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Business, Recht, Steuer

Die Steuerreform: Was kommt und was fehlt

Wien. Die Regierung hat heute die Steuerreform präsentiert. Die Maßnahmen reichen von niedrigeren Steuersätzen bis zur Streichung der Sektsteuer. Doch einige angekündigte Bausteine fehlen, so Kritiker.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz Christian Strache, Finanzminister Hartwig Löger und Finanzstaatsekretär Hubert Fuchs haben heute die Eckpunkte der Steuerreform präsentiert. Sie wurde von der ÖVP-FPÖ-Regierung bereits seit längerer Zeit angekündigt, wenn auch mit schwankendem Volumen.

Geworden sind es nun laut Löger „8,3 Milliarden Euro Entlastung bis zum Jahr 2022“, wobei diese Entlastung in drei Schritten (2020, 2021, 2022) kommen soll. Nicht alles davon ist Zukunftsmusik: Bisher traten bereits der Familienbonus Plus, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und die Umsatzsteuer-Reduktion im Tourismus in Kraft.

Ab dem Jahr 2020 folgen nun in Etappen weitere Maßnahmen, die  Vorteile für Geringverdiener wie Unternehmen beinhalten, gewissen ökologischen Kriterien folgen und auch dem Mittelstand Freude machen werden, verspricht die Regierung. Rund 75 Prozent des Gesamtvolumens von „Entlastung Österreich“, wie die Steuerreform von der Regierung genannt wird, entfallen laut den Angaben auf die Entlastung des Faktors Arbeit. Ab 2022 werde die Belastung dieses Faktors jedes Jahr um fünf Milliarden Euro gesenkt. Man wolle vom Staat zum Bürger umverteilen, so Bundeskanzler Kurz.

Die Maßnahmen Schritt für Schritt

Ab dem Jahr 2020 werden die Krankenversicherungsbeiträge reduziert. 1,8 Millionen geringverdienende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, 1,8 Millionen Pensionistinnen und Pensionisten, 500.000 Selbstständige sowie Land- und Forstwirte werden durch diese Maßnahme im Gesamtausmaß von rund 900 Millionen Euro pro Jahr entlastet, verspricht die Regierung. „Damit profitieren vor allem jene Personen, die zwar Sozialversicherung, aber noch keine Einkommensteuer zahlen. Ein Arbeitnehmer erhält im Durchschnitt 280 Euro pro Jahr, ein Pensionist im Durchschnitt 170 Euro pro Jahr“, so Löger.

Eine weitere Maßnahme, die den Faktor Arbeit im Ausmaß von 3,9 Milliarden Euro pro Jahr entlasten soll, ist die Senkung der ersten drei Tarifstufen der Einkommensteuer. Die derzeit geltenden 25, 35 und 42 Prozent werden auf 20, 30 und 40 Prozent gesenkt. Davon profitieren besonders kleine und mittlere Einkommen“, so Finanzstaatssekretär Fuchs.

Eine weitere finanzielle, aber insbesondere auch vereinfachende Maßnahme für steuerzahlende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt die Erhöhung des Werbekostenpauschales dar. Das Werbungskostenpauschale, das bereits im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigt wird, wird von bisher 132 Euro auf 300 Euro pro Jahr ab 2021 erhöht. Damit ersparen sich zusätzlich rund 60.000 Personen zukünftig die Abgabe einer Arbeitnehmerveranlagung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden in der Höhe von rund 140 Millionen Euro pro Jahr entlastet. Gleichzeitig will das Finanzministerium damit bei sich selbst Verwaltungskosten abbauen können.

Niedrigere Steuern für Unternehmen

Das Kernstück der Vorteile für Unternehmen im Rahmen der Steuerreform bildet die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt). Während die nominellen Körperschaftssteuersätze in den vergangenen Jahren in vielen Nachbarländern gesenkt wurden, geht der derzeit in Österreich geltende Körperschaftssteuersatz von 25 Prozent auf das Jahr 2005 zurück. Daher werde die KöSt ab 2022 von 25 Prozent auf 23 Prozent gesenkt, 2023 dann auf 21 Prozent. Daraus ergebe sich für Unternehmen ab 2022 eine Entlastung im Ausmaß von rund 800 Millionen Euro und ab 2023 um 1,6 Milliarden Euro pro Jahr.

Viele weitere Maßnahmen sollen die Bürokratie abbauen und damit neben den Unternehmen auch dem Fiskus selbst beim Sparen helfen. Teils handelt es sich um seit Jahren geforderte Maßnahmen, teils wohl auch um eine gewisse Entrümpelung.

  • Konkret wird der Grundfreibetrag, der für einkommensteuerzahlende Unternehmen die Steuerbemessungsgrundlage senkt, bis 100.000 Euro erweitert (Entlastung: 100 Millionen Euro).
  • Ebenso wird die Grenze von geringwertigen Wirtschaftsgütern von 400 Euro auf 800 Euro im Jahr 2020 und im Jahr 2021 auf 1.000 Euro erhöht, wodurch es zu einer Erleichterung der Sofortabschreibung kommt (Entlastung 300 Millionen Euro).
  • „Entlastung Österreich“ werde darüber hinaus eine Begünstigung für Mitarbeitererfolgsbeteiligungen in Höhe von maximal 10 Prozent des Gewinns und jährlich bis zu 3.000 Euro pro Arbeitnehmer enthalten (Entlastung: 100 Millionen Euro).
  • Auch die Kleinunternehmergrenze, also jene Umsatzgrenze, ab der Umsatzsteuerpflicht besteht, wird von derzeit 30.000 auf 35.000 Euro erhöht. Zudem soll es für diese Unternehmen zukünftig auch eine einfache Pauschalierungsmöglichkeit im Bereich der Einkommensteuer geben (Entlastung: 75 Millionen Euro).
  • Gestrichen wird die Sektsteuer (Schaumweinsteuer), die bei mickrigem Steueraufkommen bloß für Wettbewerbsnachteile gegenüber Prosecco / Frizzante gesorgt hat, wie die Winzer kritisieren – allerdings erst 2022, was die Branche als „Provokation“ bezeichnet.
  • Bei Photovoltaikanlagen wird die ungeliebte Eigenstromsteuer ab 2020 gestrichen: Das ist eine Abgabe, die Betreiber von PV-Anlagen auf den von ihnen selbst erzeugten und verbrauchten Strom bezahlen müssen. Der Bundesverband Photovoltaic Austria lobt diese Maßnahme sehr, auch wenn es bisher bereits eine Freigrenze gab.
  • Nicht zuletzt wird die Forschungsprämie ausgeweitet, wobei allen voran Einzelunternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften profitieren sollen.

Interessante Reaktionen

Kommentatoren in den Medien sehen ein eher ausgewogenes Paket: Auch eine anders zusammengesetzte Koalition hätte diese Steuerreform beschließen können, heißt es etwa. Die Opposition reagiert freilich sehr kritisch. Für SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer ist das Paket „eine Mogelpackung“. Erstens erhalten Großkonzerne durch die KöSt-Senkung Steuergeschenke in Milliardenhöhe und zweitens handele es sich „bei der sogenannten Gegenfinanzierung um einen ungedeckten Scheck.“

Plakativ ist eine Rechnung, die die SPÖ anstellt: Sie zitiert zunächst die Regierung, wonach sich ein durchschnittlicher Arbeitnehmer nach dem Inkrafttreten der Steuerreform im Monat rund 80 Euro erspare. Um dann einen Vergleich mit dem Mehrheitseigentümer von KTM, Stefan Pierer zu ziehen: Der hat bekanntlich im Nationalratswahlkampf rund 440.000 Euro an die ÖVP gespendet. Nun bringe ihm die KöSt-Senkung eine Ersparnis von mehr als 150.000 Euro pro Monat. Betrachte man Pierers ÖVP-Spende als Investition, dann erwirtschafte sie „eine schöne Rendite“, so Krainer.

Auch Umweltverbände kritisieren das Paket: Es lasse „5 Milliarden Euro klimaschädlicher Subventionen unangetastet“, formuliert es der Umweltdachverband. Kritisch äußert sich auch der Städtebund, wo man höhere Kosten für die Gebietskörperschaften ortet, die aus rechtlicher Sicht dringliche Reform der Grundsteuer vermisst und schon jetzt anmelde, dass „die Verteilung der Ertragsanteile zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im nächsten Finanzausgleich neu verhandelt werden muss.“ Die Liste Jetzt wiederum vermisst das Thema Vermögensteuer.

Die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer begrüßt das  Steuerreformpaket vor allem in Hinblick auf die Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich im internationalen Steuerwettbewerb, so KSW-Präsident Klaus Hübner: Er lobt vor allem die KöSt-Senkung, die Erhöhung des Gewinnfreibetrages und dass die Steuerreform ohne neue Steuern finanziert werden soll. Wünschenswert wäre jedoch eine Senkung der Lohnnebenkosten im Interesse der Wirtschaft gewesen, so Hübner.

Was eindeutig fehlt

Politische Beobachter und auch die Opposition, etwa die Neos, erinnern übrigens an einen spannenden Aspekt: Zwei langdiskutierte Maßnahmen sind bei der Steuerreform herausgefallen, entgegen ursprünglicher Ankündigungen. So kommt weder eine generelle Vereinfachung des Steuersystems, noch wird die kalte Progression abgeschafft.

Stattdessen soll aber immerhin das durch unzählige Novellen unlesbar gewordene Einkommensteuergesetz aus dem Jahr 1988 zur Gänze neu geschrieben werden, verspricht die Regierung. Vielleicht lässt sich diese Liste ja noch verlängern, etwa um das nur ein paar Jahre jüngere Umsatzsteuergesetz.

Was die kalte Progression betrifft, so haben Politikwissenschafter (und / oder Spötter) schon bei der letzten Steuerreform an ein Faktum der politischen Realität erinnert: Durch die „kalte Progression“, d.h. die Auswirkungen der Inflation, rutschen immer mehr Österreicher bekanntlich über die Jahre in immer höhere Steuerklassen – weshalb es Tradition ist, alle 5 bis 10 Jahre an den Steuergesetzen zu schrauben.

Diese Reparatur wird von der jeweiligen Regierung Steuerreform genannt und ist, da eine Senkung, stets äußerst populär. Wohingegen die kalte Progression auf die Inflation zurückzuführen ist – für die es keinen direkt politisch Verantwortlichen gibt. Ein einziger Satz im Gesetz – nämlich dass die Steuerstufen jährlich um die Inflationsrate zu erhöhen sind – könnte theoretisch schon das Ende der kalten Progression bedeuten. Doch welche Regierung würde freiwillig auf all das verzichten?

Link: BMF

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