Stellenausschreibungen. Wissenschaftlerinnen der Uni Salzburg haben untersucht, wie sich das Gleichbehandlungsgesetz auf Stellenanzeigen ausgewirkt hat. Ihr Schluss: Die erhoffte Besserstellung von Frauen wurde verfehlt.
Vor 10 Jahren wurden Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, in Stellenanzeigen Gehaltsangaben zu machen. Das damit intendierte Ziel der Geschlechtergleichstellung sei jedoch im Laufe der Umsetzung des Gesetzes weitgehend aus den Augen verloren worden, so das Ergebnis der Wirtschaftswissenschaftlerinnen Astrid Reichel und Isabella Scheibmayr von der Uni Salzburg nach der Analyse von über 300 Dokumenten rund um die entsprechende Gesetzesnovelle zum Gleichbehandlungsgesetz.
Die Hintergründe:
- In einer Gesetzesnovelle des Jahres 2011 wurde das Gleichbehandlungsgesetz im Paragraphen, der die geschlechterneutrale Stellenausschreibung regelt, dahingehend erweitert, dass Arbeitgeber und Arbeitsvermittlungsorganisationen verpflichtet sind, „in der Ausschreibung das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektivvertraglich oder das durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt anzugeben und auf die Bereitschaft zur Überzahlung hinzuweisen, wenn eine solche besteht“ (BGBl. I Nr. 7, 2011).
- 2013 wurde dieser Abschnitt um Arbeitsverträge erweitert, die nicht einem Tarifvertrag, einem Gesetz oder einer anderen kollektivvertraglichen Norm unterliegen, was in Österreich ganz wenige Berufe betrifft (BGBl. Nr. 107, 2013).
- Das Ziel der Gesetzesnovelle war, den Gender Pay Gap in Österreich, der einer der größten in der EU ist, zu verringern und so einen wichtigen Beitrag zur Geschlechtergleichstellung zu leisten.
Kampf um die Deutungshoheit des Gesetzes
Um die bei der Implementierung dominierenden Akteure zu identifizieren und die Prozesse nachvollziehen zu können, haben Astrid Reichel und Isabella Scheibmayr (Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Fachbereich BWL) in einem Forschungsprojekt über 300 Dokumente bestehend aus Gesetzesentwürfen, parlamentarischen Diskussionen, Stellungnahmen, Implementierungsrichtlinien von Sozialpartnern sowie Texten von Personalmanager*innen und Personaldienstleister*innen rund um die Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2011 zum Gleichbehandlungsgesetz gesammelt und analysiert.
„Die Frage, welche Umsetzung in der Praxis als legitim angesehen wird, ist ja Resultat von Aushandlungsprozessen zwischen vielen Akteuren mit teilweise divergierenden Absichten und politischen Realitäten, die um Deutungsmacht konkurrieren, um legitime Umsetzungen bestimmen zu können. Im Zuge dieser Prozesse ist es auch möglich, dass Anreize, die in der Gesetzgebung ursprünglich intendiert sind, sich in der Umsetzung nicht entfalten, der erwünschte Verhaltenseffekt verfehlt und vermehrte Gleichstellung nicht erreicht wird“, sagt Astrid Reichel, Professorin für Human Resource Management an der Uni Salzburg, und stellt fest, dass genau das bei den verpflichtenden Gehaltsangaben in Jobannoncen letztlich passiert ist.
„Es haben sich teilweise Praktiken entwickelt, die der Geschlechtergleichstellung sogar zuwiderlaufen, zum Beispiel wenn Personaldienstleister, wie Headhunter oder Karriereplattformen, Gehaltsinformationen auch dafür verwenden, um Gehaltsverhandlungen zu vermeiden, was eindeutig dem ursprünglichen Ziel des Gesetzes widerspricht“, so Reichel.
Von der Gleichstellungsidee zum Kampf um die besten Köpfe
„In der Phase der Gesetzgebung von 2009 bis 2011 und kurz danach, liegt der Fokus des Diskurses noch auf Gleichstellung und auf Transparenz als Mittel diese zu erreichen. Es geht darum, die ‚Mauer des Schweigens‘ rund um die Bezahlung abzubauen. Mehr Information für die Bewerberinnen soll ihre Position gegenüber den potentiellen Arbeitgebern stärken. Das Gesetz sieht die Arbeitgeber in der Verantwortung, diese Information zu liefern“, so Isabella Scheibmayr, Postdoc in der Human Resource Management Group der Uni Salzburg.
Im Jahr 2013 wurde das Gesetz erweitert, um auch diejenigen Arbeitsverträge zu erfassen, die nicht kollektivvertraglich abgedeckt sind. Da es für diese Verträge keinen Bezugspunkt für das Mindestentgelt gibt, wurde festgelegt, dass in der Stellenausschreibung jenes Entgelt anzugeben sei, „das als Mindestgrundlage für die Arbeitsvertragsverhandlungen zur Vereinbarung des Entgelts dienen soll”.
Obwohl die Erweiterung sehr wenige Berufsgruppen betrifft, habe die Verwendung des Begriffes der Verhandlung das Framing des Gleichstellungskonzepts maßgeblich verändert: „Der Fokus der Debatten bewegt sich weg von den Arbeitgebern und hin zu den Frauen. Das Stereotyp, dass Bewerberinnen systematisch geringeres Verhandlungsgeschick als Bewerber hätten, wird hier aufgegriffen“ so Scheibmayr.
Ungleichheitsfördernde Gehaltsangaben
Danach verschiebe sich der Fokus von der Gleichstellung schließlich auf die „gute Human Resource Management Praxis“. Die Gehaltsangabe werde im Sinne des strategischen HRM in Verbindung zu „Talentmanagement“, dem „Kampf um die besten Köpfe“ und einer Reduktion von Lohnkosten gebracht. Gleichstellung sei aus dem Diskurs völlig verschwunden und es werden auch Praktiken beworben, die sogar hinderlich für das Erreichen von Gleichstellungszielen sind, so die Autorinnen und nennen dafür Beispiele.
- „Eine Personaldienstleisterin hat von der Praktik berichtet, Bewerberinnen nach ihrem früheren Gehalt zu fragen. Diese Information wird in der Folge für den Auswahlprozess und für Gehaltsverhandlungen genutzt. Doch Bewerberinnen nach ihrem früheren Gehalt zu fragen, schreibt ungleiche Löhne fort und ist daher in einigen US-Staaten wegen diskriminierender Wirkung dezidiert verboten,“ so Reichel.
- „Ein weiteres Beispiel sind Berichte aus der HR-Community, dass Einkommensangaben in bestimmten Fällen dafür genutzt werden, um Gehaltsverhandlungen zu vermeiden, was dem ursprünglichen Ziel des Gesetzes klar widerspricht“, so Scheibmayr.
- Recruiter berichten laut den Forscherinnen auch davon, dass Firmen Gehaltsangaben strategisch nutzen, um potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern besser signalisieren zu können, wer für den Job geeignet ist und wer nicht. Beispielsweise werde für manche Stellen nur das Mindestgehalt angegeben, für andere Positionen ein realistisches Gehalt. Damit reproduzieren sie bestehende Einkommensunterschiede zwischen Berufsgruppen und potentielle Bewerberinnen und Bewerber werden eventuell abgeschreckt, sich zu bewerben. Auch das läuft dem ursprünglichen Ziel des Gesetzes zuwider, so die Autorinnen.