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Business, Recht

Interview: Anwaltsnetzwerk ECDA und die Kartellsünder

Christian Held ©Nanna Heitmann

Wettbewerb. Das Anwaltsnetzwerk ECDA macht europaweit Jagd auf Kartellsünder. Im Interview schildern ECDA-Vorsitzender Prof. Christian Held (Kanzlei Becker Büttner Held, BBH) und Österreich-Repräsentantin Angela Heffermann die Ziele.

Extrajournal.Net: Sie haben im Dezember den Start des Anwaltsnetzwerks European Cartel Damage Alliance e.V. (ECDA) angekündigt. Es soll die Jagd auf Kartellsünder europaweit bündeln, BBH spielt dabei eine tragende Rolle. Wie genau kann die ECDA Mandanten vor den Auswirkungen von Kartellen schützen?

Christian Held: In der Energiewirtschaft, in der BBH maßgeblicher Berater ist, hat das Kartellrecht schon immer eine hohe Sprengkraft gehabt. Man denke an das Aufbrechen der Gebietsmonopole, die Preishöhenkontrolle oder die Beendigung des Viereroligopols im Erzeugungsbereich. Im Wettbewerb sind die Unternehmen Jäger und Gejagte gleichermaßen und oft in wechselnden Rollen.

Die wichtige wettbewerbliche Balance zu schützen oder wiederherzustellen, daran wirken BBH und die Kanzleien des ECDA Netzwerkes bereits seit vielen Jahren mit. Insbesondere im Bereich der Schadensersatzforderungen gegen internationale Kartelle erweist sich jedoch eine rein nationale Perspektive als zu eng. Die European Cartel Damage Alliance e.V. (ECDA) dient daher europaweit der Zusammenarbeit im Kartellrechtsbereich. Die Mitglieder sind renommierte Kanzleien mit Kartellrechtsschwerpunkt und entscheiden sich von Fall zu Fall für eine Zusammenarbeit. So können sie nicht nur die Kenntnisse über die Märkte und das Rechtsystem der betroffenen Mitgliedsländer zusammenführen, die Mandanten gewinnen durch unser Netzwerk auch einen vertrauensvollen Ansprechpartner vor Ort. Zur Stärkung der Verhandlungsmacht können Ansprüche geschädigter Unternehmen grenzüberschreitend effizienter gebündelt werden, was insbesondere für den Mittelstand besonders wichtig ist.

Die Entscheidung des Landgerichts München I aus Februar dieses Jahres, mit der die bislang größte LKW-Kartellschadensersatzklage zumindest in erster Instanz abgewiesen wurde, wird daran nichts ändern. Sie betrifft das „Wie“ der Anspruchsbündelung. Unser Ansatz ist anders. Schließlich ergibt sich – wenn ein gerichtliches Vorgehen unvermeidbar wird – bei höheren Streitwerten auch die Option der Prozessfinanzierung, die sogar ein Klagen ohne Kostenrisiko ermöglichen kann. Wir haben mit der FORIS AG dauerhaft einen kompetenten und seriösen Kooperationspartner gefunden, der für individuelle Lösungen in der Prozessfinanzierung bereitsteht und sich mit viel Engagement in die Fälle einbringt.

Wie sieht die Reaktion von Anwälten und Klienten auf die ECDA-Gründung aus? Gibt es schon Themen, wo die ECDA möglicherweise in naher Zukunft tätig werden wird, oder ist sogar schon etwas anhängig?

Held: Wir haben aus Fachkreisen und von Mandanten viel positiven Zuspruch erfahren. Gefreut haben wir uns besonders über das große Interesse der anderen europäischen Kanzleien, die bereits bestehende erfolgreiche Zusammenarbeit im Energierecht auf das Kartellrecht zu auszuweiten und damit gemeinsam einen neuen Schritt zugehen. Viele unserer Experten werden direkt aus dem Mandantenkreis auf die ECDA angesprochen. Denn auch wenn das Kartellschadensrecht seit einigen Jahren durch den EU-Gesetzgeber und die Mitgliedstaaten stark zu Gunsten der Geschädigten gefördert wurde, ist der Bereich für die meisten noch immer Neuland.

Unser vorrangiges Ziel in der ECDA ist stets eine Vergleichslösung, die den Streit effizient beendet. Das Recht auf Kompensation muss nicht zur Überforderung des Kartellanten führen. Aktuell arbeiten fast alle Mitglieder der ECDA im Hochspannungskabelkartellfall zusammen. Hierbei kommt unsere energiewirtschaftliche Expertise voll zum Einsatz, die insbesondere bei der Schadensbemessung relevant ist. Auch die Bankenkartelle und das Kondensatorenkartell sind Fälle, die die Mitglieder voraussichtlich bald beschäftigen werden. Schließlich beobachten wir auch die kartellbehördlichen Ermittlungen bei Metallverpackungen und im Pharmabereich.

Wie soll sich die ECDA fortentwickeln, suchen Sie weitere Mitglieder?

Held: Bereits seit ihrer Gründung ist die ECDA in den meisten Mitgliedsländern der EU und im EWR vertreten. Einige Kanzleien waren bereits Mitglied in der Schwesterorganisation AEEC (Associated European Energy Consultants e.V.), es handelt sich um die Kanzleien Horten (Dänemark), MStR Law (Griechenland), Prica & Partners (Serbien), Sattler & Schanda (Österreich), Ràtky & Partners (Ungarn), Shakespeare Martineau (Großbritannien), Staiger Law (Schweiz), Sigeman & Co (Schweden), PG Legal (Italien) und Jadek & Pensa (Slowenien).

Andere Partner sind neu hinzugekommen. Wir freuen uns über die Kooperation mit unseren neuen Mitgliedern aus Frankreich (De Gaulle Fleurance & Associés), Polen (Kochanski & Partners), Tschechien (Nedelka Kubáč) und Nord-Mazedonien (Apostolka Aleksandrovski & Partners). Wir stehen derzeit mit Kanzleien aus anderen Ländern in Kontakt, die an einer Mitgliedschaft in der ECDA interessiert sind. Wir suchen jedoch noch neue Mitglieder insbesondere in Spanien, Portugal und in den Niederlanden die an einer europaweiten Zusammenarbeit interessiert sind.

Die Vielfalt und das Fachwissen unserer europäischen Partner ist ein Gewinn, denn die Stärke der ECDA ist die Präsenz vor Ort, die Erfahrung und langjährige vertrauensvolle Kundenbeziehungen. Damit können wir einen umfassenden Service in ganz Europa anbieten.

Österreichisches Mitglied der ECDA ist die Wiener Kanzlei Sattler & Schanda Rechtsanwälte. Was erwarten Sie sich von der ECDA und welche Anforderungen stellt umgekehrt das Netzwerk an eine österreichische Kanzlei?

Angela Heffermann: Die Kanzlei Sattler & Schanda ist bereits seit dem Jahr 2001 die Österreich-Repräsentanz der deutschen Energierechtskanzlei Becker Büttner Held (BBH) und die österreichische Vertreterin in der AEEC, einer Vereinigung von Energierechtskanzleien (Associated European Energy Consultants). Bereits aus dieser langjährigen Verbindung zu BBH, aber auch zu den übrigen Mitgliedern der AEEC haben wir gelernt, wie wichtig die europaweite Verflechtung und der gegenseitige Austausch mit Kollegen aus anderen Ländern ist. Rechtsfragen in Bereichen, welche sehr stark europarechtlich determiniert sind, wie etwa auch das Energierecht, können schon lange nicht mehr ohne Blick über die Grenze gelöst werden.

Angela Heffermann ©Benedikt Loebell

Dasselbe trifft auf das Kartellrecht zu: Auch Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht weisen sehr häufig einen grenzüberschreitenden Bezug auf. Dazu kommt, dass Schadenersatzklagen gegen Zuwiderhandlungen gegen nationales oder europäisches Wettbewerbsrecht in der Regel eine sehr komplexe Analyse der zugrundeliegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordert.

Insofern tut sich der Einzelne, der sein Recht auf Schadenersatz geltend machen will, in der Regel schwer, dieses Recht auch gerichtlich durchzusetzen. In der ECDA sehen wir nun die große Chance, dass hier Informationen und Leistungen gebündelt werden, sodass auch der einzelne Geschädigte aus Österreich leicht und kostengünstig zu seinem Recht kommt.

Die ECDA arbeitet beispielsweise auch mit einem Prozessfinanzierer zusammen, der den einzelnen Geschädigten durchaus auch das Kostenrisiko einer Klage gegen einen übermächtigen Gegner abnehmen kann. Durch die Mitgliedschaft unserer Kanzlei bei der ECDA ist somit gewährleistet, dass diese Synergieeffekte auch für Geschädigte in Österreich nutzbar gemacht werden können.

Das Netzwerk ECDA darf erwarten, dass auch mit uns Österreichern ein entsprechender Gedanken- und Informationsaustausch stattfindet und wir eine gut funktionierende Schnittstelle zu den Geschädigten in Österreich darstellen.

Welche Kanzleimitglieder arbeiten konkret bei ECDA-Fällen mit?

Heffermann: Für ECDA-Fälle bin ich derzeit die richtige Ansprechperson, sowohl für die übrigen Mitglieder der ECDA als auch für die Mandanten. Je nach Arbeitsaufwand werden auch noch andere Mitarbeiter unserer Kanzlei zugezogen, um sämtliche Anfragen zufriedenstellend bearbeiten zu können.

Welche Kartellrechtsthemen bzw. Branchen könnten speziell aus österreichischer Sicht ein Fall für die ECDA werden?

Heffermann: Ganz grundsätzlich können Kartelle in allen Branchen stattfinden, so dass diese Frage nicht beantwortet werden kann. Sieht man sich die nationalen Geldbußenentscheidungen der Bundeswettbewerbsbehörde an, so stößt man zum Beispiel auf den Lebensmittelhandel, Brauereien, den Bau- oder Dämmstoffstoffhandel, Speditionen oder etwa auch die Elektronik-Branche. Eine Prognose für die Zukunft kann freilich nicht abgegeben werden.

Üblicherweise treten Kartelle gerade dort auf, wo man sie am wenigsten vermutet hätte. Über den Kartellrechts-Radar der ECDA sind wir aber jedenfalls frühzeitig über europäische Sachverhalte informiert und werden auch die betroffenen Unternehmen in Österreich über Ihre möglichen Ansprüche informieren.

Link: ECDA

 

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