Interview. Die Compass-Gruppe ist einer der großen Player im Geschäft mit Wirtschaftsinformationen in Österreich. Die Digitalisierung der Behördenwege eröffnet jetzt neue Möglichkeiten, sagt Geschäftsführer Hermann Futter: Von der elektronischen Signatur bis zur Frage, ob auf der Liste der EU-Sanktionen die richtigen russischen Oligarchen stehen.
Extrajournal.Net: Als Verlag gehen Ihre Wurzeln eineinhalb Jahrhunderte zurück. Was sind heute die wichtigsten Geschäftssparten?
Hermann Futter: Wir sind jetzt 155 Jahre alt und haben im letzten Jahr mit 80 Leuten rund 20 Millionen Euro Umsatz gemacht. 2017 – vor 5 Jahren – waren es noch 67 Personen. Wir wachsen also, und zwar vor allem im Bereich IT. Die Hälfte unserer Mitarbeiter befasst sich heute damit und nicht mit manueller Contentproduktion. Unser Kernprodukt ist der Wirtschafts-Compass, das wahrscheinlich komplexeste Wirtschaftsinformationssystem des Landes. Beginnend mit angestammten Firmeninformationen, weshalb es früher Firmen-Compass geheißen hat. Wir haben es vor einigen Jahren umbenannt, um den breiteren Anspruch zu zeigen.
Wir bilden möglichst viele Primär-Datenpunkte ab, wie zum Beispiel Firmenbuch, Gewerberegister, Kammer-Register wie das der Notare oder Ärzte. Es sind ca. 35 Primärquellen. Wir sehen uns als Daten-Raffinerie. Unsere Kunden bekommen kein Rohöl, sondern die fertigen Produkte. Das kann bis hin zu ganz individuellen Lösungen gehen.
„KSV & Co sind Partner, keine Konkurrenten“
Extrajournal.Net: Was unterscheidet Sie von Bonitätsdatenanbietern?
Hermann Futter: Wir setzen zu 100 Prozent auf objektive Primärquellen wie das Firmenbuch und bereiten diese optimal auf. Ein Bonitätsinformationsdienst setzt dagegen auf verschiedene Datenquellen bis hin zum beobachteten Zahlungsverhalten und interpretiert diese dann, um zu einer Bonitätsbewertung eines Unternehmens zu kommen. Es ist also ein symbiotisches Verhältnis. Man kann über den Wirtschafts-Compass zum Beispiel die Bonitätsdaten des KSV abrufen, aber auch Firmen-Organigramme, das Wirtschaftliche Eigentümer-Register u.v.m. Unsere Kunden sind Banken, Versicherer, Wirtschaftstreuhänder, Anwälte, große Dienstleister, Personalberater und Finanzberater. Große ERP-Hersteller können über uns die Stammdaten in ihrer eigenen Datenbank anlegen und so ein Grundgerüst schaffen, das System schlägt ihnen dann über unser REST API (automatisierter Online-Zugriff, Anm. d. Red.) automatisch schon den Inhalt vor.
Konsumenten bleiben außen vor
Extrajournal.Net: Bieten Sie auch B2C-Informationen, also Konsumentendaten?
Hermann Futter: Nein, wir haben grundsätzlich keine Consumer-Informationen. Personenbezogene Daten haben wir nur solche, die aus einer amtlichen Datenbank stammen, die öffentlich ist: Geschäftsführer laut Firmenbuch, Patentinhaber gemäß Patentregister, usw. Dafür verknüpfen wir aber zahlreiche Informationsquellen und sind auch in verwandten Bereichen tätig, zum Beispiel sind wir die größte Verrechnungsstelle für Grundbuchauszüge des Landes.
Extrajournal.Net: Wohin entwickeln sich die Produktpalette, was kommt als Nächstes?
Hermann Futter: Es geht stark in Richtung Entitäten. So sind Personen und Firmen in vielen Datenbanken angelegt, wenn auch vielleicht mit divergierenden Schreibweisen. Dennoch handelt es sich um ein- und dieselbe Entität. Die zu erkennen und richtig zu verknüpfen ist ein ganz wichtiges Feld. Zum Beispiel jetzt bei den Sanktionen in Folge des Ukraine-Kriegs: Wir bieten den Banken Informationen darüber, ob ein Unternehmen oder auch eine Immobilie im Einflussbereich eines Oligarchen steht, der auf die Sanktionsliste gekommen ist. Das klingt einfach, nur müssen Sie bedenken: Auf Russisch wird der Name stets kyrillisch geschrieben, nur das ist das Original. Jeder Eintrag in einer westlichen Datenbank ist immer eine Transkription. Nur welche? Deutsch oder englisch? Richtig oder falsch transkribiert? Wir haben Personen in der Datenbank, die in 160 Unternehmen Funktionen ausüben, und zwar mit zahlreichen verschiedenen Schreibweisen. Es ist aber immer ein- und dieselbe Entität, es ist immer dieselbe Person.
„Woher weiß die Signatur, was ich darf?“
Extrajournal.Net: Derzeit tut sich in Österreich viel in Sachen Digitalisierung: Digitaler Akt, digitale Amtswege, ID Austria als Nachfolgerin der Handy-Signatur. Wie wird sich das auf das Geschäft der Informationsanbieter auswirken?
Hermann Futter: Ich sehe viele neue Möglichkeiten. Woher weiß z.B. der Aussteller einer digitalen Signatur, ob der Herr Futter, der gerade eine Signatur für die Compass-Gruppe beantragt hat, dafür überhaupt zeichnungsberechtigt ist? Der Anbieter muss dafür auf Informationsquellen zurückgreifen, und das bietet uns neue Möglichkeiten. Wir versuchen übrigens auch, durch Beteiligungen an Start-ups attraktive neue Wege frühzeitig zu erkennen. Wir sind einer der aktivsten Business Angels auf dem österreichischen Markt.
Extrajournal.Net: Sie haben vor fünf Jahren das digitale Tool Firmeninfo.at vorgestellt. Was ist daraus geworden?
Hermann Futter: Wir haben das Produkt als neues, niederschwelliges Angebot gestartet, als Relaunch des schon bestehenden früheren Compnet-Angebots. Das Ziel war dabei, auch kleinen Unternehmen ein Angebot machen zu können. Der Einstieg ist kostengünstig, Zusatzpakete kann man dann nach Bedarf abrufen. Und wer alle abruft, ist dann schon ein heißer Kandidat für den deutlich umfangreicheren Wirtschafts-Compass. Grundsätzlich wächst Firmeninfo.at, wir haben derzeit so etwa 5.000 Besuche pro Tag. Aber die Hauptmotivation ist, ein Produkt zu haben, das wir jedem anbieten können.
Im Interview
Hermann Futter ist Geschäftsführer der Compass-Verlag GmbH