Meer & Umwelt. Warum stranden Wale? Uni-Graz-ForscherInnen vermuten die Ursache im stark gestiegenen Quecksilbergehalt der Weltmeere.
Erst Anfang September wurden Dutzende tote Schweinswale auf niederländischen Inseln angespült. Kein Einzelfall, sagt Umweltchemiker Jörg Feldmann (Uni Graz, Institut für Chemie): Die Ursache für das Massensterben dieser Säugetiere sei nach wie vor nicht eindeutig. Feldmann und sein Team vermuten aber, dass das Nervengift Quecksilber dahintersteckt. Sie konnten nun gemeinsam mit Kollegen aus Schottland und Frankreich erste Indizien für diesen Verdacht sammeln.
Dazu haben sie gestrandete und verendete Pilot und Pottwale näher untersucht, indem sie erstmals mittels der NanoSIMS-Methode die Leberzellen der mächtigen Säugetiere im 50 Nanometer-Bereich genauer unter die Lupe genommen und Quecksilberpartikel in den Zellen nachgewiesen haben, so die Uni.
Diese Spur könnte helfen, mysteriöse Walstrandungen in Zukunft zu verhindern. Erste Ergebnisse der neuen Analysenmethode für Quecksilber wurden nun im Fachjournal Analytical Chemistry veröffentlicht („Development of Mercury Analysis by NanoSIMS for the Localization of Mercury-Selenium Particles in Whale Liver“, Maria Angels Subirana, Lhiam Paton, James Hall, Andrew Brownlow, Eva M. Krupp, Jörg Feldmann, and Dirk Schaumlöffel).
Dreimal soviel Quecksilber wie früher
„Die Vermutung liegt nahe, dass Quecksilber eine zentrale Rolle in diesem Vorgang spielt“, führt Feldmann aus. Die Konzentration des Nervengifts im Meer, verursacht durch das Verbrennen von Kohle und anderem industriellen Abfall, habe sich in den letzten Jahrhunderten verdreifacht. „Je höher ein Lebewesen in der Nahrungskette steht, desto größer ist die Konzentration von Quecksilber in den Zellen der Leber und des Gehirns. Und Wale stehen ganz oben“, betont er. „Die gigantischen Meeressäuger haben eine bis zu 1000 -mal höhere Konzentrationen als ihre Artgenossen, was aber als unbedenklich eingestuft wird.“
Entscheidend dabei sei Selen: Dieser Stoff ist für Säugetiere ein essenzielles Spurenelement, schützt die Zellen vor oxidativem Stress und ist auch für den Hirnstoffwechsel wichtig. Es binde sich leicht mit Quecksilber und schalte zugleich die toxische Wirkung des chemischen Elements aus, indem eine Verbindung mit ihm eingeht und unlöslich wird.
Gemeinsam ins Verderben
„Wir haben festgestellt, dass sich die beiden Stoffe zu neugebildeten Micro- und Nanopartikeln verbinden und zu einem Quecksilberselenid werden“, sagt Feldmann. Der Nachteil: „Selen wird für das Binden von Quecksilber gebraucht und fehlt daher als Schutz fürs Gehirn. So könnte der Mangel bei Walen zu Krankheiten wie zum Beispiel Epilepsie führen, die eine Orientierungslosigkeit auslösen und sie deshalb stranden lassen könnte“, vermutet der Umweltchemiker.
Und weil Wale sehr soziale Herdentiere sind, wirkt sich das auch auf das Verhalten der ganzen Gruppe aus, wird der Gedanke weitergeführt: So stranden die Meeressäuger meist gemeinsam. Mit weiteren Analysen möchte Feldmann in Zukunft das Verhalten von Walen entschlüsseln: „Vielleicht können wir irgendwann in der Zukunft mit überlegten Maßnahmen Strandungen ganzer Walgruppen gezielt entgegenwirken und sie auch verhindern. Dazu müssen wir nur wissen, was die Gründe für die Strandungen sind“.