Gastkommentar. Beim Projekt „Gewalt- und Hassprävention an Schulen“ gehen Wiens Anwältinnen und Anwälte direkt in die Klassen, um die Kinder über die Konsequenzen von Gewalt aufzuklären – ob phyisch oder psychisch, auf Social Media & Co. Es ist Handlungsbedarf geboten, warnt RAK Wien-Präsident Michael Enzinger in seinem Gastkommentar.
Die RAK Wien hat das Projekt „Gewalt- und Hassprävention an Schulen“ gemeinsam mit der Bildungsdirektion Wien angestoßen, weil Handgreiflichkeiten und Rangeleien bis hin zu Prügeleien an Schulen zunehmen und immer stärker durch persönliche Beschimpfungen abgelöst werden. Physische Gewalt ist zunehmend psychischer Gewalt gewichen.
Die Rolle der sozialen Medien
Speziell durch die immer frühere Nutzung sozialen Medien wurde der Druck auf Schülerinnen und Schüler größer. Verhaltensweisen in Schulen, bei denen sich der Spaß aufhört, haben definitiv zugenommen: Mobbing, Beschimpfungen. Auf „WhatsApp“ ist schnell etwas geschrieben, ohne die Folgen vorher zu bedenken. Jugendliche können oft die Tragweite von Beleidigungen oder Mobbing nicht abschätzen. Beispielsweise ist das Verwenden von Fotos von anderen ohne deren Zustimmung zum Zweck der Herabwürdigung im Steigen begriffen.
Die Reaktion des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber hat diesbezüglich u.a. mit neuen Strafrechtsdelikten (z.B. Upskirting) reagiert. Das hat auch mit äußeren Einflüssen zu tun. Corona, die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine – all das wirkt auf Jugendliche genauso wie auf Erwachsene, das Aggressionspotenzial steigt. Rund 300 Suspendierungen von Schülerinnen und Schülern zählt die Bildungsdirektion Wien derzeit in einem Schuljahr.
Was die Anwälte tun
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kommen direkt in Schulklassen, um Jugendliche speziell an der Schwelle zur Strafmündigkeit (7.-9. Schulstufe) zu sensibilisieren und Bewusstsein zu schaffen. Wir wollen die Schülerinnen und Schüler aufklären, bevor sie mit dem Strafrecht in Berührung kommen. Was ist erlaubt und was nicht, wo ist die sprichwörtliche „rote Linie“? Wo drohen Konsequenzen, wo bleibt es bei Ermahnungen, wo gibt es Geldstrafen, wo füge ich anderen Leid zu, ohne es zu wissen?
Dies ist auch keine Frage des sozialen Umfelds oder der Bildungsschicht. Die Kids sollten wissen, wann ihr Verhalten auch für die Eltern ein Problem werden kann. Aufklärung statt Strafe ist hier das Gebot der Stunde.
Der Autor
Dr. Michael Enzinger ist Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien.