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Business, Recht

Interview: Bonitäts-Daten als DSGVO-Baustelle

Gerhard M. Weinhofer ©Alexandra Wehsner / Creditreform

Wien. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bereitet den Kreditauskunfteien Kopfzerbrechen, sagt Creditreform-Manager Gerhard Weinhofer im Interview – etwa in Sachen Löschfristen.

Weinhofer, Mitglied der Geschäftsleitung von Creditreform Österreich, schildert im Gespräch mit Extrajournal.Net die Trends bei den Insolvenzen, die Auswirkungen der sich eintrübenden Konjunktur – und seine Erfahrungen nach rund einem Jahr Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Extrajournal.Net: Die Creditreform erwartet laut jüngster Prognose in der nächsten Zeit eine leichte Zunahme bei den Firmeninsolvenzen. Wird es auch bei den Privatpersonen Zuwächse geben?

Gerald Weinhofer: Bei den Firmeninsolvenzen wird es in diesem Jahr ähnlich viele Insolvenzen wie im Vorjahr geben. Allerdings rechne ich mit einer Trendumkehr 2020, mit wieder steigenden Insolvenzen, da sich aufgrund der weltweiten Unsicherheiten (Stichworte: Handelsstreit, Brexit, Iran) die Konjunktur eintrüben wird.

Die Privatinsolvenzen werden hingegen weiter zurückgehen. Eine Änderung wird dann eintreten, wenn durch die Umsetzung der EU-RL über Restrukturierung und Insolvenz (2019/1023) eine Restschuldbefreiung schon in drei statt wie bisher in fünf Jahren möglich sein wird.

Welche internationalen Trends zeichnen sich ab?

In Deutschland als wichtigsten Handelspartner Österreichs wird sich die Konjunktur stärker abschwächen als bei uns. Österreich hilft das stärkere Engagement in CEE und der gutlaufende Binnenkonsum. Erfreulich ist auch, dass die heimischen Unternehmen seit der Finanzkrise 2007 kontinuierlich ihre Eigenkapital aufgebaut haben und heute 39% der Unternehmen über einen Eigenkapitalquote von mehr als 30% verfügen. Dieser „Fettpolster“ macht krisenresistent.

Etwas besorgniserregend ist, dass die Niedrigzinspolitik auch unter der neuen EZB-Gouverneurin Lagarde fortgesetzt werden wird. Das bedeutet aber, dass es währungstechnisch keinen Spielraum mehr gibt, einer allenfalls eintretenden Rezession entgegenzuwirken. Als Damoklesschwert schwebt darüber hinaus die Schuldenpolitik Italiens. Zusammenfassend kann man sagen, dass aufgrund der internationalen Entwicklungen die Zeiten sehr volatil sind und Unternehmen daher sehr vorsichtig in ihrem Risikomanagement sein sollen.

Seit letztem Jahr haben Gläubigerschützer und Kreditauskunfteien mit neuen Spielregeln zu tun, nämlich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Wie kommt die Branche damit zurecht, steigt die Zahl der Beschwerden?

Die Beschwerden sind zur Zeit überschaubar. Die Daten von Unternehmen, die in öffentlichen Registern sind, sind ohnedies nicht von der DSGVO umfasst. Es wird nichts so heiß gegessen wie gekocht.

Tatsächlich ist es so, dass Österreich im europäischen Vergleich seit Jahren dem Thema Datenschutz und den damit in Verbindung stehenden Grundrechten besonders hohe Bedeutung zugemessen hat. So gesehen konnte die Branche der Kreditauskunfteien bei der Umsetzung der DSGVO auf ein bestehendes Know-how in diesem Bereich zurückgreifen. Unverändert gegenüber der früheren, nationalen Gesetzgebung ist, dass die Bonitätsdaten auch weiterhin keine besonders schützenswerte Datenkategorie iSd Artikel 9 DSGVO darstellen.

Für die Kreditauskunfteien wirtschaftlich beschwerend sind die mit der DSGVO in Verbindung stehenden Verpflichtungen zur Dokumentation der Datenverarbeitung und die erheblich erweiterten  Informationsrechte der betroffenen Personen. Mit den damit in Zusammenhang stehenden Kosten sieht sich allerdings ein erheblicher Teil der österreichischen Wirtschaft ebenfalls konfrontiert.

Ein weiterer Aspekt sind die geltenden Löschungsverpflichtungen der Kreditauskunfteien gegenüber Betroffenen. Erfahrungsgemäß werden diese vor allem von jenen Personen exzessiv genutzt, die bereits überschuldet oder insolvent sind oder waren. Es ist für die Kreditauskunfteien schwerer geworden, ihrer Aufgabe nachzukommen – nämlich bereits verschuldete Personen vor Überschuldung zu schützen und Forderungsausfälle bei der Waren- und Geldkredite gebenden Wirtschaft zu vermeiden.

Dieser nachteilige Effekt ist übrigens auch für Verbraucher nachvollziehbar, sind sie doch selbst oft Kreditgeber, z.B. wenn sie als Häuslbauer gegenüber Baufirmen Vorauszahlungen leisten.

„Unklarheiten bei Löschfristen“

Ein zusätzlicher Faktor ist die derzeit noch fehlende Judikatur auf EU-Ebene, die entscheidend zur Rechtssicherheit auf Seiten der Betroffenen, aber auch der Kreditauskunfteien beitragen würde. Als Beispiel dafür seien die Löschfristen für Eintragungen unterschiedlicher Bonitätsmerkmale (Insolvenz, Inkasso, etc.) genannt. Die DSGVO nennt dazu keinerlei Fristen, stellt auf eine Einzelfallentscheidung (Interessensabwägung) im jeweiligen Fall ab. Dies wiederum ist in einem hoch automatisierten Geschäftsfeld in der Praxis schwer umsetzbar.

Einige Mitbewerber haben jetzt Produkte eingeführt, bei denen sich Privatpersonen ihren eigenen Bonitätsnachweis besorgen können, z.B. zur Vorlage bei einem Vermieter. Wie bewährt sich dieser Ansatz in ihren Augen? Gibt es mehr Interesse von Privatpersonen, die über sie gespeicherten Daten zu sehen?

Ich bitte um Verständnis, dass ich Produkte des Mitbewerbs nicht kommentiere. Was das Interesse betrifft: Der Zugang zu Daten hat sich im Zeitraum seit Einführung der DSGVO verändert. Während öffentliche Stellen vermehrt Ihre Datenarchive der Öffentlichkeit zugänglich machen, ist in der Privatwirtschaft ein umgekehrter Effekt bemerkbar. Aus Unsicherheit und Furcht vor dem Strafausmaßen der DSGVO (Artikel 83) werden Informationen zurückgehalten – selbst dann wenn diese Daten nicht den Bestimmungen der DSGVO unterworfen sind, weil sie z.B. juristische Personen und nicht natürliche Personen betreffen.

Positiv anzumerken ist, dass in Österreich bisher die von vielen Experten befürchtete Flut ans Abmahnschreiben und zivilgerichtlichen Verfahren (Schadenersatz, Unterlassung) nicht eingetroffen ist.

Wir stellen unseren Kunden für deren Risikomanagement ausschließlich eine B2B-Datenbank mit rund 400.000 österreichischen Unternehmen und an die 88 Mio. internationale Unternehmensdaten zur Verfügung.

Mag. Gerhard M. Weinhofer ist Mitglied der Geschäftsleitung von Creditreform Wirtschaftsauskunftei Kubicki KG.

Link: Creditreform

 

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