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Recht, Tools, Veranstaltung

Legal Tech punktet bei Steuern, Sozialrecht, Verträgen

Burkhard Schafer ©ISPA / APA-Fotoservice – Hörmandinger

Wien. Künstliche Intelligenz hat im Steuerrecht, Sozialrecht und Teilen des Vertragsrechts das größte Marktpotenzial, so Computational Legal Theory-Professor Burkhard Schafer.

Beim ISPA Summit 2019 in Wien legte Keynote Speaker Burkhard Schafer, Professor für Computational Legal Theory der Edinburgh Law School (Uni Edinburgh), seine Sicht der aktuellen Digitalisierungswelle dar. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Schau mal, wer da spricht? Sprachliche Zukunftsszenarien mit Künstlicher Intelligenz“. In sechs Vorträgen wurde das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

Die neuen Anwendungen

Schafer spricht sich dafür aus, dass die EU-Urheberrechte neu überdacht werden, damit europäische Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz erfolgreich sein können. Denn „nicht die strengen Datenschutzregeln, sondern das Urheberrecht in der EU erschwert den Erfolg der Künstlichen Intelligenz in Europa“, erörtert Schafer.

Bots mit juristischer Expertise

In seinem Vortrag stellt Schafer juristische KI-Tools vor, die zwar aussehen und sprechen wie Anwälte, aber keine sind und somit z. B. auch nicht der anwaltschaftlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. „Die Verbreitung von juristischen KI Tools wird nicht das Ende für das Recht oder für die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bedeuten – aber möglicherweise das Ende (oder die Reduzierung) der Anzahl von traditionellen Anwaltskanzleien. An ihre Stelle könnten datenreiche Online-Akteure treten, die eine ‚Plattformisierung von juristischen Dienstleistungen‘ vorantreiben“, sagt Schafer.

Er weist jedoch auch auf die rechtlichen, regulatorischen und ethischen Herausforderungen hin, die juristische Dienstleistungen durch automatische Bots mit Spracherkennung mit sich bringen. „Es muss sichergestellt werden, dass alle Menschen – jene, die Mehrheitssprachen sprechen genauso wie jene, die Minderheitensprachen und Dialekte sprechen, Menschen mit Sprachbehinderungen oder solche, die in einer höheren Tonlage sprechen als der ‚typische‘ Entwickler – gleichermaßen an dieser Transformation teilhaben können“, mahnt Schafer.

Steuern, Sozialrecht und Vertragsrecht als Bot-Domäne?

Das größte Marktpotential auf Sicht der nächsten Jahre haben in den Augen von Schafer Legal Tech-Tools in den Bereichen Steuerrecht, Sozialrecht und Teilen des Vertragsrechts. Je höher der Standardisierungsgrad und je klarer die Regeln zu formulieren seien, desto leichter tut sich nämlich die Künstliche Intelligenz. Deren Leistungsfähigkeit will Schafer keineswegs übertreiben – in wohltuendem Gegensatz zum derzeit mancherorts herrschenden Digitalisierungs-Hype.

Tatsächlich sei ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu den Anfangsjahren – als in den 1970ern und 1980ern erste bahnbrechende Arbeiten geschrieben wurden – vor allem das moderne, teilweise schon sprachgesteuerte Interface. Doch die Programmlogik unterscheide sich oft gar nicht so wesentlich von den Anfangszeiten.

Auch selbstlernende Algorithmen sind nicht unbedingt ein qualitativer Quantensprung, klingt im Vortrag des Professors manchmal deutliche Skepsis an. Denn erstens liege ihnen als Manko die – meist uneingestandene – Überzeugung zugrunde, dass sich die Zukunft durch Analyse der Vergangenheit (bzw. gegenwärtiger Ereignisse) vorhersagen lasse.

Und zweitens berge die Fortschreibung der Vergangenheit die Gefahr, dass ein „Bias“ der Entscheidungen fortgeschrieben wird – wie sich an aktuellen Diskussionen um AI-Tools und deren angebliche Vorurteile gegenüber Minderheiten bereits zeigt.

Die weiteren Vorträge

Bei der ISPA-Veranstaltung wurde das Thema KI bzw. Sprachsteuerung auch noch aus weiteren Blickwinkeln betrachtet. Dabei ging es nicht nur um Recht und Steuern, ist das Anwendungsspektrum doch groß.

  • Mic Hirschbrich, CEO von apollo.ai arbeitete in seinem Vortrag die unterschiedlichen Kulturen des Silicon Valley und in Europa heraus und hielt fest, dass „die größte Hürde, um in der vierten industriellen Revolution zu bestehen, die kulturelle Transformation ist.“ Am Podium eingeführt wurde Hirschbrich von ISPA-Präsident Harald Kapper – der dabei festhielt, dass Hirschbrich auch eine Art Digitalisierungs-Berater von ÖVP-Chef Sebastian Kurz sei (Ein Understatement: Er ist Vorstand der Politischen Akademie der ÖVP).
  • Alexander Wahler in seinem Unternehmen Onlim wiederum automatisiert durch den Einsatz von KI die Kommunikation seiner Kundinnen und Kunden. Bei ihm ging es vor allem um die notwendigen Qualitäten an der Kundenfront.  „Um eine Frage richtig beantworten zu können, muss ein Sprachassistent sie nicht nur verstehen, er muss auch die Antwort wissen. Und dieses Wissen, entsprechend modelliert für diese Kommunikationskanäle, ist der entscheidende Erfolgsfaktor für wirklich gute Konversationen zwischen Mensch und Maschine”, sagt Wahler.
  • Markus Gratzer sieht als Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung die Tourismusbranche als Profiteur der Digitalisierung: „Der Tourismus ist ein Informationsgeschäft und war immer Pionier bei der Anwendung neuer Technologien. Sprachassistenten bieten neue Möglichkeiten in der Kundenkommunikation und werden in den nächsten Jahren die Branche massiv verändern.“
  • Jaro Krieger-Lamina, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgen Abschätzung wirft kritische Fragen im Umgang mit digitalen Assistenten auf: „Wer kontrolliert wen? Sind es die Assistenten, die unseren Zugang zur digitalen Welt vermitteln oder sind es deren Betreiber, die unser Bild von der Welt bestimmen werden?“
  • „Für Medien birgt KI Potenzial – derzeit allerdings sind diese Lösungen noch nicht besonders klug. Und jedes Medienhaus ist gut beraten, sich die Zielsetzungen ganz genau zu überlegen“, meint Katharina Schell, Mitglied der APA Chefredaktion.
  • Michael Katzlberger, Geschäftsführer von Tunnel23, einer digitalen Werbeagentur, experimentiert mit KI und will nicht ausschließen, dass eine KI kreativ sein kann: „Über kreative Maschinen wird selten gesprochen, gelten doch Intuition und Kreativität als ureigenste menschliche Eigenschaften, die sich eine Künstliche Intelligenz angeblich nicht aneignen kann. Der Mensch hat es im Laufe der Geschichte geschafft, immer beeindruckendere Maschinen zu bauen. Es ist also nicht auszuschließen, dass unsere Schöpfung auch Kreativleistungen vollbringt.“

 

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