Wien. Scheidungskinder dürfen trotz Corona-Krise weiterhin den nicht betreuenden Elternteil besuchen: Das hat die Regierung klargestellt. Es stellen sich aber noch weitere Rechtsfragen, so die Kanzlei Gärner Perl.
Vergangene Woche sorgte das Justizministerium für ein Aufhorchen, als es mitteilte, dass Kinder den nicht betreuenden Elternteil weder besuchen noch von diesem besucht werden dürfen. Nun wurde diese Position revidiert: Kinder dürfen zu jenem Elternteil gebracht werden, bei dem sie nicht oder nicht hauptsächlich wohnen, weil das unter die Ausnahmebestimmung für die Betreuung und Hilfestellung von unterstützungsbedürftigen Personen falle.
„Wir halten das für eine sinnvolle Lösung, die wichtig ist, um gerade auch in dieser schwierigen Zeit nicht noch weitere Konfliktfelder zu eröffnen. Kinder sollen weiterhin ihren anderen Elternteil sehen dürfen, wenn dies in ihrem Interesse und dem der Beteiligten gelegen ist“, so Rechtsanwältin Susanna Perl von der Wiener Kanzlei Gärner Perl.
Streitigkeiten bei Verstößen gegen Isolation
Neben der bisherigen Verunsicherung über das Besuchsrecht von Scheidungskindern ergeben sich auch andere rechtliche Fragestellungen rund um die derzeitigen Isolationsmaßnahmen. So etwa, wenn ein Elternteil das gemeinsame Kind mit anderen Personen in Kontakt bringt. „Im Einzelfall wird es möglich sein, das Kontaktrecht gerichtlich aussetzen zu lassen, wenn durch das Verhalten des anderen Elternteils das Kindeswohl gefährdet wird“, so Perl.
Umgekehrt gelte das aber auch für den Domizilelternteil: Wenn der sich nicht an die Isolationsmaßnahmen hält, könne der andere Elternteil einen Antrag auf Übertragung des hauptsächlichen Aufenthalts des Kindes bei ihm stellen. „Die Schwierigkeit dabei ist natürlich der Nachweis eines solchen Verstoßes“, so Perl.
Kündigung und Unterhalt
Sollte ein Unterhaltspflichtiger von Kündigung oder Kurzarbeit betroffen sein, sei die Herabsetzung der vereinbarten Unterhaltsbeiträge ein gangbarer Weg. In jedem Fall müsse das aber individuell geprüft werden, so Perl. Der Betroffene stellt dafür einen Antrag beim zuständigen Bezirksgericht.
„Solange nicht gerichtlich über die neu zu schuldenden Beträge entschieden wurde, müssen aber die bisher festgesetzten Beträge weiter geleistet werden. Sonst droht die Exekution“, so Perl. Allerdings empfiehlt sie ihren Mandaten diese Beträge „Unter Vorbehalt der Rückforderung“ zu leisten, das also in der Widmung der Überweisung dazuzuschreiben.
Sinnvoll sei es in ihren Augen auch, den anderen Elternteil, zu dessen Handen die Unterhaltsbeträge zu leisten sind, schriftlich zu informieren, dass sich aufgrund der Kündigung das Gehalt und damit die Unterhaltspflicht ändern werden.
Weiterhin Hilfe bei häuslicher Gewalt
Häusliche Gewalt und die Wegweisung von gewalttätigen Familienmitgliedern werden laut Perl auch in der Coronakrise rechtlich wie bisher gehandhabt. „Selbstverständlich kann ein Gewalttäter aus der Wohnung weggewiesen werden. Wo dieser für die Dauer der Wegweisung unterkommt, ist sein Problem“, so Perl.