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Recht

Gesetzespaket: Härtere Strafen, neue Identität für Opfer

Parlament. Der Nationalrat hat das umstrittene Gesetzespaket zum Gewaltschutz  beschlossen. Justizminister Jabloner kritisiert die Jugend-Bestimmungen.

Der Nationalrat hat gestern trotz umfassender Kritik mehrheitlich das Gewaltschutzgesetz 2019 beschlossen, das ÖVP und FPÖ als gemeinsame Initiative eingebracht haben. Die vormaligen Koalitionspartner greifen ihrem gemeinsamen Gesetzesantrag zufolge damit Empfehlungen der Task Force Strafrecht auf, die von der früheren Regierung eingesetzt wurde.

Justizminister Clemens Jabloner sieht etwa die Gleichstellung in mehreren Delikten von Personen zwischen 18 und 21 Jahren mit Erwachsenen kritisch und bezeichnet sie als einen „zivilisatorischen Rückschritt“, so die Parlamentskorrespondenz.

Mit den vorgeschlagenen Regelungen im Sicherheitspolizeigesetz und in zahlreichen begleitenden Gesetzen sollen ÖVP und FPÖ zufolge Frauen und Kinder besser vor Gewalt geschützt und Straftaten vorgebeugt werden. Mitbeschlossen wurden auch ein umfangreicher Abänderungsantrag von ÖVP und FPÖ, etwa mit einer Entschärfung der Anzeigepflicht und einer Ausweitung des Annäherungsverbots von fünfzig auf hundert Meter.

Was jetzt kommen wird

Ein weiterer Abänderungsantrag der ÖVP mit Änderungen im Strafgesetzbuch zum Thema Hausfriedensbruch, der laut Erläuterungen in wesentlichen Teilen an einen seit 2002 vorliegenden Reformvorschlag anknüpft, blieb in der Minderheit.

Mit dem ÖVP-FPÖ-Gesetzesantrag soll jedenfalls eine Neustrukturierung des Betretungsverbots und eine weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten erfolgen. So soll künftig eine höhere Strafuntergrenze gelten, wenn besondere Gewalt ausgeübt wird oder eine Waffe im Spiel ist. Zudem sind Rückfallstäter zwingend höher zu bestrafen. Die Mindeststrafe für Vergewaltigung wird von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht und eine gänzlich bedingte Strafe ausgeschlossen. Bei fortgesetzter Gewaltausübung gegen Unmündige und Wehrlose drohen – statt zwischen sechs Monaten und fünf Jahren – ein Jahr bis zehn Jahre Haft. Für verurteilte Gewalttäter soll außerdem ein lebenslanges Berufsverbot in bestimmten Bereichen gelten, derzeit kann auch ein befristetes Tätigkeitsverbot verhängt werden.

Das Betretungsverbot umfasst nunmehr nicht nur konkrete Orte und Bereiche, sondern soll auch die Annäherung des Gefährders an die gefährdete Person unterbinden. Mit der Abänderung wurde für das Annäherungsverbot eine Grenze von 100 Metern – statt der ursprünglich beabsichtigten 50 Meter – festgelegt.

Verpflichtende Präventionsberatung für Gefährder

Um nach der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots eine rasche Beratung des Gefährders zur Deeskalation und Vorbeugung von Gewalttaten zu bewirken, sieht der Antrag eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung durch geeignete Gewaltpräventionszentren vor. Demnach hat sich der Gefährder binnen fünf Tagen nach der Anordnung des Verbots mit der Einrichtung in Verbindung zu setzen und einen Beratungstermin zu vereinbaren.

Vereinheitlicht wird die Melde- und Anzeigepflicht für Angehörige von Gesundheitsberufen wie ÄrztInnen, Pflegepersonal, PsychologInnen und PsychotherapeutInnen bei schwerwiegenden Gewaltdelikten. Zudem ist künftig laut Gesetzesantrag auch ein Verdacht auf Vergewaltigung zu melden. Allerdings kann eine Anzeige unterbleiben, wenn ein für die berufliche Tätigkeit notwendiges persönliches Vertrauensverhältnis untergraben werden könnte.

Gleiches gilt laut Abänderungsantrag auch, wenn eine Anzeige dem ausdrücklichen Willen des volljährigen Patienten bzw. der Patienten widerspricht. Voraussetzung ist, dass keine unmittelbare Gefahr für die betroffene oder eine andere Person besteht. Erleichtert wird auch der Informationsaustausch von ÄrztInnen untereinander.

Namensänderung und neue SV-Nummer für neue Identität

Im Paket enthalten ist weiters eine Änderung des Namensänderungsgesetzes und des ASVG. Gewaltopfer, die ihren Namen ändern wollen, sind künftig von Gebühren befreit und können im Bedarfsfall auch eine neue Sozialversicherungsnummer beantragen, um untertauchen zu können.

Für Stalker, die ihr Opfer länger als ein Jahr beharrlich verfolgen, sieht der Gesetzesantrag eine Erhöhung des Strafrahmens auf drei Jahre vor. Zudem kann künftig auch jemand bestraft werden, der in der Wohn- oder Arbeitsumgebung des Opfers Fotos (mit diffamierendem Text), etwa auf Hauswänden, Litfaßsäulen oder Autos, anbringt.

Auch als Reaktion auf den Mordfall am Wiener Brunnenmarkt soll schließlich eine Rechtsgrundlage für die Einberufung von sogenannten sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen geschaffen werden. Ziel ist es demnach, bei „High-Risk-Fällen“ unter der Leitung der Sicherheitsbehörde gemeinsam mit den erforderlichen Akteuren besondere Schutzmaßnahmen für gefährdete Personen möglichst effizient aufeinander abzustimmen.

Eine ergänzend vorgenommene Änderung des Strafgesetzbuchs zielt auf einen besseren Schutz von Krankenhauspersonal, SanitäterInnen und Organen von Feuerwehren ab: Für tätliche Angriffe gegen diesen Personenkreis bzw. zugefügte Körperverletzungen gelten künftig – wie jetzt schon für LenkerInnen öffentlicher Verkehrsmittel – besondere Strafbestimmungen. Weitere Punkte des Abänderungsantrags betreffen die Verjährung von Schadenersatzansprüchen und die Gebührenbefreiung von Anzeigeabschriften.

Jabloner ortet teilweise Rückschritt

Nicht nur SPÖ, Neos und Jetzt äußerten umfassende Kritik an dem Gesetzespaket. Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner sieht darin zwar auch Fortschritte, etwa im Bereich der Betretungsverbote und im Hinblick auf Fallkonferenzen. Er sei auch dankbar dafür, dass in der Abänderung technische Änderungen aufgegriffen wurden – im zivil- und exekutionsrechtlichen Bereich seien Vorschläge seines Hauses berücksichtigt worden.

Was das Strafrecht betrifft, bereite es ihm allerdings Sorgen, dass faktisch die gesamte Fachwelt die Verschärfungen ablehne. Das Paket sei auch nicht einmal im Justizausschuss diskutiert worden. Jabloner verwies außerdem auf die Bedenken im Hinblick auf die ohnehin schon belastete Justiz. Hinsichtlich Jugendgerichtsbarkeit sieht er die Gleichstellung in mehreren Delikten von Personen zwischen 18 und 21 Jahren mit Erwachsenen kritisch und sprach von einem „zivilisatorischen Rückschritt“.

 

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