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Business, Tech

Abhängigkeit von China: Akkus sind die neuen Masken

©ejn

Schlüsselprodukte. China hängt Europas High-Tech-Branchen immer mehr ab. Dadurch begibt sich die EU in vielen Bereichen in Abhängigkeit, meint Berater Kearney.

Europas Industrie verliert im High-Tech-Sektor nicht nur den Anschluss, sondern begibt sich zudem in neue Abhängigkeiten. So lautet das Ergebnis der Studie „The tipping point for European high-tech: catch up or lose out“ der Unternehmensberatung Kearney. Die Erkenntnisse erinnern ein wenig an das Anfangsstadium der Covid-19-Pandemie in Europa, als der Mangel an Masken (NMS) in vielen EU-Staaten eklatant war – und man vielerorts auf chinesische Lieferungen warten musste, weil die eigene Produktion längst ins Reich der Mitte abgewandert war.

„Die globalen politischen Turbulenzen und die Pandemie haben die Verwundbarkeit Europas aufgedeckt“, sagt Dieter Gerdemann, Partner und Technologie-Experte der globalen Managementberatung Kearney. Rund ein Fünftel der europäischen Bruttowertschöpfung hängt direkt oder indirekt von High-Tech ab. Verschärfter Protektionismus, lokal begrenzte Tech-Cluster und brüchige Lieferketten machen Europa besonders verwundbar, heißt es weiter.

Hohe Abhängigkeit von China

Im Rahmen der Studie untersuchte Kearney die Machtverhältnisse der globalen High-Tech Branchen und die Abhängigkeit der europäischen Industrie von China. Eine Umfrage unter rund 100 Top-Managern aus Europa, China und den USA ergab, dass rund 80 Prozent Chinas High-Tech Fähigkeiten auf einem hohen oder sehr hohen Niveau sehen. Das ist mehr, als in jedem europäischen Land. Und 58 Prozent der europäischen Führungskräfte sehen eine hohe oder sehr hohe Abhängigkeit ihres Unternehmens von China bei der Lieferung von High-Tech-Komponenten. Die logische Konsequenz daraus: Etwa 70 Prozent der europäischen Top-Manager wollen F&E-Fähigkeiten in ihr Heimatland zurückholen.

Die wirtschaftliche Bedeutung von High-Tech nach der Kearney-Definition ist enorm: Die Industrie für deren Komponenten und Systeme ist rund 1,2 Millionen schwer und wächst seit 2014 jährlich um 14,5 Prozent. Zählt man Produkte und Services hinzu, die von High-Tech-Komponenten abhängen, beläuft sich der Wert auf 5,65 Billionen $, etwa sieben Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts. Da immer mehr Branchen von diesen Komponenten abhängig sind, ist die Tendenz stark steigend.

China schlägt Europa bei Patenten haushoch

China erweist sich in den High-Tech-Bereichen im Vergleich zu Europa als wesentlich innovativer: So kamen im Vorjahr auf ein europäisches High-Tech-Patent mehr als 12,2 High-Tech-Patente aus China, insbesondere in den Bereichen Batterie, Cloud und KI. 2014 lag dieses Verhältnis noch bei 1 zu 3,2.

Europa liegt bei den F&E-Ausgaben deutlich hinter den USA und China. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gibt die EU auch weniger aus als Japan. Deutschland könne zwar mit Südkorea und Japan mithalten, bei Großbritannien, Frankreich und Italien sieht es diesbezüglich jedoch traurig aus.

Bei Akkus steht es 70 zu 3 für China

So ist etwa im Telekombereich Huawei mit seinen 5G-Entwicklungen europäischen Mitbewerbern wie Nokia und Ericsson gut zwei Jahre voraus. Bei Halbleitern hingegen sind die USA und Europa noch führend, wenn es um die Einführung globaler Standards und Anwendungen geht. Allerdings könnte China mit seiner Agenda „Made in China 2025″ auch hier bald den Spitzenplatz einnehmen.

Im Rahmen dieser Strategie stellt China die Weichen, um in Kern-Technologien des High-Tech-Bereiches autark zu werden. Bis 2049 soll das Land dann zur technologischen Supermacht aufsteigen. Die wirtschaftliche Macht Chinas ist bereits jetzt beachtlich: So stieg von 2009 bis 2018 der Wert der Produkte, die von importbeschränkenden Maßnahmen der G20-Länder betroffen sind, um das 19-fache auf 1,3 Billionen $.

Besonders hoch ist die Abhängigkeit Europas von China bei Akkus. Denn inzwischen werden 70 Prozent aller Lithium-Ionen-Batterien in China gefertigt, in Europa lediglich drei Prozent. Selbst neue Giga-Fabriken in Europa werden das Problem nicht lösen. Denn Europa werde bereits 2023 bei Elektroautos einen weltweiten Anteil von 35 Prozent halten, aber nur 15 Prozent bei den Lithium-Ionen Batterien.

Kooperationen als Lösungsvorschlag

Damit europäische Unternehmen hier nicht abgehängt werden, empfiehlt Gerdemann daher den Unternehmen länderübergreifende Kooperationen. Damit sollten sie sich entlang der gesamten Wertschöpfung von Forschung und Entwicklung, Innovation, geistigem Eigentum bis hin zu Lieferung und Fertigung gegen Störungen der Versorgung mit Technologie absichern.

Laut Gerdemann besitzt aktuell keine Region den kompletten „Technologie-Stack“ für High-Tech. China will jedoch den „Technologie-Stack“ lokal besetzen. Daher müsse sich Europa auf seine technologischen Kernkompetenzen konzentrieren und diese konsequent ausbauen. Dazu gehöre auch der Schutz dieser Kompetenzen vor interkontinentalen M&A-Aktivitäten.

Nur wenn Europa eigene technologische „Assets“ mit globaler Bedeutung halte, könne eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Regionen geschaffen werden und Europa sich vor Protektionismus in einzelnen Regionen schützen. Diese Maßnahmen müssten auf Regierungsebene unterstützt werden. Etwa durch steuerliche Anreize für High-Tech-Investitionen oder der Senkung der Einstiegshürden auf dem europäischen Arbeitsmarkt für MINT-Studenten.

„Trotz der anhaltenden COVID-19-Krise ist es jetzt an der Zeit, länderübergreifend an einem Strang zu ziehen, um den Absturz von Europas High-Tech-Industrie in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern“, verweist Gerdemann auf die Bedeutung von High-Tech als Schutz vor Protektionismus.

 

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