Gastkommentar. Deutschland und weitere Länder haben bereits ein Lieferkettengesetz beschlossen, auf EU-Ebene soll es kommen. Doch ist es ein adäquates Mittel zur Bekämpfung von Missständen? DLA Piper-Partner Andreas Daxberger und DLA Piper-Spezialistin Jasmina Kremmel analysieren die Auswirkungen in ihrem Gastbeitrag (Teil 1).
Frankreich, Großbritannien, Niederlande und nun auch Deutschland haben es schon. In der Schweiz ist die Volksinitiative knapp an der Konzernlobby gescheitert, welche mit aller Kraft mehr Verantwortung für Unternehmen erfolgreich verhinderte. Und was ist mit Österreich? Die Rede ist vom sogenannten bereits mehrfach diskutierten Lieferkettengesetz.
Dieser Beitrag behandelt im ersten Teil die Frage, welchem Zweck das kürzlich in Deutschland verabschiedete Gesetz dient und im zweiten Teil, welche Auswirkungen dies konkret auf Österreich hat und welche Bestrebungen diesbezüglich in Österreich sowie auf EU-Ebene aktuell geplant sind.
Was ist das Lieferkettengesetz und was sieht es vor?
Wer hat sich nicht schon die Frage im Supermarkt gestellt, woher die Produkte stammen und welchen Weg sie zurückgelegt haben? Die Globalisierung ermöglicht es vielen Unternehmen, ihre Produkte im Ausland herzustellen, wo die Produktionskosten aufgrund teilweise katastrophaler und menschenrechtsunwürdiger Umwelt- und Arbeitsbedingungen um ein Vielfaches billiger sind. Der Transportweg der Produkte beträgt nicht selten Tausende von Kilometern. Woher einzelne Komponenten, Rohstoffe und Ressourcen stammen, unter welchen Bedingungen sie angebaut, geerntet oder verarbeitet werden, kann oftmals weder für den Endabnehmer des finalen Produkts (Konsumenten) noch für die Unternehmen innerhalb einer Lieferkette nachvollzogen werden.
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass es immer wieder zu Katastrophen wie z.B. eingestürzten Fabriken aufgrund mangelnden Sicherheitsstandards oder Bränden durch mangelnden Brandschutz oder Dammbrüchen kommt. Zudem herrschen nicht selten sklavenähnliche Zustände auf Landwirtschaftsplantagen und ist der ausbeuterische Missbrauch der Kinderarbeit weit verbreitet. Als eines der ersten Länder weltweit hat daher Frankreich im Jahre 2017 ein sogenanntes Sorgfaltspflichtgesetz (Loi de vigilance) erlassen.
Ziel dieses Gesetzes ist der Schutz vor Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Kinderarbeit, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken sowie die Vermeidung von Umweltzerstörungen. Das Gesetz fußt einerseits auf den im Juni 2011 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Diese sollen die Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten durch transnationale und sonstige Wirtschaftsunternehmen verhindern und die Verpflichtungen der Staaten sowie die unternehmerische Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte innerhalb globaler Lieferketten definieren. Andererseits liegen dem Gesetz die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zugrunde. In Deutschland wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im Juni 2021 vom Bundestag verabschiedet. Dieses wird umgangssprachlich „Lieferkettengesetz“ genannt.
Das Gesetz zielt darauf ab, Transparenz sowie Überwachung der einzelnen Lieferkettenglieder zu gewährleisten, um jegliche Art von Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden, menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen vorzubeugen, um Gesundheits- und Sicherheitsrisiken zu minimieren sowie Umweltzerstörungen zu verhindern. Die Umsetzung dieses Ziels soll durch die Auferlegung von Sorgfaltspflichten gegenüber Unternehmen wie unter anderem einer Einrichtung eines Risikomanagements, Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern, sowie Ergreifen von Abhilfemaßnahmen grundsätzlich innerhalb der gesamten Lieferkette, also vom Rohmaterial bis zum fertigen Verkaufsprodukt, erreicht werden. Händler und Verkäufer innerhalb einer Kette sollen demnach verantwortlich und haftbar gemacht werden, wenn es innerhalb einer Lieferkette zu Menschenrechtsverletzungen und/oder umweltbezogenen Zerstörungen kommt.
Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen Bußgelder und können Unternehmen bei schwerwiegenden Verstößen bis zu drei Jahren von den öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Das Gesetz sieht dabei abgestufte Anforderungen an die Unternehmen vor, um der Schwere der Verletzung innerhalb der Lieferkette gerecht zu werden. Bei Verstößen innerhalb des Unternehmens und bei den unmittelbaren Zulieferern gelten strengere Sorgfaltspflichten als bei den mittelbaren Zulieferern.
Die Haftung der deutschen Unternehmen umfasst auch die Geschäftstätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften im Ausland. Entsprechend haben die Unternehmen Strukturen zur Überwachung der örtlichen Compliance auch im Ausland zu schaffen bzw zu implementieren. Hinsichtlich der unmittelbaren Zulieferer haben die Unternehmen die Einhaltung der notwendigen örtlichen Compliance zu prüfen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Überwachung der direkten Zulieferer könnte zum Beispiel mittels Vereinbarung von Vertragsklauseln erfolgen, wonach das Unternehmen Kontrollen durchführen und bei Nichteinhaltung entsprechend handeln bzw Konsequenzen ziehen darf.
Für die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen steht der Beschwerdeweg zum Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle offen und dürfen deutsche Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen außerdem im Ausland Betroffene bei der Vertretung ihrer Rechte vor deutschen Gerichten unterstützen (Prozessstandschaft). Das Gesetz sieht demgegenüber keine zivilrechtliche Haftung vor. So können Betroffene im Ausland keine Schadenersatzklage vor deutschen Gerichten einbringen, sondern ist dies den in Deutschland registrierten NGOs und Gewerkschaften vorbehalten, welche im Namen der Betroffenen klagen können.
Wer ist vom deutschen Gesetz konkret betroffen?
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist in § 1 geregelt, wonach ab dem 01.01.2023 zunächst nur folgende Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen:
- Solche mit in der Regel mindestens 3000 Arbeitnehmern im Inland, die (i) ihre Hauptverwaltung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsgemäßen Sitz im Inland haben oder, die (ii) eine Zweigniederlassung im Inland haben und in dieser Zweigniederlassung in der Regel mindestens 3000 Arbeitnehmer beschäftigen.
- Ab dem 01.01.2024 soll das Gesetz weiters Unternehmen bzw Zweigniederlassungen im Inland mitumfassen, welche mindestens 1000 Arbeitnehmer beschäftigen.
- Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl einer Konzernmutter werden konzernangehörige Gesellschaften mitberücksichtigt. Auch sind ins Ausland entsandte Arbeitnehmer miterfasst. Leiharbeitnehmer werden bei der Berechnung nur bei Übersteigen einer Einsatzdauer von 6 Monaten mitberücksichtigt.
Die Autorinnen und Autoren
- Mag. Andreas Daxberger ist Rechtsanwalt und Partner bei DLA Piper Weiss-Tessbach. Er ist Spezialist für Prozessführung und vertritt Mandanten vor nationalen Gerichten und in internationalen Schiedsverfahren.
- Mag. Jasmina Kremmel ist Rechtsanwältin bei DLA Piper Weiss-Tessbach. Ihre Schwerpunkte sind Handels- und Vertriebsrecht, Dispute Resolution und Litigation.