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Recht

Glawischnig gewinnt gegen Facebook: Aufruf zu „Besonnenheit“

Wien. Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig hat sich vor dem EuGH durchgesetzt, Facebook muss beleidigende Postings weltweit löschen. Österreichs Internetprovider warnen vor „Jurisdiktions-Imperialismus“.

Der Hintergrund

Eva Glawischnig, Nationalratsabgeordnete und Bundessprecherin der Grünen, hatte Facebook Irland vor den österreichischen Gerichten verklagt. Sie beantragte, dass Facebook aufgetragen wird, einen von einem Nutzer dieses sozialen Netzwerks veröffentlichten Kommentar, der sie in ihrer Ehre beleidigte, sowie wort- und/oder sinngleiche Behauptungen zu löschen.

Dabei ging es nicht nur um Österreich, sondern um die gesamte internationale Präsenz des Social-Media-Riesen. Vor diesem Hintergrund ersuchte der Oberste Gerichtshof Österreichs den EuGH um Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Rechtssache C-18/18).

Der EuGH hat Glawischnig nun Recht gegeben, auch wenn er die Prüf- und Löschpflicht von Facebook gewissen Beschränkungen unterwirft.

  • Das Unionsrecht verwehrt es laut EuGH nicht, dass einem Hosting-Anbieter wie Facebook aufgegeben wird, mit einem zuvor für rechtswidrig erklärten Kommentar wortgleiche und unter bestimmten Umständen auch sinngleiche Kommentare zu entfernen, hält das Europagericht in seiner Entscheidung fest.
  • Das Unionsrecht verwehre es auch nicht, dass eine solche Verfügung im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts, dessen Berücksichtigung Sache der Mitgliedstaaten ist, weltweit Wirkungen erzeugt.

Mitgliedsstaat Österreich ist am Zug

Zuständig für die Durchsetzung dieser Pflicht sind die Mitgliedsstaaten, im konkreten Fall Österreich. Facebook zeigt sich in einer öffentlichen Stellungnahme mit dem EuGH sehr unzufrieden, die Entscheidung werfe „kritische Fragen auf“, heißt es.

Auch Bürgerrechtsbewegungen melden Bedenken an: Die Entscheidung dürfe nicht dazu führen, dass totalitäre Staaten nationale Verbote auf ähnliche Weise nun international durchsetzen könnten, heißt es. Glawischnigs Anwältin Maria Windhager sieht dagegen einen „Meilenstein im Kampf gegen Hass im Netz“.

Internet-Provider raten zu „Besonnenheit“

Die Entscheidung des EuGH bedeutet anders als oft kolportiert keine weltweite Löschpflicht, sondern hält lediglich fest, dass das EU-Recht einer solchen nicht entgegensteht, betont Österreichs Internetprovider-Verband ISPA: „Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat in seinem weiteren Vorgehen nun jedenfalls die globalen Dimensionen seiner Entscheidung zu bedenken“, so deren Generalsekretär Maximilian Schubert.

Wörtlich rät Schubert in einer Aussendung zu „Besonnenheit“: In Bezug auf die weltweite Anwendbarkeit österreichischen Rechts habe man „große Bedenken. Wenn sämtliche Inhalte im Netz gelöscht werden, die gegen irgendeine Rechtsnorm in irgendeinem Staat weltweit verstoßen, wäre das Internet wohl bald ein leerer und monotoner Raum.“

Wenn ein gegen nationales Recht verstoßender Inhalt auf der ganzen Welt gelöscht werden muss und diese Möglichkeit beispielsweise auch für China, den Iran oder Russland bestehe, dann sei leicht abzusehen, welche Folgen dieser „Jurisdiktionsimperialismus“ auf die Freiheit im Internet haben würde, mahnt Schubert.

Was bedeutet das Urteil für Facebook und andere Plattformen?

  • Das europäische Höchstgericht halte fest, dass einem Betreiber einer Online-Plattform im Rahmen einer gerichtlichen Verfügung auferlegt werden kann, wortgleiche Postings zu identifizieren und zu entfernen.
  • Dies gilt auch für sinngleiche Postings, sofern diese keine autonome Beurteilung durch die Plattform erfordern und anhand der Informationen in der gerichtlichen Verfügung mittels automatisierter Technologien ermittelt werden können.

De facto bedeutet dies in den Augen der ISPA jedoch, dass sämtliche Inhalte nach bestimmten Kriterien automatisiert durchsucht werden müssen. „Von einer verhältnismäßigen Lösung kann hier im Gegensatz zu den Schlussanträgen des Generalanwalts im Juni keine Rede mehr sein“, so Schubert.

Private Überwachung statt staatlicher Kontrolle

Die Umsetzung der zielgerichteten Überwachungspflicht nach inhalts- bzw. sinngleichen Postings erfordert, wie auch vom Gericht bewusst vorgesehen, automatisierte Überwachungstechnologien, die in ähnlicher Weise bereits in der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie angedacht wurden. „Als Gesellschaft müssen wir uns überlegen, ob wir in Zukunft ausschließlich ein vorab durch private Unternehmen gefiltertes Internet haben möchten“, kritisiert Schubert.

Die ISPA fordert stattdessen, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um die Rechtsdurchsetzung im Internet schneller, effizienter und für alle Beteiligten nachvollziehbar zu gestalten. Die zuständigen Behörden müssten hinreichend ausgestattet, die Exekutive umfassend trainiert werden und die immer wieder diskutierte Schaffung einer spezialisierten Staatsanwaltschaft sei endlich umzusetzen.

Man fordere außerdem eine im Innenministerium angesiedelte zentrale Stelle für Anfragen an Plattformen, um Beweismaterial bestmöglich zu sichern. Staaten wie etwa die Niederlande, in denen solche Maßnahmen bereits umgesetzt sind, hätten deutlich mehr Erfolg beim Kampf gegen illegale Inhalte und Hass im Netz, heißt es.

Link: EuGH (Aussendung)

 

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