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EY fordert mehr Chefinnen in Österreich – und baut selbst ab

Helen Pelzmann ©Andi Bruckner

Managerinnen. Frauen bleiben 2020 weiterhin die Ausnahme in Österreichs Chefetagen, so eine Studie von Prüfmulti EY. Auch bei EY selbst sinkt der Frauenanteil auf Top-Level.

Die Anzahl weiblicher Vorstandsmitglieder in Österreichs börsennotierten Unternehmen (Stichtag 1. August 2020) ist laut EY im Vergleich zum Jahresende (Stichtag 1. Dezember 2019) gleich geblieben, nämlich bei 14. Somit stehen in den im Wiener Börse Index notierten heimischen Unternehmen immer noch 14 weibliche Vorstandsmitglieder 177 männlichen gegenüber, so die aktuelle Auflage der jährlichen EY-Studie.

Im Vergleich zum Jahresbeginn gab es sogar einen leichten prozentuellen Rückgang von 7,7 auf 7,3 Prozent – bei gleichbleibender Anzahl weiblicher Vorstandsmitglieder wurden neun zusätzliche männliche Vorstandsmitglieder in die Chefetagen aufgenommen.

Was die EY-Studie unerwähnt lässt: Bei EY selbst ist heuer und auch schon im Vorjahr genau derselbe Effekt aufgetreten. Es wurden zwar neue Partner ernannt, aber keine neuen Partnerinnen, sodass ihr Anteil seit Jahren sinkt. In gewisser Weise wirft das ein Schlaglicht auf die Situation bei den großen Wirtschaftsprüfungsmultis, die von derlei Studien üblicherweise nicht erfasst werden, aber angesichts von Slogans wie „Building a better working world“ (EY) durchaus einen näheren Blick verdienen.

Im Aufsichtsrat ist die Verteilung besser

Positiver für die Frauen ist die Entwicklung in den Aufsichtsräten der österreichischen Unternehmen – auch dank Frauenquote (dazu später mehr). Bereits mehr als jedes vierte Aufsichtsratsmitglied der österreichischen WBI-Unternehmen ist aktuell eine Frau: Seit Jahresbeginn ist damit in den Aufsichtsräten der österreichischen WBI-Unternehmen insgesamt die Anzahl der Frauen von 26,2 auf 27,2 Prozent gestiegen. In den Aufsichtsgremien sind damit 145 Frauen (27,2%) und 389 Männer (72,8%) vertreten.

Für das Mixed Leadership Barometer der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY werden regelmäßig die Strukturen von Vorständen und Aufsichtsräten der im Wiener Börse Index gelisteten österreichischen Unternehmen analysiert. „Der Frauenanteil bei Vorstandsmitgliedern der österreichischen börsennotierten Unternehmen stagnierte im letzten halben Jahr erneut – es sind weiterhin 14 Frauen, sodass nur rund jedes 14. Vorstandsmitglied weiblich ist. Dieses eindeutige Missverhältnis zeigt, dass der Aufstieg für Frauen in die Vorstandsetagen weiterhin sehr schwierig ist und die Unterstützung von Politik, Unternehmen und auch vom persönlichen Umfeld teilweise fehlt“, so Helen Pelzmann, Partnerin (EY Law) und Verantwortliche für die Initiative „Women. Fast Forward“ bei EY Österreich.

Wenn die Zahl der Frauen weiter im Tempo der letzten Jahre von unter einem Prozentpunkt steigt, wird es bis zum Jahr 2073 dauern, bis in den Vorstandsgremien 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer sitzen, so Pelzmann: Bei der letzten Ausgabe der Studie hatte die Prognose dagegen noch das Jahr 2067 ergeben.

Warum der schleppende Anstieg?

„Obwohl Unternehmen immer mehr den Wert und die Notwendigkeit von vielfältig zusammengestellten Teams erkennen und auch wissen, dass sie im ‚War for Talents‘ nicht auf Frauen verzichten können, scheuen sie diesen Veränderungsprozess noch in den obersten Leitungsfunktionen und verkennen so auch die hohe Symbolkraft weiblicher Führungskräfte“, so Pelzmann weiter: „Dies gilt nicht nur in Hinblick auf junge weibliche Nachwuchskräfte, sondern für die junge Generation insgesamt, der Diversität sehr wichtig ist. Keine Frauen in den Vorstandsetagen sind ein starkes Indiz, dass es sehr wohl Aufstiegshindernisse gibt und Tradition anstatt Wandel, Aufbruch und Fortschritt gelebt wird.“

Es brauche jedenfalls gemeinsame Anstrengungen, um zu verhindern, dass die zarten Entwicklungen der letzten Jahre durch die Coronakrise zunichte gemacht werden, so Pelzmann: „Wie unterschiedliche Studien zeigen, hat die Corona-Pandemie zu einer verstärkten Rückkehr traditioneller und überholter Geschlechterstereotypen geführt. Um den Haushalt und Homeschooling haben sich vermehrt die Frauen in der Familie gekümmert, auch weil sie öfter in Teilzeitstellen arbeiten. Hier sind die Unternehmen gefordert, durch ein flexibles Arbeitsumfeld und die Möglichkeit, von Zuhause zu arbeiten, eine gute Grundlage zu schaffen, um beiden Geschlechtern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern und dadurch die Gleichstellung der Frauen voranzutreiben.“

Die meisten Frauen sind momentan in den Chefetagen in der Konsumgüterbranche anzutreffen, wo ihr Anteil bei 19 Prozent liegt. An zweiter Stelle folgt die IT-Branche (12,5%) und an dritter Stelle die Finanzbranche (7,7%). Keine einzige Vorständin gibt es in fünf Branchen: Automobil, Immobilien, Rohstoffe, Telekommunikation und Transport.

Der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder ist dagegen weiter gestiegen: Seitdem mit 1. Jänner 2018 die gesetzliche Genderquote von 30 Prozent in Kraft getreten ist, erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontrollgremien der österreichischen WBI-notierten Unternehmen deutlich von 18,8 auf 27,2 Prozent. Dies ist darauf zurückzuführen, dass jene österreichischen im WBI notierten Unternehmen, die die Quote erfüllen müssen, mehr Frauen in den Aufsichtsräten haben. Gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt ist die Zahl der Frauen in den Aufsichtsräten der österreichischen WBI-Unternehmen von 26,3 auf 27,2 Prozent gestiegen. Von den derzeit 534 Aufsichtsratsmitgliedern der im WBI notierten österreichischen Unternehmen sind 145 Frauen. Der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder ist damit bereits das siebte Halbjahr in Folge gestiegen. In 66 Prozent der gelisteten österreichischen Unternehmen sind inzwischen mindestens zwei Aufsichtsräte Frauen, bei 81 Prozent gibt es zumindest ein weibliches Gremiumsmitglied.

„Bei der Einführung der Quotenregelung für Aufsichtsräte gab es viele Bedenken und Diskussionen. Auch wenn Quoten sicher kein Allheilmittel sind, sehen wir in diesem Fall einen ganz klaren Effekt. Seit der Einführung vor zweieinhalb Jahren ist der Frauenanteil in den Kontrollgremien deutlich gestiegen. Die Quote hat die Themen Diversität und Gleichstellung deutlich nach oben an die Spitze der Unternehmens-Agenda gehievt. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gemischte Teams besser arbeiten und auch die wirtschaftliche Performance des Unternehmens positiv beeinflussen“, so Pelzmann.

Aufholbedarf trotz Fortschritt

Trotz deutlicher Fortschritte bei der ausgewogenen Besetzung von Aufsichtsräten gäbe es immer noch Aufholbedarf, so Pelzmann: „Die Genderquote zeigt Wirkung, es gibt 44 weibliche Aufsichtsratsmitglieder mehr als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens. Dieser Zuwachs ist zu einem überwiegenden Teil darauf zurückzuführen, dass jene österreichischen im WBI notierten Unternehmen, die die Quote erfüllen müssen, mehr Aufsichtsratsposten an Frauen vergeben haben. Allerdings ist das Ziel noch nicht erreicht. Fast jedes vierte verpflichtete österreichische Unternehmen erfüllt die Genderquote im Aufsichtsrat noch nicht“.

„Dass es im letzten halben Jahr wenig Veränderungen gab, ist auch auf die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurückzuführen. Manche Unternehmen haben ihre planmäßige Hauptversammlung und damit auch die Neubestellung des Aufsichtsrats in den Herbst verschoben. In den nächsten Monaten werden wir wieder deutlich mehr Bewegung sehen“, so Pelzmann.

Am höchsten ist der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder wie im Vorjahr in der Energiebranche (35,5%), wo jedes dritte Aufsichtsratsmitglied eine Frau ist. Ähnlich hoch ist der Anteil in der Finanz- (33,1%), Transport- (29,6%) und Telekommunikationsbranche (26,7%).

Nach wie vor ist in 45 von 58 österreichischen börsennotierten Unternehmen noch keine Frau im Vorstand vertreten. Immerhin drei der insgesamt 14 Frauen in Vorstandsetagen leiten das Unternehmen als CEO: Herta Stockbauer bei der BKS Bank, Karin Trimmel beim Kräuterlikörhersteller Gurktaler und Elisabeth Stadler bei der Vienna Insurance Group. Sechs Frauen stehen dem Finanz-Ressort vor.

Bei EY sinkt der Frauenanteil auf höchster Ebene

Zum Abschluss seines Berichts wirft Big Four-Multi EY üblicherweise einen Blick auf seine eigene Personalstruktur. Und der heuer sieht so aus:

  • Mit Stichtag 1. August 2020 waren laut den Angaben von den 38 Partnern von EY Österreich acht Frauen – das entspricht einem Anteil von 21,05 Prozent am höchsten Führungsgremium der Kanzlei.
  • Auf Management-Ebene (d.h. auf den unteren Führungsebenen) liege der Frauenanteil aktuell bei 45,01 Prozent.

„EY möchte den Frauenanteil auf Führungsebene weiter systematisch vergrößern und baut dabei auf Programme, die teilweise bereits seit mehreren Jahren schon bei der Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansetzen“, heißt es abschließend in dem Bericht. Auf eine Angabe der Vergleichswerte des Vorjahrs wird verzichtet. Wir haben aber nachgesehen – und festgestellt, dass EY offensichtlich den eigenen Zielen schon einmal näher war als heute:

  • Mit Stichtag 1. August 2019 waren von den 36 Partnern von EY Österreich acht Frauen – das entsprach einem Anteil von 22,2 Prozent.
  • Zum 1. August 2018 waren von den 35 Partnern von EY Österreich acht Frauen – damals ein Anteil von 22,9 Prozent.

Der Anteil der Frauen auf Partnerebene sinkt also seit Jahren bei EY. Der Grund liegt nicht darin, dass die weiblichen Top-Manager gefeuert werden, sondern in einem Wachstum, an dem die Frauen offensichtlich nicht teilhaben: Es werden zwar bei EY Österreich jedes Jahr neue Partner ernannt – aber eben keine Partnerinnen, sodass ihre Zahl bei acht stagniert.

Anders sieht es auf der Management-Ebene darunter aus: Hier lag der Anteil bei EY 2019 bei 44,9 Prozent und 2018 bei 43,3 Prozent, er steigt also. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren auch in der Ernennung neuer Partnerinnen wiederspiegelt, oder ob angesichts der „gläsernen Decke“ gar die Forderung nach einer Frauenquote bei großen Wirtschaftsprüfungskanzleien aufkommt.

 

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