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Business, Motor, Recht

Diesel-Affäre: EuGH stärkt Autofahrern den Rücken

©ejn

Abgas-Software. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat als höchste europäische Instanz die Unzulässigkeit der VW-Abgas-Software bestätigt. Verbraucherschützer sehen sich nun im Vorteil.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seiner heutigen Entscheidung (C-693/18) eine wichtige Klarstellung zum VW-Abgas-Skandal vorgenommen, formuliert es der Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die von VW verwendete Abgas-Software ist illegal und verstößt gegen EU-Recht. Die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte müssen unter normalen Nutzungsbedingungen eingehalten werden, also im täglichen Fahrbetrieb.

„Ein Hersteller darf keine Abschalteinrichtung einbauen, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessert, um ihre Zulassung zu erreichen“, formuliert es der Gerichtshof selbst in einer Aussendung: Die Tatsache, dass eine solche Abschalteinrichtung dazu beiträgt, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern, kann ihr Vorhandensein nicht rechtfertigen, stellt der EuGH klar.

Die Auswirkungen in der Praxis

Damit sei auf europäischer Ebene klargestellt, dass die Manipulationen von VW EU-rechtswidrig waren, so der VKI. Peter Kolba, Chef des Verbraucherschutzvereins VSV, sieht die EuGH-Entscheidung sogar als entscheidenden juristischen Durchbruch an und erwartet sich Rückenwind für die von ihm vertretenen Autokäufer. Vor allem aber haben nun auch Autokäufer anderer Marken, die derartige Motor-Veränderungen vorgenommen haben, bei einer Klage gute Aussichten, sagt Kolba.

Jedenfalls bringt das Urteil weiteren Rückenwind in den Verfahren gegen VW, sind sich die Verbraucherschützer einig: In den 16 VKI-Sammelklagen gegen VW haben sich die Richter in den letzten Monaten im Wesentlichen auf die Feststellung der Schadenshöhe konzentriert, heißt es. Eingeklagt sind 20 Prozent des bezahlten Kaufpreises.

Tempo ist wichtig

Klagewilligen Verbrauchern wird allerdings empfohlen, diesen Schritt rasch zu setzen, denn wenn auch die Verjährungsfristen inzwischen eine weniger große Rolle spielen, ist dafür das Alter des Fahrzeugs in der Praxis sehr wichtig.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat nämlich wie berichtet am 25.5.2020 bereits bestätigt, dass VW arglistig und aus reinem Gewinnstreben gehandelt hat und der Schaden des Käufers bereits mit Abschluss des Kaufvertrags entstanden ist. Der BGH stellte aber auch klar, dass die Entschädigung vom aktuellen Wert des Autos abhängt – und der sinkt nun einmal mit dem Alter des Fahrzeugs.

Der VKI hat in seinen 16 Sammelklagen einen Minderwert der betroffenen Fahrzeuge im Kaufzeitpunkt geltend gemacht und einen Abzug von 20 Prozent des Kaufpreises eingeklagt. Der Gesamtstreitwert aller Klagen beträgt 60 Millionen Euro. Nach Ansicht des VKI haben die Käufer zumindest um diesen Betrag seinerzeit zu viel bezahlt, weil die Fahrzeuge den vollen Kaufpreis nicht wert waren. Gerichtsgutachten in anderen Verfahren belegen auch einen Schaden zwischen mindestens 10 bis 30 Prozent, heißt es weiter.

Anders als in den USA und zuletzt in Deutschland gab es für die österreichischen Geschädigten keinerlei Entschädigungsangebot, erinnert der VKI. Das könnte sich für VW rächen: Entscheidet der EuGH auch das anhängige Folgeverfahren zum „Thermofenster“ in der heute angedeuteten Weise, könnte der Schaden der Autobesitzer größer sein als bisher angenommen. Das sogenannte Thermofenster führt nämlich dazu, dass eine volle Abgasreinigung nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius erfolgt.

„Das Urteil ist eine weitere Ohrfeige für VW und kann für den Konzern noch so richtig teuer werden“, so Thomas Hirmke, Leiter des Bereiches Recht im VKI: Denke man die Entscheidung weiter, könnte der Schaden der Autobesitzer deutlich über den eingeklagten 20 Prozent des Kaufpreises liegen.

 

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