stark steigenden Engagements chinesischer Unternehmen im High-Tech-Bereich wurde in vielen Ländern und gerade im für chinesische Investoren attraktivsten europäischen Land, Deutschland, vermehrt vor einem Ausverkauf von Spitzentechnologie gewarnt.

In Deutschland beschloss das Bundeskabinett vor diesem Hintergrund im Dezember 2018 eine Novelle der Außenwirtschaftsverordnung. Die Schwelle, ab der die Bundesregierung einen Anteilserwerb durch einen Investor aus dem Nicht-EU-Ausland prüfen kann, sinkt dadurch auf zehn Prozent, wenn es sich um sicherheitsrelevante Bereiche wie z. B. IT und Telekommunikation handelt.

Diese verschärften Regularien bremsen in Kombination mit strengeren Kontrollen für Übernahmen im Ausland durch chinesische Aufsichtsbehörden und aktuellen politischen Unsicherheiten momentan die Übernahmeaktivitäten chinesischer Investoren, so EY.

Wenn sich der chinesisch-amerikanische Handelskrieg beruhigt und die Konjunktur in China wieder anzieht, wird nach Einschätzung von Yi Sun auch die Investitionsbereitschaft chinesischer Unternehmen wieder wachsen – vorläufig sei aber mit einer anhaltend verhaltenen Transaktionstätigkeit zu rechnen.

Neue chinesische Investment-Einheiten

Mittelfristig bleiben Maschinenbauer und High-Tech-Unternehmen für chinesische Investoren freilich ebenso hoch attraktiv wie etwa Unternehmen aus den Bereichen Gesundheit und Medizintechnik. Seit einigen Jahren wachse zudem die Bedeutung chinesischer Private Equity- und Investmenthäuser, die im Ausland bereits US-Dollar oder Euro besitzen – ihre Rolle werde zukünftig noch wichtiger werden, erwartet Sun.

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