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KSV1870-Chef Vybiral im Interview: „Neue Digital-Strategie“

Ricardo-José Vybiral ©Petra Spiola

Interview. Der KSV1870 schnürt mit „InfoPässen“ neue Online-Produkte, verbündet sich mit FinTechs und handelt mit Cyberrisiko-Bewertungen: CEO Ricardo-José Vybiral schildert die Digital-Strategie des Bonitätsriesen.

Extrajournal.Net: Der KSV1870 hat in letzter Zeit eine ganze Reihe neuer digitaler Produkte herausgebracht, beispielsweise „InfoPass für Mieter“ oder „InfoPass für Behörden“. Was ist das Ziel dieses Angebots?

Ricardo-José Vybiral: Dazu muss man die Gesamtstrategie betrachten. Es ist nicht so, dass wir damit einfach eine Digitalisierungsstrategie gestartet haben, denn wir machen längst etwa 85 Prozent des Umsatzes im E-Business. Es geht uns um viel grundsätzlichere Dinge. Im Kern schnüren wir damit neue Angebote für verschiedene, teils sehr unterschiedliche Zielgruppen.

Der KSV1870 bricht zu neuen Märkten auf?

Ricardo-José Vybiral: Ich bin vor vier Jahren zum KSV1870 gekommen, eine Institution, die auf 150 Jahre Tradition zurückblickt. Wir haben dann in den folgenden Monaten gemeinsam festgelegt, dass wir für die nächsten 150 Jahre des KSV1870 eine klare Vision und Strategien brauchen, wo die Reise hingehen soll. Daher haben wir den Strategiedialog „Next“ gestartet. Ergebnis war unser Mission Statement: „Wissen schaffen, Werte sichern“.

„Klare Vision und Strategie“

Dazu gehört, dass wir Informationen in Echtzeit zur Verfügung stellen. Die Kunden erwarten heute eine schnelle Antwort. Nicht erst seit der Corona-Krise – aber jetzt natürlich verstärkt – ist da auch das Thema dazugekommen, wie und auf welchen Schienen man kommuniziert. Wir haben jetzt 27.000 Mitglieder und wir haben für diese beispielsweise unsere Webinar-Schiene verstärkt. Unsere 355 KSV1870 Mitarbeiter betreuten insgesamt 42.000 B2B-Kunden. Werte schaffen betrifft schließlich auch das Thema Liquidität. Wir haben heuer gesehen, wie wichtig Liquidität ist, das zeigt sich gerade in Corona-Zeiten.

Alles in allem bedeutet das: Als führende Wirtschaftsplattform wollen wir Innovationen setzen. Das bedeutet nicht, dass wir deshalb eine Digital-Strategie oder eine Mobile-Strategie gefahren sind, so kleinteilig sind wir die Sache nicht angegangen. Sondern wir haben strategische Werte definiert – K steht für Kundenorientierung, S für Schnelligkeit, V für Verantwortung. Und unser Ziel in der Digitalisierung lautet nicht nur Kosteneinsparung, sondern auch: Wie können wir besser monetarisieren und servicieren. Die InfoPässe sind eines der Ergebnisse.

Sie haben damit also bestehende Angebote erweitert?

Ricardo-José Vybiral: Wer zum Beispiel eine Selbstauskunft haben wollte, konnte das schon bisher tun, musste sich in der Vergangenheit aber möglicherweise anstellen, denn das wurde vor Ort schriftlich gemacht. Wir haben rund 100.000 Selbstauskünfte pro Jahr auf diese Weise ausgestellt. Heute haben wir gar keinen klassischen Parteienverkehr mehr, es läuft inzwischen alles über unsere digitalen Kanäle ab, und die Kundenzufriedenheit ist dadurch gestiegen. Es geht aber nicht nur um bestehende Angebote in neuer Form, wir wollen auch neue Geschäftsfelder erschließen, dafür haben wir eine eigene Beteiligungsstrategie entworfen.

Natürlich haben wir darüber hinaus auch unsere langjährig gewachsene Infrastruktur entflochten, Benutzer-Servicierung und Website erneuert, wir haben Sprachsteuerung eingeführt – mit der Vision, dass eines Tages Bonitätsabfragen darüber gefahren werden. Ziel ist es, Operations zu flexibilisieren, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Das messen wir regelmäßig mit dem Net Promoter Score (NPS), also dem Grad der Weiterempfehlung.

Wie ist das Kunden-Feedback bei den neuen InfoPässen?

Ricardo-José Vybiral: Sie kommen gut an, da es ein einfacher Weg ist. Wer es testen will, kann das übrigens kostenlos tun, indem er eine Selbstauskunft nach Art. 15 DSGVO über sich selbst bei uns anfordert. Es geht sehr schnell und bequem. Wir sehen uns genau an, was unsere Kunden darüber kommunizieren, und da ist das Feedback wirklich positiv. Es kommen auch kaum Reklamationen.

„Wir erwarten uns rund 100.000 InfoPässe im Jahr“

Der InfoPass für Mieter verfolgt einen neuen Ansatz: Potenzielle Mieter erstellen damit eine Selbstauskunft, die sie dem Vermieter dann vorlegen. Wie entwickelt sich dieses Produkt, können Sie Zahlen nennen?

Ricardo-José Vybiral: Der InfoPass für Mieter entwickelt sich sehr gut, er ist sicher eines der am stärksten nachgefragten neuen Produkte. Ich kann soviel sagen, dass wir uns für das Jahr rund 100.000 verkaufte InfoPässe als Ziel vorgenommen haben – alles zusammengenommen, also nicht nur Mieterpass.

Wie reagiert die Konkurrenz auf diese neuen Angebote?

Ricardo-José Vybiral: Natürlich betrachtet man auch in unserer Branche immer die Konkurrenzsituation. Aber der direkte Wettbewerb ist hier nicht unsere Benchmark, sondern wir orientieren uns hier an Usability-Riesen wie Google oder Amazon. Wie die arbeiten, daran messen wir uns.

Wird es neue Infopässe geben?

Ricardo-José Vybiral: Wir haben bis jetzt Produkte für die Selbstauskunft eingeführt, für Behörden, für Finanzierungen, Immobilien und die Jobsuche. Zuletzt kam das CyberRisk-Rating. Es wird auch künftig Neues von uns geben, aber wohl erst 2021. Wir denken auch über Kombinationsprodukte nach, über Updates und Erweiterungen. Dabei setzen wir auch auf Beteiligungen. Unser neuestes Produkt, das CyberRisk Rating, ist ein gemeinsames Produkt mit einer unserer neuen Beteiligungen, der Nimbusec GmbH. Diese Beteiligungen sind ebenfalls ein Teil unserer Strategie. Wir gehen ausschließlich strategische Beteiligungen ein, keine Finanzbeteiligungen, und es gibt immer ein verbindendes Produkt. Nimbusec bietet Cyberrisiko-Bewertungen an.

Das Risiko von Cyberangriffen ist eigentlich ein neues Thema für Sie. Will der KSV1870 damit jenseits des Kerngeschäfts der Bonitätsdaten wachsen?

Ricardo-José Vybiral: Nicht wirklich, denn wie entsteht eine Bonitätsinformation: Man verbindet verschiedene Informationen zu einem Gesamtbild. Und herangezogen wird das Ganze von unseren Kunden immer zur Risikominimierung. Nun wissen wir aus der Praxis, dass Cyberrisiken heute einen starken finanziellen Impakt haben können. Das gehört also zum Risikobild dazu, ganz besonders dort wenn es darum geht das Risiko für eine bestehende Lieferantenbeziehung abzuschätzen. Wenn ein wichtiger Lieferant von heute auf morgen ausfällt, weil ein Verschlüsselungstrojaner sein Firmen-Netzwerk zum Stillstand gebracht hat, dann kann das selbst für große Konzerne gravierende Auswirkungen haben. Umso wichtiger ist es also, ein solches Risiko bei einer Geschäftsbeziehung einschätzen zu können.

Letztendlich geht es für den KSV1870 immer darum, Risiken abschätzen zu können. Wenn ein Risiko operationalisierbar ist und evidenzbasiert aufgearbeitet werden kann, dann ist das ein Thema für uns. Darin sehen wir auch unsere Stärke: Der KSV1870 arbeitet rein sachorientiert, er ist unabhängig von öffentlichen Geldern oder politischen Interessengruppen und unsere Mitgliedsfirmen sind unsere Eigentümer. Niemand kann uns anweisen, ein Rating zu ändern.

2019 sind wir beispielsweise beim Start-up FINcredible eingestiegen, das ursprünglich ein Spin-off der WU Wien war. Es bietet auf Basis der EU-Liberalisierung des Bankwesens (PSD2) einen Kontocheck, Mietercheck usw. an. Ähnlich wie der KSV1870 das tut, aber auf einem anderen Weg, nämlich – nach Freigabe durch die Kunden – durch Einsicht in deren Bankdaten. Da haben wir gesagt, das passt zu uns. Und heute verbinden wir das mit unseren eigenen Dienstleistungen.

Wird es weitere solche Beteiligungen geben?

Ricardo-José Vybiral: Absolut, wenn das Thema der evidenzbasierten Risikobewertung und ein verbindendes Element gegeben sind. Wir sind offen für weitere Beteiligungen.

Das Jahr 2020 ist durch die Corona-Krise ein Ausnahmejahr. Wie geht es dem KSV1870 als Unternehmen heuer?

Ricardo-José Vybiral: Die Krise geht auch an uns nicht spurlos vorüber. Wir sind vom Umsatz her nicht dort wo wir zu Jahresanfang geplant hatten zu sein. Ein wichtiges Betätigungsfeld von uns, die Betreuung von Gläubigern bei Konkursen, ist derzeit weniger aktiv, weil im Gefolge der Krise die Insolvenzen vorläufig um 50 Prozent zurückgegangen sind. Auch Exekutionen gibt es derzeit weniger, dafür sorgen die gesetzlich vorgeschriebenen Kreditstundungen. Unsere dritte Schiene, die Informationssparte, entwickelt sich dagegen recht gut. Alles in allem werden wir das Jahr ganz passabel abschließen. Krisengewinner wie etwa die Cloud-Anbieter sind wir aber sicher nicht.

Im Interview

Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA ist CEO der KSV1870 Holding AG.

Link: KSV1870

 

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