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Business, Recht

Geschütze Herkunftsbezeichnung Glashütte: „Sehr langer Atem nötig“

Wolfgang Straub ©NOMOS Glashütte

Marken & Schutz. Die Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ ist in Deutschland nun gesetzlich geschützt – die erste Maßnahme dieser Art seit rund 80 Jahren. Vergleichbar sind „Solingen“ oder „Swiss Made“. Anwalt Wolfgang Straub spricht im Interview über ein jahrzehntelanges Mandat – und die Frage, ob sich Glashütte als Beispiel für andere Regionen Europas eignet.

Extrajournal.Net: Wie hat sich die Idee entwickelt, Glashütte nach dem – inzwischen schon historischen – Vorbild von Solingen zu einer geschützten Herkunftsbezeichnung zu verhelfen? Warum hat man diesen Weg eingeschlagen, und welche juristischen Fragen galt es dabei zu klären?

Wolfgang Straub: Mit dem Aufschwung der Uhrenindustrie in Glashütte ab 1989 kam es auch zu Fällen, in denen die Herkunftsbezeichnung irreführend und zur Verbrauchertäuschung verwendet wurde. Mehrere gerichtliche Entscheidungen legten inhaltliche Voraussetzungen für die Verwendung von „Glashütte“ für Uhren fest. Die sogenannte Glashütte-Regel besagt, dass die Wertschöpfung am Uhrwerk zu mindestens 50% in Glashütte erbracht werden muß.

Der Bürgermeister der Stadt Glashütte versuchte, mit der Uhrenindustrie einen Schutz der Herkunftsbezeichnung durch eine Verbandsmarke zu erreichen, um sich gemeinsam auf Qualitätsanforderungen, die sich bis dahin nur aus Gerichtsurteilen ergaben, zu einigen. Denn die gerichtlichen Entscheidungen galten nur im Verhältnis zwischen den Parteien. Mit einer Verbandsmarkensatzung hätten die Uhrenhersteller in Glashütte durch vertragliche Vereinbarung untereinander die qualitativen Voraussetzungen für die Benutzung von „Glashütte“ regeln können.

Vereinbarung aller Unternehmen wäre Alternative gewesen

Leider kam eine solche Vereinbarung zwischen allen Uhrenherstellern in Glashütte nicht zustande. Deshalb wurde mit Erfolg versucht, die Qualitätsanforderungen durch Verordnung für alle verbindlich festzuschreiben.

Bei den Arbeiten an der Verordnung waren u. a. zu klären

  • Qualitätsanforderungen (Wertschöpfung, relevante Verabeitungsschritte, die in Glashütte erfolgen müssen)
  • Räumlicher Umgriff von Glashütte unter Berücksichtigung der historisch gewachsenen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Stadt Glashütte und dem Umland
  • Bestimmte Ausnahmen für Verarbeitungsschritte, die im Rahmen einer arbeitsteiligen Produktion oft außerhalb von Glashütte stattfinden

Extrajournal.Net: Wie lange hat der gesamte Prozess gedauert?

Wolfgang Straub: Das erste Gerichtsurteil zur Glashütteregel stammt von 1993. Die Bemühungen um einen Schutz durch Verbandsmarke oder Verordnung dürften insgesamt etwa 13 Jahre gedauert haben.

Extrajournal.Net: Was ändert sich für die Unternehmen am Standort „Glashütte“ in der Praxis?

Wolfgang Straub: Jeder Uhrenhersteller, der die geographische Herkunftsangabe „Glashütte“ für Uhren verwenden möchte, muß sich an die Vorgaben der GlashütteVO halten. Tut er das nicht, ist er markenrechtlichen Ansprüchen auf Auskunft, Vorlage, Besichtigung, Unterlassung, Beseitigung, Rückruf, Vernichtung, Urteilsbekanntmachung und unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz ausgesetzt. Solche Ansprüche wegen unberechtigter Nutzung der Herkunftsangabe stehen Mitbewerbern, qualifizierten Verbänden von Mitbewerbern und Verbrauchern, IHKs und Handwerkskammern zu.

So wird eine Region zur Marke

Extrajournal.Net: Erwarten Sie dass andere deutsche Regionen dem Beispiel von „Glashütte“ und „Solingen“ folgen könnten? Ist das Modell auch auf europäischer Ebene praktikabel?

Wolfgang Straub: Voraussetzungen für das Entstehen eines guten Rufes von geographischen Herkunftsbezeichnungen sind in der Regel eine beim Publikum anerkannte Qualität, in der Regel aufgrund längerer Tradition, und ein deutlicher regionaler Bezug.

Das deutsche Markenrecht sieht unter besonderen Voraussetzungen einen (allgemeinen) Schutz geographischer Herkunftsangaben vor (§§ 126 ff. MarkenG). Die Durchsetzung ist schwierig. Es gibt darüber hinaus aufgrund europäischen Rechtes (VO EU 1151/2012) die Möglichkeit, geographische Herkunftsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel eintragen und schützen zu lassen (Münchener Bier, Schwarzwälder Schinken). Für industrielle Erzeugnisse gibt es das noch nicht.

Es ist denkbar, dass auch andere Industrieregionen sich um einen Schutz ihrer geographischen Angabe bemühen könnten. Die Erfahrung zeigt aber, dass man hierfür einen sehr langen Atem braucht.

Im Interview

Dr. Wolfgang Straub ist OF Counsel bei der Münchner Kanzlei Klaka Rechtsanwälte. Er ist auf Energierecht, Kartellrecht und Wettbewerbsrecht spezialisiert und begleitet seit 28 Jahren den Uhrenhersteller NOMOS Glashütte u.a. zum Thema Herkunftsbezeichnung.

 

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