Gastkommentar. Deutschland und weitere Länder haben ein Lieferkettengesetz beschlossen, auf EU-Ebene soll es kommen. Wann folgt Österreich – und müssen unsere Unternehmen ohnehin bereits mitziehen? Das analysieren DLA Piper-Partner Andreas Daxberger und DLA Piper-Spezialistin Jasmina Kremmel in ihrem Gastbeitrag (Teil 2).
Lieferkettensorgfalt – wann kommt das Gesetz in Österreich?
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hat nicht nur eine Auswirkung auf deutsche Unternehmen, sondern aufgrund des Anwendungsbereichs sind auch österreichische Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen bereits davon betroffen.
- Das Gesetz dehnt seine Anwendung auch auf ausländische Unternehmen aus, welche eine Zweigniederlassung im Inland (Deutschland) haben, sofern sie den Schwellenwert der vorausgesetzten Arbeitnehmer überschreiten (bis 2024 3.000, ab 2024 1.000 Arbeitnehmer).
- Da das Gesetz ferner auch eine Verpflichtung der vom Anwendungsbereich umfassten Unternehmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten gegenüber ihren unmittelbaren Lieferanten vorsieht, können auch österreichische Lieferanten/Unternehmen innerhalb der Lieferkette diversen Anforderungen ausgesetzt sein, dies ungeachtet ihrer Größe bzw Arbeitnehmerzahl.
- Österreichische Unternehmen, die also als unmittelbare Zulieferer von in Deutschland ansässigen Unternehmen tätig sind, sind daher ebenfalls vom deutschen Gesetz mitumfasst und können unter Umständen aufgrund der vom deutschen Unternehmen durchzuführenden Risikoanalyse zu allfälliger Mitwirkung und/oder Auskunft sowie zu Duldung von Kontrollmaßnahmen faktisch gezwungen werden.
Schwachstellen des neuen Gesetzes
Das im Juni 2021 in Deutschland verabschiedete Gesetz hat bereits zu Kritik geführt. Festgehalten werden kann, dass das Gesetz im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf erheblich entschärft wurde. Ein – nach Ansicht der Verfasser zutreffender – Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass das Gesetz keine Risikobranchen ungeachtet der Unternehmensgröße mitumfasst und gerade jene kleine und mittlere Unternehmen im Textil-, Chemie- oder Lebensmittelsektor nicht in den Anwendungsbereich mitaufgenommen hat.
Das Gesetz hätte durchaus unabhängig von der Arbeitnehmerzahl insbesondere die klassischen Risikobranchen, welche anfällig für Menschenrechtsverletzungen, mangelnde Arbeitnehmer-Konditionen sowie für drohende Umweltzerstörungen sind, mitberücksichtigen können und auch sollen. Ferner sieht das verabschiedete Gesetz einen höheren Schwellenwert von 1.000 Arbeitnehmern ab 01.01.2024 statt ursprünglich 500 vor. Der gesetzlich verankerte Schwellenwert wird von Kritikern zu Recht als zu hoch erachtet.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Adressatenkreis. Die im Gesetz vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten gelten nur gegenüber den direkten sogenannten unmittelbaren Zulieferern, während die mittelbaren Lieferanten nur dann, falls das Unternehmen Kenntnis von Verstößen gegen Menschenrechte, Arbeitsrechte, Gesundheitsschutz sowie Umweltschutz erlangt, zB wenn Beschwerden von Mitarbeitern eines mittelbaren Lieferanten (etwa eines Plantagearbeiters aus einem afrikanischen) das deutsche Unternehmen erreicht. Der Großteil der drohenden Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltzerstörungen finden jedoch gerade ganz zu Beginn der Lieferkette statt. Eine Risikoanalysenpflicht auch mit Bezug auf mittelbare Lieferanten innerhalb der gesamten Lieferkette und nicht erst bei einem Hinweis auf ein pflichtwidriges Verhalten hätte jedenfalls zum Schutzzweck des Gesetzes beigetragen.
Auch was den Schutz vor Umweltschäden und Zerstörungen betrifft, wird Kritik ausgesprochen, da das Gesetz nur jene umweltbezogenen Zerstörungen abdeckt, welche zur Verletzung von Gesundheit der Menschen im Betrieb oder in der Umgebung führen wie zB wenn durch den Geschäftsbetrieb unmittelbar die Trinkwasserversorgung aufgrund giftiger Chemikalien gefährdet wird. Andere umwelt- und klimabezogene Aspekte werden vom Gesetz demgegenüber nicht oder kaum gedeckt.
Zu guter Letzt sind auch die Sanktionsmöglichkeiten umstritten, da das Gesetz nur Bußgelder und keine zivilrechtliche Haftung vorsieht, obwohl letzteres ursprünglich geplant war. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat sich demgegenüber Ende Jänner für einen Gesetzesentwurf mit zivilrechtlicher Haftung ausgesprochen und erwägt die EU auch Importverbote als Sanktionen zu inkludieren, wie dies beispielsweise in den USA der Fall ist, wonach ein Importverbot für jene Produkte gilt, welche unter schweren Menschenrechtsverstößen hergestellt wurden.
Welche Bestrebungen für die Einführung eines Lieferkettengesetzes auf österreichischer Ebene gibt es aktuell?
Auch in Österreich gibt es bereits von einigen Stellen (zB der zivilgesellschaftlichen Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze“, welche von der AK, NGOs sowie des ÖGB lanciert und von der Treaty Alliance Österreich als Zusammenschluss von Organisationen getragen wird) die Forderung an die Regierung, die Leitlinien der Vereinigten Nationen in Form eines Lieferkettengesetzes umzusetzen. Eine Bürgerinitiative für die Einführung eines entsprechenden Gesetzes in Österreich läuft bereits.
Die Entscheidung über einen im März 2021 von Abgeordneten eingebrachten Entschließungsantrag betreffend ein Lieferkettengesetz für eine soziale, menschenrechtskonforme und nachhaltige Produktionsweise wurde im Umweltausschuss des Nationalrats von der Mehrheit der Abgeordneten mit der Begründung vertagt, dass die Initiative auf Ebene der Europäischen Union abgewartet werden soll.
Ist die Einführung eines Lieferkettengesetzes auf EU-Ebene geplant?
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat Ende Jänner 2021 für ein EU-Lieferkettengesetz gestimmt und auch bereits die inhaltlichen Anforderungen an ein entsprechendes Gesetz formuliert. Ein Gesetzesentwurf auf EU-Ebene wurde für Dezember 2021 angekündigt. Nach aktuellen Informationen aus der EU ist vorgesehen, dass die Kommissionsentwürfe (man rechnet mit zwei Richtlinien) am 8. Dezember 2021 veröffentlich werden. Am 2. November 2021 kam es zur Aussprache im EU-Unterausschuss des Parlaments mit der österreichischen Justizministerin. Unter anderem wurde darin festgehalten, dass verbindliche Regeln im Sinne eines Lieferkettengesetzes auch zu einem faireren Wettbewerb beitragen und jenen heimischen Unternehmen helfen, die menschenrechtlichen Standards einzuhalten, so Zadić. Sie werde sich daher für eine rasche Vorlage eines Vorschlags der Kommission einsetzen. Sollte es nicht dazu kommen, so wolle sie auf österreichischer Ebene einen Vorschlag erarbeiten, sagte die Justizministerin.
Es wäre jedenfalls wünschenswert, dass ein entsprechendes Gesetz in Österreich bezüglich des Anwendungsbereichs eher niedrigere Schwellenwerte allenfalls sogar mit einer Koppelung an Mindestumsätze vorsieht.
Durch eine EU-weite Regelung würde in der Tat Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, Transparenz sowie auch wettbewerbsbezogene Gleichheit für alle Unternehmen in der Europäischen Union geschaffen werden können.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob durch eine Regelung auf EU-Ebene die Zielsetzung erreicht werden kann. Die Auferlegung von Sorgfaltspflichten und eine daraus resultierende unternehmerische Verantwortung entlang der Lieferkette hinsichtlich allfälliger Risiken von menschenrechtlichen sowie umweltbezogenen Risiken ist jedenfalls ein wichtiger Meilenstein zur Förderung einer menschenwürdigen und einer nachhaltigen sozialgerechten und Arbeits- und Produktionsweise.
Die Autorinnen und Autoren
- Mag. Andreas Daxberger ist Rechtsanwalt und Partner bei DLA Piper Weiss-Tessbach. Er ist Spezialist für Prozessführung und vertritt Mandanten vor nationalen Gerichten und in internationalen Schiedsverfahren.
- Mag. Jasmina Kremmel ist Rechtsanwältin bei DLA Piper Weiss-Tessbach. Ihre Schwerpunkte sind Handels- und Vertriebsrecht, Dispute Resolution und Litigation.