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„Unschuldsvermutung muss das bleiben, was sie ist“

Michael Enzinger ©Atelier Kutschera / RAK Wien

Wien. Die Herausforderungen für die Anwälte sind mit und ohne die Corona-Pandemie weiter groß, so Wiens RAK-Präsident Michael Enzinger: Er sieht die Unschuldsvermutung in Gefahr.

Wie schon 2021 musste aus Sicherheitsgründen auch 2022 der traditionelle Neujahrsempfang der Rechtsanwaltskammer Wien abgesagt werden. Univ-Prof. Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwaltskammer (RAK) Wien, sieht in seiner Videobotschaft (statt der traditionellen physischen Neujahrsansprache) die Unschuldsvermutung in Gefahr.

Umgehen mit der Pandemie

Die Corona-Pandemie hat Österreich, Wien und die Rechtsanwaltskammer Wien nun schon fast zwei Jahre im Griff. Corona ist ein ständiger Begleiter unserer Gesellschaft geworden. „Die gesellschaftlichen Gräben, die sich durch Agitation, Fake News und radikale Elemente aufgetan haben, dürfen keine Zukunft in unserer Demokratie haben“, sagt RAK Wien Präsident Enzinger.

„Man kann etwa zur Frage der Impfpflicht verfassungsrechtlich oder rechtspolitisch unterschiedlicher Meinung sein. Meinungsvielfalt ist das Fundament einer Demokratie. Niemals aber darf das Argument der Worte durch Gewalt auf der Straße, vor Spitälern, Schulen oder Gerichten ersetzt werden. Das ist das Wesen eines Rechtsstaates, für den wir, die Rechtsanwaltschaft, stehen“, so Enzinger.

Aktuelle Themen für Wien

Die Rechtsanwaltskammer Wien werde ihren Beitrag dazu weiter leisten. Für die knapp 3.500 Wiener Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte genauso, wie für die rund 1.400 Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter und die rechtsuchende Bevölkerung. Die erste anwaltliche Auskunft etwa – ein sehr gefragtes Service der Kammer für die Menschen – werde wie zuletzt weiter telefonisch angeboten.

Für den Berufsstand seien 2022 zudem wichtige Zukunftsthemen auf den Weg zu bringen. Der Generationenvertrag sei genauso weiterzuentwickeln wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Reaktion auf stete Veränderungen im Alltag der Rechtsanwaltschaft.

„Was ein Rechtsstaat ist, zeigt sich erst in der Krise“

2021 hat für den Rechtsstaat aber vor allem die Wichtigkeit ordentlicher Rahmenbedingungen für die Gerichtsbarkeit in den Fokus gerückt. „Wir sehen, dass die Rechte von Beschuldigten durch Fehlentwicklungen der jüngeren Vergangenheit bei behördlichen Verfolgungsmaßnahmen und durch mediale Vorverurteilungen mit Füßen getreten werden. Die Unschuldsvermutung muss das bleiben, was sie ist. Sie darf nicht zur öffentlichen Schuldvermutung werden“, ist sich Enzinger sicher. Das gelte auch für selbsternannte Plagiatsjäger.

Die Regel des ‚fair trial‘ müsse auch für Großverfahren gelten: „Zivil- oder Strafverfahren in kleinen Verhandlungssälen bei geöffnetem Fenster und Minusgraden sind inakzeptabel. Überlange Verfahrensdauer darf im Zeitalter der Digitalisierung nicht mit Ressourcenknappheit oder zigtausend Aktenseiten beschönigt werden. Gerichtsverfahren sind auch keine Online-Yogastunde. Was ein Rechtsstaat ist, zeigt sich erst in der Krise“, so Enzinger.

 

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