Industrie. 62 Prozent aller in die EU importierten, kritischen Rohmaterialien stammen aus China. Unternehmensberater Kearney mahnt hier zu einem Umdenken.
Nur etwa neun Prozent aller verarbeiteten Materialien stammen aus recycelten Quellen – der Rest wird importiert oder aus der Erde geholt. Doch gerade unter den importierten Stoffen finden sich einige kritische Rohmaterialien, die für stark wachsende Bereiche wie die Kommunikationsbranche oder grüne Technologien entscheidend sind.
Um diese steigende Nachfrage zu decken, müssen europäische Unternehmen diese, vornehmlich aus China, importieren. 62 Prozent aller Lieferungen mit kritischen Rohmaterialien in die Europäische Union stammen von dort.
Damit sich die EU bei kritischen Rohmaterialien unabhängiger machen kann, seien stoffliches Recycling und Rückgewinnung langfristig ein entscheidender Faktor, so Unternehmensberater Kearney. Besonders deutlich werde das mit Blick auf die Elektromobilität, genauer gesagt auf Lithiumbatterien.
Massiver Anstieg bei Kobalt-Nachfrage prognostiziert
Neben dem Lithium – das aktuell kein kritisches Rohmaterial ist – sei hier vor allem die Versorgung mit Kobalt schwierig. Zudem wird eine rasante Nachfrage in der EU gerade nach diesem Metall um bis zu 2.400 Prozent bis zum Jahr 2030 vorhergesagt.
„Zwei Drittel der globalen Kobalt-Lieferungen stammen aus der Demokratischen Republik Kongo, ein Land, das als eines der korruptesten der Welt gilt. Hinzu kommt der Umstand, dass ein Großteil der Raffineriekapazitäten derzeit in China steht. Obwohl sich das Recycling von Kobalt bereits heute wirtschaftlich im Vergleich zu neuem Rohmaterial lohnt, wird aktuell nur etwa ein Viertel des Bedarfs in der EU durch wiedergewonnenes Kobalt gedeckt“, so Carsten Gerhardt, Partner bei Kearney.
Chancen für Europa
Gerhardt sieht in der aktuellen Situation eine Chance: Europa, insbesondere Deutschland, sei Technologieführer im Bereich Recycling und Kreislaufwirtschaft. Neben Technologie für die Energiewende könne dies ein Standbein zukünftiger Wirtschaftskraft und globaler Positionierung werden, meint er.
Kearney hat zu diesem Thema den sogenannten „Circular Hub“ ins Leben gerufen, der Wissen zu Geschäftsmodellen, Recycling-Strategien sowie Produktsourcing und -design bündeln soll.
Zusätzlich unterstütze Kearney den Aufbau eines Accelerators für Kreislauflösungen. In diesem Circular Accelerator sollen Start-ups im Bereich Kreislaufwirtschaft mit Industrieunternehmen zusammenkommen, um für spezifische Kreislauf-Probleme Lösungen zu entwickeln.
Wasserstoff made in Austria
Eine wichtige Rolle könnte auch Wasserstoff spielen: Zahlreiche Unternehmen und Geschäftsmodelle stünden hier bereits in den Startlöchern. Doch ohne politische Starthilfen werde Wasserstoff aus Kostengründen weiterhin ein „Nischendasein“ führen, so Gerhardt.
„Geht es nach der österreichischen Bundesregierung soll Österreich die Wasserstoffnation Nummer eins werden. Eine halbe Milliarde Euro soll dafür sorgen, dass Unternehmen Wasserstoffantriebe entwickeln“, so Gerhardt.
Europaweit gibt es derzeit rund 150 Projekte rund um Wasserstoff, die gefördert werden. Es bleibe allerdings die Frage, woher die Energie für den großen Wasserstoffboom kommen soll: „Durch den Zubau von Wind- und Solaranlagen wird sich dies realistischerweise nicht decken lassen. Dementsprechend wird es nicht ohne Energieimporte gehen. Fossile Energieträger scheiden dabei jedoch aus, will man die Klimaziele nicht konterkarieren“, so der Kearney-Partner.
Als realistische Lösung verbleibe deswegen nur die Gewinnung von Wasserstoff mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien (Power to Gas). Die Entwicklung der nötigen Power-to-Gas-Anlagen (PtG-Anlagen) sei auch eine Chance für viele Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, so Gerhardt.