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Business, Recht, Steuer

Geplantes Lieferkettengesetz: Zu hart, zu weich

©Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Parlament. Im Vorfeld der Präsentation des EU-weiten Lieferkettengesetzes wurde das Thema im Nationalrat diskutiert: Menschenrechte und Wirtschaftsaspekte prallen dabei aufeinander, national wie auf EU-Ebene.

Im Vorfeld der Präsentation eines EU-weiten Lieferkettengesetzes durch die EU-Kommission wählten die Grünen für ihre Aktuelle Europastunde im Nationalrat das Thema: „Menschenrechts- und Umweltverbrechen in Lieferketten: Verantwortlichkeit für Konzerne im Europäischen Zivil- und Strafrecht“.

Konkret gehe es beim Lieferkettengesetz darum, Sorgfaltspflichten für große Unternehmen zu verankern, um sicherzustellen, dass die an der Lieferkette beteiligten Unternehmen Umwelt- und Klimaschutz sowie Menschen- und Arbeitsrechte auch einhalten. Verstöße gegen die Regeln sollen Sanktionen nach sich ziehen, Unternehmen sollen auch haftbar gemacht werden können und Opfern will man den Zugang zur Geltendmachung ihrer Rechte erleichtern.

Der Vorstoß der Kommission fiel grundsätzlich auf breite Unterstützung, so die Parlamentskorrespondenz. Unterstrichen wurde jedoch vielfach, dass Klein- und Mittelbetriebe nicht unnötig bürokratisch belastet werden dürften. Im Gegensatz zu Österreich haben andere Länder, etwa Deutschland, bereits ein eigenes Lieferkettengesetz in Vorbereitung oder sogar schon umgesetzt: Auch hier prallen diese Aspekte aufeinander.

Unternehmens-Bashing als Ziel?

ÖVP und Neos drängen bei diesem Thema insbesondere auf die Praktikabilität der Regelungen und wehrten sich gegen das „Unternehmens-Bashing“. Grüne und SPÖ bedauerten, dass der Vorschlag der Kommission hinter den Beschlüssen des EU-Parlaments bleibe. Die FPÖ sprach hingegen von „unausgegorenen Utopien“, ohne aber das Ziel einer menschen- und umweltgerechten Produktion infrage zu stellen.

Man habe lange versucht, den Weg der Freiwilligkeit im Kampf gegen Umweltzerstörung und Ausbeutung von Menschen zu gehen, sagte die grüne Justizministerin Alma Zadić, aber das habe nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Unwürdige Produktionsbedingungen würden immer wieder zu ökologischen und menschlichen Katastrophen führen. Sie unterstütze daher das Vorhaben der EU-Kommission, Regeln für eine menschenwürdige Arbeit in einer gesunden Umwelt sicherzustellen, ohne dabei Klein- und Mittelbetriebe (KMU) überbordend zu belasten. Notwendig sei eine gesamteuropäische, effektive Lösung, und dafür werde sie sich einsetzen, so Zadić.

„Vorteile für redliche Unternehmen“

Es müssten ordentliche Sorgfaltspflichten für die gesamte Wertschöpfungskette vereinbart, entsprechende Haftungen verankert und der Zugang der Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu den Gerichten verbessert werden, definierte Zadić das Ziel des Gesetzespakets. Das hätte auch Vorteile für Unternehmen, die sich schon bisher an entsprechende Standards gehalten haben, merkte sie an, denn diese hätten durch einen fairen Wettbewerb keine Nachteile mehr.

Auch seitens der grünen Parlamentsfraktion wurde das EU-Vorhaben klar unterstützt. Viele Produkte würden unter hochproblematischen Bedingungen hergestellt, sagte etwa Michel Reimon und sah dafür auch den europäischen Konsum verantwortlich. Was in der EU verboten ist, darf nicht ausgelagert werden, fasste Ewa Ernst-Dziedzic das Ziel des Lieferkettengesetzes zusammen. Dem schloss sich auch die Grüne Abgeordnete im EU-Parlament Monika Vana an. Nur ein einheitliches europäisches Vorgehen könne sicherstellen, dass Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden und jene, die sich an Regeln halten, keine Wettbewerbsnachteile erleiden.

Sie bedauerte, dass der Vorschlag der EU-Kommission hinter jenem des EU-Parlaments bleibt. So fehlt ihr beispielsweise ein Importstopp für Produkte, die unter menschenunwürdigen Bedingungen und Kinderarbeit erzeugt wurden. Auch die Beschränkung der Kontrollen auf sogenannte etablierte Geschäftsbeziehungen hält sie für ein bedenkliches Schlupfloch.

Reimon wies auf den Plan der EU-Kommission für ein umfangreiches Paket hin, das Lieferkettengesetz stelle in dieser Serie von Maßnahmen einen zentralen Punkt dar. In diesem Zusammenhang nannte er die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen, wo nun verpflichtende Standards festgeschrieben werden sollen. Auch die Verschärfung des Umweltstrafrechts und die Aufhebung von sechs Investitionsschutzabkommen wertet er als einen wesentlichen Schritt.

„Regeln müssen praktikabel sein“

Auch die Redner*innen der ÖVP unterstrichen die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns. Wohlstand auf Kosten anderer sei nicht zu akzeptieren. Sie pochten aber eindringlich auf die Praktikabilität der Regelungen. Für ein Exportland wie Österreich sei es wichtig, so Johannes Schmuckenschlager, dass die Rahmenbedingungen auch erfüllt werden können. KMU dürften nicht zu sehr belastet werden, die europäische Produktion dürfe nicht geschädigt werden, so sein Credo. Man müsse mit europäischer Qualität punkten können. Angesichts der Lieferschwierigkeiten im Zuge der Covid-19-Pandemie plädierte er zudem dafür, Produktionen wieder nach Europa zu holen.

Ins gleiche Horn stießen seine Klubkollegin Maria Theresia Niss und die EU-Abgeordnete der ÖVP Angelika Winzig. Beide wehrten sich gegen die in ihren Augen geführte unsachliche und ins Ideologische abgleitende Diskussion, die zu einem einseitigen Bashing der Unternehmen führe. Die Wirtschaft sei bei der Umsetzung des Green Deals nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung, monierte Niss. Hinterfragt wurde insbesondere eine allzu lange Nachkontrolle der Lieferkette. Auch das Betriebsgeheimnis muss Winzig zufolge gewahrt bleiben. Sie unterstrich mit Nachdruck, dass die KMU nicht in die Regelung hineinfallen dürfen.

„EU-Vorschlag geht nicht weit genug“

Die SPÖ-Mandatar*innen unterstützten ebenfalls das Vorhaben der EU, halten aber den vorliegenden Entwurf für zu wenig weitgehend. Selma Yildirim wies auf Anträge ihrer Fraktion hin, die im Ausschuss liegen. Diese zielten auf die Unterstützung heimischer KMU gegenüber jenen Unternehmen ab, die sich nicht an die Standards halten. Die europäischen Konsument*innen hätten ein Recht darauf, dass sie Produkte kaufen können, die keine Menschen ausbeuten und nicht die Umwelt zerstören, sagte Petra Bayr. Sie kritisierte, dass die Anwendbarkeit des vorliegenden EU-Vorschlags nur ein Prozent der europäischen Betriebe betreffe und der Zugang der Opfer zu ihrem Recht mit unendlich vielen Hürden gepflastert sei. Bayr forderte zudem die Einbindung wichtiger Stakeholder, wie etwa der Gewerkschaften. Für sie bleibt auch das Ziel, die gesamte Lieferkette zu erfassen, eine leere Worthülse. Die EU-Kommission hängt in ihren Augen am Gängelband der Konzerne.

Die Redner*innen der Sozialdemokratie übten in diesem Zusammenhang auch scharfe Kritik an der Gewinnmaximierung. Was für die EU gilt, müsse auch für Länder außerhalb Europas gelten, merkten dazu Selma Yildirim und EU-Abgeordneter Günther Sidl an, die sich vehement für gesetzliche Regelungen gegen die Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen und Kindern aussprachen. 40 Millionen Menschen weltweit würden Zwangsarbeit verrichten, 150 Millionen Kinder würden bereits ab dem Alter von 5 Jahren arbeiten, rechnete Sidl vor. Es werde auch die Umwelt geopfert, wenn es um Profit geht, fügte er hinzu. An der Marktlogik habe sich nichts geändert. Angesichts der mehrmaligen Anläufe für ein Lieferkettengesetz meinte er, dass die Zeit drängt. Es könne nicht sein, dass Konzerne die Produktion in Länder mit keinen oder niedrigen ökologischen, sozialen, arbeitsrechtlichen und menschenrechtlichen Standards auslagern und dort billigst produzieren.

FPÖ befürchtet Wettbewerbsnachteile

Auch wenn die Freiheitlichen wie die anderen Fraktionen menschenunwürdige und umweltzerstörerische Produktion anprangerten, zeigten sie sich skeptisch, was die Praktikabilität des EU-Vorschlags betrifft. Das sei eine „aktuelle Märcheneuropastunde“ bemerkte Axel Kassegger, die Dinge würden nicht zu Ende gedacht.

Kassegger warnte vor überschießenden, selbstbeschränkenden Compliance-Regeln, die sich für heimische und europäische Unternehmen nachteilig auswirken würden. Man vernichte damit beispielsweise die Rohstoffindustrie, die nach China auswandern werde. Walter Rauch griff in diesem Zusammenhang scharf die Grünen an, die die schlimmen Bedingungen beim Rohstoffabbau für die Batterien für die E-Mobilität völlig ausblenden würden.

Neos sehen unpraktische Regeln und erinnern an freien Handel

Auch die Neos sprechen sich für einheitliche Regelungen aus, zeigten sich aber insofern skeptisch, als sie die Praktikabilität der vorliegenden Bestimmungen bezweifeln. Sie wünschen sich eine breite und umfassende Diskussion zu den Vorschlägen, und sprechen sich darüber hinaus für eine noch breitere Diskussion über diese Fragen in einer Allianz mit Staaten außerhalb Europas aus, die sich der Demokratie, dem Frieden und der ökosozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlen.

Die Regeln müssten einheitlich, praktikabel und transparent sein. Es gehe um unternehmerische Verantwortung und Sorgfalt und um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Keinesfalls dürfe es zu einem „Fleckerlteppich“ auf diesem Gebiet kommen. KMU werden die Lieferbetriebe nicht kontrollieren können, sagte Henrike Brandstötter. Die Anliegen der KMU gingen in Brüssel oft unter. Sie stellte auch die Frage in den Raum, was das Gesetz etwa für Einzelunternehmer*innen bedeutet.

Die Neos nahmen in ihren Redebeiträgen die Unternehmen und den Handel etwas in Schutz. Der Wohlstand baue auf drei Säulen auf, merkte Michael Bernhard an, nämlich auf Globalisierung, Freihandel und EU. Unternehmen hätten die Aufgabe, erfolgreich zu arbeiten, die Politik habe den Rahmen dafür zu setzen.

 

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