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Tagung: Bürgermeisterinnen statt Ortshäuptlinge

©Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Parlament. Der Frauenanteil in der Kommunalpolitik wächst, doch es gibt noch Hemmnisse, hieß es jetzt bei der ersten internationalen „Bundestagung für Bürgermeisterinnen“ in Wien.

Das Parlament in der Wiener Hofburg ist derzeit Schauplatz der ersten Bundestagung für Bürgermeisterinnen. Auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und dem Präsidenten des Gemeindebundes Alfred Riedl diskutieren Bürgermeisterinnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz über Herausforderungen der Kommunalpolitik.

Die Veranstaltung

Mit der Tagung unter der Schirmherrschaft von Frauenministerin Susanne Raab und Doris Schmidauer (Gattin des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen) soll die Partizipation von Frauen in kommunalen Einrichtungen bis hin an die Spitze nachhaltig gefördert und die Öffentlichkeit für die Notwendigkeit einer besseren Geschlechtergleichstellung in der lokalen Führung sensibilisiert werden, so die Parlamentskorrespondenz. Zum Auftakt brachten die Sozialwissenschaftlerinnen Sonja Dörfler-Bolt, Helga Lukoschat und Kathrin Stainer-Hämmerle mit Impulsvorträgen ihre Expertise ein.

„Hoher Frauenanteil verbessert das politische Klima“

Nationalratspräident Wolfgang Sobotka eröffnete die Bundestagung und betonte, dass sich Österreich auf einem guten Kurs befinde. Derzeit gebe es im Nationalrat einen Frauenanteil von 42%, was ihn durchaus optimistisch stimme. Gleichzeitig konstatierte er aber noch Weiterentwicklungspotenzial, da sich mit einem höheren Frauenanteil auch das politische Klima zum positiven verändere.

Frauen sähen sich oftmals mit mehrfachen Belastungen durch ihre familiären und beruflichen Verantwortungen konfrontiert, was viele gerade in Krisenzeiten daran zweifeln lasse, ob sie überhaupt in die Politik einsteigen wollen. Zudem seien Frauen in öffentlichen Ämtern verstärkt Angriffen ausgesetzt. Umso mehr dankte Sobotka den Bürgermeisterinnen für ihr Engagement in einer männerdominierten Gesellschaft, was sie zu Role Models zum Nutzen der ganzen Gesellschaft mache.

„Das Bild des Ortshäuptlings hat sich gewandelt“

Doris Schmidauer betonte, wie unerlässlich es sei, auch in Krisenzeiten auf die Relevanz von Chancengleichheit und Gleichberechtigung aufmerksam zu machen. In dieser Hinsicht sei Österreich noch lange nicht am Ziel, auch wenn sich das Bild des „Ortshäuptlings“ in den letzten 20 Jahren erfreulicherweise sehr gewandelt habe.

Veranstaltungen, wie die Bundestagung, wo Frauen sich vernetzen und gegenseitig unterstützen können, würden helfen, gläserne Decken zu zersplittern und Steine aus dem Weg zu räumen, so Schmidauer.

Königsdisziplin Kommunalpolitik?

Staatssekretärin Claudia Plakolm, die in Vertretung von Frauenministerin Susanne Raab an der Tagung teilnahm, ging in ihren Begrüßungsworten auf die Relevanz der Kommunalpolitik als „Königsdisziplin der Politik“ ein. Diese stelle die erste Anlaufstelle für die Bürger*innen dar und erlaube im kommunalen Umfeld schnell etwas für die Menschen bewirken zu können – auch wenn der direktere Kontakt gewisse Belastungen mit sich bringe. Deswegen seien Zusammenkünfte wie die Bundestagung der Bürgermeisterinnen wichtig, um sich gegenseitig Mut zuzusprechen und vor allem auch jüngeren Frauen vorzuleben, wie eine gleichberechtigte Zukunft aussehen könne.

Alfred Riedl, Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, drückte seine Freude darüber aus, dass es gelungen war, die Tagung auch angesichts der aktuellen Krisen – insbesondere jene in der Ukraine – abzuhalten. Auch er konstatierte, was den Frauenanteil in den lokalen Gebietskörperschaften betrifft, „Luft nach oben“, was derartige Veranstaltungen so notwendig mache. Erfreut zeigte er sich darüber, dass sich die Vertrauensindizes für Politiker*innen vor allem auf lokaler Ebene signifikant verbesserten, was aus seiner Sicht auch mit einem größeren Frauenanteil zu tun habe. Gleichzeitig betonen Vertreter des Gemeindebundes aber auch, dass es nötig sei, die Attraktivität der Tätigkeit als Bürgermeister*in generell zu heben: Ein großes Problem sei derzeit das wachsende Risiko von Klagen bzw. persönlicher Haftung im Amt, das vielen Menschen die Lust auf ein Mandat verleide – unabhängig vom Geschlecht.

Die Sicht der Wissenschaft

Soziologin Sonja Dörfler-Bolt vom Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien stellte unter dem Titel „Gender Gap in der politischen Partizipation und Repräsentation“ einen internationalen Vergleich der Situation von Frauen in der österreichischen Kommunalpolitik an. Herangezogen wurden dazu auch Daten aus Schweden, Großbritannien, Spanien und Polen. Österreich liegt demnach bei der Beteiligung von Frauen im Mittelfeld, wobei der Frauenanteil mit der Höhe der Gebietskörperschaftsebene steigt.

Qualitativ erhoben wurden die Faktoren, welche die Beteiligungsmöglichkeiten von Frauen hemmen bzw. fördern. So wirken sich laut Studie flache Hierarchien und Förderprogramme positiv und traditionelle Rollenbilder sowie familiäre Mehrbelastungen negativ auf die Partizipation von Frauen am politischen Geschehen aus.

Die Situation in Deutschland

Helga Lukoschat, Politologin und Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF Berlin), brachte Erfahrungen aus Deutschland bezüglich der Teilhabemöglichkeiten von Frauen in der Kommunalpolitik ein. Dabei ging sie besonders auf den Aspekt der politischen Kultur ein, die nach wie vor männlich geprägt sei. Sie legte einige Beispiele der Arbeit des EAF Berlin dar, um auf diesem Gebiet für Weiterentwicklung zu sorgen.

Aus Lukoschats Erfahrung zeigten sich vielfältige Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen. Neben der überwiegend männlich geprägten Parteikulturen nannte sie Alltagssexismus und ungerechte Leistungsstandards als ausschlaggebende Faktoren.

Die Befragung der Amtierenden

Kathrin Stainer-Hämmerle, Professorin für Politikwissenschaften an der Fachhochschule Kärnten, präsentierte ihre aktuelle Studie zur Thematik „Kommunalpolitik von morgen“. Für diese wurden 2.093 Bürgermeister*innen aus ganz Österreich online zur Thematik der politischen Beteiligung von Frauen befragt.

  • Zu den Ergebnissen zählte unter anderem, dass Frauen öfter zu politischem Engagement „überredet“ würden (37%) als Männer (10%), die eine höhere Eigenmotivation angeben.
  • Frauen sähen sich öfters mit Widerständen in ihrer politischen Tätigkeit konfrontiert als Männer und arbeiten laut Studie 20 Stunden mehr pro Woche.
  • Auch die Sorge um die soziale Absicherung sei bei Frauen ausgeprägter und diese zeigten sich im Durchschnitt auch weniger zufrieden mit ihrem Gehalt.
  • Der Wunsch nach mehr Frauenförderung ist bei Frauen (92%) mehr vorhanden als bei ihren männlichen Kollegen (62%). Jedoch würden sich auch Männer großteils eine stärkere Partizipation von Frauen wünschen, um die politische Kultur auch für sich selbst zu verbessern, resümierte Stainer-Hämmerle.

 

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