Wien/Berlin. Derzeit verschleiern die Corona-Hilfspakete viele Kreditausfälle: Sie halten „Zombie-Unternehmen“ am Leben. Wann die erwartete Pleitenflut eintritt, wird derzeit erforscht.
Im Jahr 2020 lag die Zahl der Insolvenzen noch auf extrem niedrigem Niveau, so die Gläubigerschützer AKV, Creditreform und KSV1870. Und das ging auch Anfang 2021 noch so weiter. Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 59% gesunken. Lediglich 473 Firmen mussten seit Jahresbeginn Insolvenz anmelden – das ist pro Quartal gerechnet der niedrigste Wert seit 1977.
Die Flut beginnt erst Ende 2021
Dass die Zahl der Insolvenzen auch im weiteren Verlauf des Jahres 2021 auf künstlich niedrigem Niveau bleiben wird, dass glaubt Kreditversicherer Acredia: Der Grund seien weiterhin die umfangreichen Maßnahmenpakete, um die Folgen der Covid-19-Pandemie für die Unternehmen teilweise abzufedern.
Mit der Verlängerung und Ausweitung dieser Maßnahmen Ende 2020 erwartet die Kreditversicherung für 2021 eine ähnliche Entwicklung wie im Vorjahr. „Wir hatten in den ersten beiden Monaten 2021 bei den eröffneten Insolvenzen ein Minus von 60% gegenüber 2020“, erläutert Acredia-Spezialistin Marina Machan: „Unter der Annahme, dass die Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung noch bis zum Ende des Sommers weitergehen und sich dieser Trend bis dahin so fortsetzt, könnte das Jahr 2021 ein Minus von 39% bringen. Das entspricht der Größenordnung aus dem Vorjahr“, so Machan weiter.
Acredia legt diesem Szenario einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen im letzten Quartal 2021 zugrunde. Für 2022 prognostiziert der Kreditversicherer aktuell einen Insolvenz-Zuwachs von 25 bis 27% gegenüber 2019. Denn erstens trete der erwartete Nachholeffekt ein – und zweitens kommen die durch die Pandemie bedingten Insolvenzen zum Tragen.
Auch Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz, sieht einen Anstieg der Firmenpleiten frühestens im Herbst 2021: Vor wenigen Wochen erst wurden die vermeintlichen Corona-Hilfsmaßnahmen, wie etwa Stundungen seitens der Bundesregierung bis 30. Juni 2021 verlängert, erinnert er – valide Zukunftsprognosen seien daher nahezu unmöglich. „Eine regelrechte Insolvenzwelle ist aus heutiger Sicht am Horizont nicht erkennbar. Wann auch immer die Insolvenzzahlen steigen werden, gehen wir von einer stetigen Steigerung der Firmenpleiten aus. Dieser Anstieg wird bis in die Jahre 2022 und 2023 hineinreichen“, so Götze.
In Deutschland schon heuer hohe Ausfälle
In Deutschland rechnen die Banken dagegen bereits im Verlauf des Jahres 2021 mit höheren Krediausfällen. Zwar verschleiern auch beim nördlichen Nachbarn die staatlichen Hilfsmaßnahmen das wahre Ausmaß, wie die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) derzeit in einer Aussendung warnt. Rund 40,6 Mrd. Euro an notleidenden Krediten oder Non-Performing Loans (NPLs) erwarten die von der BKS befragten deutschen Kreditinstitute aber bereits für das laufende Jahr. Dieser Wert könnte 2022 dann auf bis zu 46,7 Mrd. Euro steigen.
Die Lage bleibe aber jedenfalls angesichts der Wirtschaftshilfen der deutschen Bundesregierung schwer einzuschätzen. Im vergangenen NPL-Barometer rechneten die befragten Risikomanager noch mit einem Anstieg auf 59 Mrd. Euro allein bis Ende 2021. Zum Vergleich: 2020 waren rund 33 Mrd. Euro an NPL-Beständen zu verzeichnen.
„Die Teilnehmer unserer Umfrage waren in diesem Jahr wesentlich konservativer in ihrer Einschätzung. Während im vergangenen Jahr unter dem Eindruck des ersten Lockdowns noch erhebliche Ausfälle erwartet worden waren, zeigte sich, dass aufgrund der Hilfsmaßnahmen Insolvenzen hinausgezögert wurden und Kreditausfälle 2020 zu keinen Verwerfungen geführt hatten“, so BKS-Präsident Jürgen Sonder.
Das wahre Ausmaß noch unklar
Zu den Maßnahmen, die Kreditausfälle aktuell verhindern, zählen unter anderem die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Liquiditäts- und Kreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau und das Kurzarbeitergeld. „Erst wenn die Politik sich dazu entscheidet, keine weiteren Hilfen zu leisten, wird das wahre Ausmaß deutlich werden“, sagt Sonder. Besonders betroffen von möglichen Kreditausfällen seien Handel, Tourismus und Gastronomie.
So werden deutsche NPL-Quoten von rund 3,3 Prozent bei KMU für 2021 erwartet. 2020 lag die Ausfallquote noch bei 2,5 Prozent. Für 2022 könnte dieser Wert auf 3,8 Prozent steigen. „Das ist auch in der zweiten Erhebung des NPL-Barometers in der Corona-Krise der höchste erwartete Ausfallwert aller Assetklassen“, erklärt Sonder.
(red/pte)