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Recht

So fährt die Justiz jetzt wieder hoch

Wien. Nicht nur das öffentliche Leben, auch die Justiz soll schrittweise wieder hochgefahren werden. Digitale Tools gewinnen dabei an Bedeutung.

Schon bald wird es wieder möglich sein, auch nicht dringende Verhandlungen im Bereich des Zivilprozessrechts, unter entsprechenden Schutzvorkehrungen, durchzuführen, berichtet die Parlamentskorrespondenz: Die gesetzliche Grundlage dafür bietet das 8. Covid-19-Gesetz, das jetzt vom Justizausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos gebilligt wurde.

Die Novelle regelt vor allem den Einsatz von Videotechnologie auch bei Zivilprozessen, zudem sind eine Verlängerung des erleichterten Zugangs zum Unterhaltsvorschuss bis Ende Juni und Erleichterungen für große Vereine vorgesehen.

Mit dem 15. Covid-19-Gesetz werden darüber hinaus Regelungen betreffend die Selbstablesung von Heizkostenverteilern getroffen. Ein FPÖ-Antrag, der darauf abzielt, Haftprüfungsverhandlungen dauerhaft per Video durchzuführen, wenn sich an der Personalsituation in der Justiz nichts ändert, wurde vertagt.

Möglichkeit der Einvernahme durch Video wird erweitert

Vor allem bei Zivilprozessen ist es durch die geltenden Einschränkungen für Gerichtsverfahren zu einem Rückstau gekommen. Dieser soll nun durch das schrittweise Hochfahren des Justizbetriebs sukzessive wieder abgebaut werden. Allerdings mangelt es an großen Verhandlungssälen, daher sieht eine Novelle zum ersten Covid-19-Begleitgesetz die Möglichkeit vor, auch die verpflichtenden mündlichen Verhandlungen bei Zivilprozessen per Videotechnologie durchzuführen.

Voraussetzung ist, dass die Verfahrensparteien zustimmen und die nötige Ausstattung haben, wobei sie laut Erläuterungen nicht dazu verpflichtet sind, diese anzuschaffen. Auch technische Störungen werden den Verfahrensbeteiligten nicht angelastet.

Außerdem wird es möglich sein, die Zahl der Personen im Verhandlungsraum durch Zuschaltungen aus anderen Räumen im selben Gerichtsgebäude zu minimieren. Auch die Video-Befragung von Zeugen, Sachverständigen, DolmetscherInnen und anderen Beteiligten wird mit der Novelle gestattet.

Die Regelung, dass Unterhaltsvorschüsse auch dann zu gewähren sind, wenn zuvor kein entsprechender Exekutionsantrag des Kindes bei Gericht gestellt wurde, wird bis Ende Juni verlängert. Im Vereinsrecht wird die Frist für Mitgliederversammlungen erstreckt: Große Vereine können ihre Versammlungen, welche üblicherweise alle fünf Jahre anzusetzen sind, bis Ende 2021 verschieben. Auch die Frist für den Nachweis für Weiterbildungsmaßnahmen von Zivilrechts-MediatorInnen wird verlängert.

Zustimmung und Kritik am Gesetzespaket

Zustimmung erhielt das Gesetzespaket neben den Koalitionsparteien von SPÖ und Neos. Es mache Sinn, auch Zivilverfahren vorübergehend per Videotechnologie durchzuführen, sagte Johannes Margreiter (Neos). Man habe eine praktikable Lösung gefunden. Wichtig ist ihm, dass derartige Verfahren nur mit Zustimmung der Verfahrensparteien möglich sind.

Der FPÖ geht der Antrag hingegen zu weit, wie Harald Stefan erklärte. Er sieht die Ermöglichung audiovisueller Verfahren mehr als Sparmaßnahme als aus Gründen des Gesundheitsschutzes geboten. Schließlich gebe es in den meisten Gerichtssälen genug Platz. Positiv bewertete er die Möglichkeit der Verschiebung von Vereinsversammlungen.

Seitens der Regierung wies Justizministerin Alma Zadić darauf hin, dass es vor allem bei Zivilprozessen in den vergangenen Wochen zu einem enormen Rückstau gekommen sei. Allein im letzten Monat seien über 40.000 Verfahren abberaumt worden, im letzten Jahr waren es im gleichen Zeitraum nur 10.000. „Wir müssen langsam anfangen zu verhandeln“, sagte die Ministerin, „selbstverständlich unter Einhaltung aller Schutzmaßnahmen“. ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler hielt fest, dass Verhandlungen vor Ort gegenüber Video-Verhandlungen Vorrang hätten.

Im Mittelpunkt der Debatte zum 8. COVID-19-Gesetz standen allerdings nicht Zivil-, sondern Strafverfahren. Neos, SPÖ und FPÖ sehen es kritisch, dass Angeklagte bei Hauptverhandlungen per Video zugeschaltet werden können, und beantragten in diesem Sinn eine Änderung der Strafprozessordnung. Demnach sollen Prozesse nur dann ohne physische Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden dürfen, wenn der Angeklagte ausdrücklich zugestimmt hat. Vor allem bei Prozessen mit hoher Strafdrohung, etwa Geschworenenprozessen, sei eine Videozuschaltung von Angeklagten bedenklich.

 

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