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Bildung & Uni, Recht

Lockdown-Verordnung im Nationalrat beschlossen

©Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Corona-Krise. Die neue COVID-19-Notmaßnahmenverordnung („Lockdown“) ist genehmigt. Die Opposition versagt wegen der Schulschließungen die Zustimmung.

Der Hauptausschuss des Nationalrats hat gestern Abend die COVID-19-Notmaßnahmenverordnung zur Verschärfung der Maßnahmen gegen einen drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems in Österreich mit den Stimmen von ÖVP und Grünen genehmigt.

Mit den besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation aufgrund der Pandemie, wie es in dem von Gesundheitsminister Rudolf Anschober übermittelten Schreiben an das Parlament steht, werden unter anderem die Ausgangsregelungen auf 24 Stunden ausgeweitet und ein Betretungsverbot für Geschäfte mit wenigen Ausnahmen eingeführt. In den Medien wird das Paket als „verschärfter Lockdown“ o.ä. bezeichnet, denn einen „Teil-Lockdown“ gibt es ja bereits.

Die Regelungen

In Kraft tritt die COVID-19-Notmaßnahmenverordnung am 17. November, die Maßnahmen sollen bis einschließlich 6. Dezember gelten. Nach zehn Tagen ist über die Ausgangsregelungen erneut Einvernehmen mit dem Hauptausschuss herzustellen.

Hauptkritikpunkt von SPÖ, FPÖ und Grünen war die von der Bundesregierung ab Dienstag eingeführte Umstellung auf Distance-Learning in den Schulen. Auch wenn diese Maßnahme nicht Teil der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung ist, gehe es um das Maßnahmen-Gesamtpaket der Bundesregierung für den zweiten Lockdown insgesamt, so der Zugang der Oppositionsfraktionen.

„Wir befinden uns in einer Notsituation“

Das österreichische Gesundheitssystem sei bewährt und stark, die Spitäler hätten sich über den Sommer sehr intensiv auf eine zweite Welle vorbereitet, aber auch ein derartiges Gesundheitssystem komme nun an seine Grenzen, begründete Minister Anschober die Verschärfungen der Corona-Maßnahmen durch die Bundesregierung.

Zur Zeit befinden sich laut dem Minister demnach 599 Corona-PatientInnen in intensivmedizinischer Behandlung. Die Kapazitätsgrenze sei fließend. Das führe bei einem weiteren deutlichen Anstieg zu einem Verdrängungswettbewerb in den Intensivstationen.

Angesichts der Steigerung von 30% in den Intensivstationen diese Woche könnte bis Ende November bzw. in 10 bis 20 Tagen die Kapazitätsgrenze erreicht sein, wenn es zu keiner Reduzierung der Neuinfektionen kommt, verwies Anschober auf Gespräche mit allen GesundheitsreferentInnen der Bundesländer. Große Fragen seien dabei nicht nur die Zahlen der Intensivbetten und Beatmungsgeräte, sondern auch jene der IntensivpflegerInnen und ÄrztInnen.

Auch wenn durch den bisherigen Teil-Lockdown die dramatisch exponentielle Zuwächse von Neuinfektionen aufweisende Kurve leicht abgeflacht sei, sei Österreich noch nicht da, wo es hin müsse. Mit ersten Auswirkungen der Maßnahmen rechne man in den Spitälern in rund 14 Tagen. Man sei in einer Notsituation, so Anschober, nicht nur Handeln, sondern auch Zusammenhalten sei nun gefragt.

„Ausdruck eines totalen Kontrollverlustes“

„Der Lockdown ist zweifelsohne der Ausdruck eines totalen Kontrollverlustes der Bundesregierung über das Infektionsgeschehen“, lautete die Kritik von SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Eine Ursache, warum nun schärfere Maßnahmen notwendig seien und Österreich vom Vorzeigeland zum weltweiten Schlusslicht in der Corona-Statistik gelangt ist, liege an der Bundesregierung. Ihre Fraktion habe bereits vor Wochen auf die ernste Situation in den Spitälern aufmerksam gemacht und die bisherigen Maßnahmen aus Verantwortung mitgetragen.

Die nunmehr zusätzlichen Maßnahmen zur Absicherung der Gesundheitsversorgung seien einsichtig, absolut nicht notwendig sei es aber, die Schulen zu schließen und den Regelunterricht für 1,2 Millionen SchülerInnen einzustellen.

Von einem Blindflug und einer Show-Politik der Bundesregierung sprach FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Noch vorigen Mittwoch sei der Hauptausschuss zur Verlängerung des Teil-Lockdowns im Parlament zusammengekommen. Wäre die Situation so dramatisch, hätte man dies auch schon zu diesem Zeitpunkt gewusst und entsprechende Maßnahmen setzen können. Die Bundesregierung habe aber auf Dramaturgie gesetzt und bis zum Wochenende gewartet. „Diese Inszenierung macht das Ganze so unglaubwürdig. So ist das alles nur Show und Dramaturgie“, sagte Belakowitsch.

Weil es der Bundesregierung nicht ernst sei, würde ihre Fraktion das Maßnahmen-Gesamtpaket ablehnen. Auch die Kapazitäts-Zahlen der Bundesländer würden sich ununterbrochen ändern, man gehe von keinen validen Zahlen aus, so die Abgeordnete, „allein das ist schon ein Wahnsinn“.

Geht es um den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit, habe ihre Fraktion im Sozialausschuss dem vorliegenden Gesetz unter der Annahme zugestimmt, dass der Rechtsanspruch auch in Situationen wie dieser geltend werde. Die Sozialministerin habe im Ausschuss jedenfalls gesagt, dass es den Rechtsanspruch im Fall eines Lockdowns gibt. Durch die weiteren Maßnahmen der Bundesregierung befürchtet die FPÖ-Abgeordnete außerdem einen Massenkonkurs bei Unternehmen und eine Vereinsamung bei älteren Menschen.

Überschießende Maßnahmen?

Alles andere als ein gutes Zeugnis stellte auch Neos-Abgeordneter Gerald Loacker dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung aus. Die Maßnahmen seien zu überschießend, außerdem würde dieser „singuläre Blick“ auf Covid-Erkrankte und –Verstorbene Kollateralschäden ausblenden. „Arbeitslosigkeit verkürzt auch das Leben“, sagte Loacker und bekrittelte, dass mit den Maßnahmen Existenzen und Unternehmen zerstört würden.

Durch die Verordnung gebe es zudem ab 7. Dezember eine „Einkaufsrallye“ vor Weihnachten, in der wieder alle Menschen mit dem Erfolg ins Einkaufszentrum stürmen würden, dass es im Jänner und Februar zu einem dritten Lockdown komme. Auch bei der Impfung unterliegt die Regierung nach Meinung des Abgeordneten einer Fehleinschätzung, zumal sich viele Menschen zu Beginn nicht impfen lassen würden. Mit diesen Maßnahmen könne die Regierung das Epidemiegeschehen nur hinausschieben, aber nicht stoppen, kritisierte Loacker.

Zudem sei es von Anschober zu einfach zu sagen, dass Schulschließungen nicht die Verordnung des Gesundheitsministeriums betreffen würden. Die Bundesregierung handle gemeinsam, und diese habe versagt, argumentierte er ähnlich wie Rendi-Wagner. Nur weil die Bundesregierung beim Schutz von älteren Menschen versagt habe, dürften Kinder nicht dafür büßen.

Was ist die Alternative?

Die Kritik stieß bei den Abgeordneten der ÖVP und Grünen auf Unverständnis. Sie orten Show-Politik in erster Linie bei der Opposition. Auch die Kritik, dass seit dem Frühjahr keine Vorbereitungen getroffen worden seien, wird zurückgewiesen. Ein Intensivpflegekurs sei eine Ausbildung, die ein, zwei Jahre dauere. Die PflegerInnen und ÄrztInnen in den Intensivstationen stünden jedenfalls mit dem Rücken zur Wand. Es sei Aufgabe der Politik, sie vor einer Triage-Situation zu schützen.

Die Verordnung sei angemessen und halte die Balance zwischen persönlicher Freiheiten und notwendigen Maßnahmen. Zudem habe man vonseiten der Opposition noch keine Alternative zu den Maßnahmen gehört.

Was den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit anbelangt, über den im Sozialausschuss bereits abgestimmt wurde – unter anderem mit den Stimmen der SPÖ, gehe aus dem Gesetzesvorschlag klar hervor, dass der Rechtsanspruch nicht schlagend wird, solange es Betreuungsangebote gibt (und die sind aus Sicht der Regierung weiterhin vorhanden). Das sei mit den Sozialpartnern akkordiert und auch so kommuniziert worden.

Angesprochen auf die von Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigten Massentests informierte Anschober, dass die Regierung plane, Screening-Programme, wie diese etwa bereits im Bereich der Alten- und Pflegeheime laufen, zu verstärken. Dafür werde auch das slowakische Modell geprüft.

Die neuen Maßnahmen

Konkret sieht die COVID-19-Notmaßnahmenverordnung unter anderem vor, die Ausgangsregelungen nunmehr auf den ganzen Tag auszudehnen. Demnach ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs wie im Frühjahr nur mehr für bestimmte Zwecke möglich.

Erlaubt bleibt etwa die Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen, die Ausübung familiärer Rechte und die Erfüllung familiärer Pflichten sowie die Deckung notwendiger Grundbedürfnisse des täglichen Lebens wie der Kontakt mit dem nicht im gemeinsamen Haushalten lebenden Lebenspartner, mit einzelnen engsten Angehörigen wie Eltern, (volljährige) Kinder und Geschwister oder „einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird“.

Auch die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens, der Gang zum Arzt oder die Versorgung von Tieren bleibt gestattet. Wie schon im Frühjahr gilt auch der Aufenthalt im Freien zur „körperlichen und psychischen Erholung“ als weiterer Ausnahmegrund. Eine körperliche und psychische Erholung im Freien liegt etwa vor bei Spaziergängen, bei sportlicher Betätigung oder beim „kontemplativen Verweilen an einem Ort im Freien“, heißt es dazu in der rechtlichen Begründung des Gesundheitsministeriums. Weitere Details bietet die Parlamentskorrespondenz bzw. die Websites der Ministerien.

 

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