Städtebau. Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (AIV) führt im Rahmen des Projektes „Unvollendete Metropole“ zum Thema Wien-Berlin eine seiner internationalen „Metropolenkonferenzen“ durch. Es geht um (vergleichende) Stadtentwicklung, Wohnbau und mehr.
Die Konferenz, die sich an die Fachwelt genauso wie an die Bewohner*innen der Städte richtet, findet am 12. Mai 2022 in hybrider Form statt (auf dem Behrensufer-Areal in Berlin-Oberschöneweide und im Stream).
Tobias Nöfer, AIV-Vorstandsvorsitzender: „Städtebau lebt und profitiert vom internationalen Austausch der Erfahrungen und Ideen. Berlin hat darin eine lange Tradition. Angesichts der großen städtebaulichen Zukunftsfragen braucht die Stadt allerdings neuen Schwung im internationalen Dialog und zielgerichtete Kooperationsprojekte. Genau zu wissen, wie anderswo in Europa Projekte gesteuert, wie alte und neue Zentren, Bahnprojekte und urbane Hauptstraßen, Parks und Industrieanlagen, vorhandene und neue Wohnquartiere zukunftsfähig gestaltet werden, ist hilfreich und wichtig.“
Abwechselnd Vorbilder und Feindbilder
Vor diesem Hintergrund verknüpfe die Ausstellung des AIV „Unvollendete Metropole“ nicht nur Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Metropole, sondern zeige auch, wie Paris, London, Moskau und Wien mit aktuellen und früheren Herausforderungen des Städtebaus umgehen. Zum Programm gehören deshalb internationale Metropolenkonferenzen, zu denen Gäste aus der jeweiligen europäischen Hauptstadt eingeladen werden, um den Austausch mit aktuellen Themen zu vertiefen.
Die Metropolenkonferenz „Wien-Berlin“ – nach „Moskau-Berlin“ die zweite in dieser Reihe – beschäftigt sich mit den wechselvollen Beziehungen zwischen Berlin und Wien in Geschichte und Gegenwart: Mal waren die Städte Antipoden, mal nahm man sich zum Vorbild. So diente die Schaffung von Groß-Wien 1892 als Beispiel für die Schaffung von Groß-Berlin 1920, und damals wie heute ist die Wohnungs- und Bodenpolitik Wiens ein viel diskutiertes Vorbild, auch und gerade für Berlin, so der AIV.
Das heutige Berlin existiert erst seit 1920 – nach dem Vorbild Wiens
Das Jahr 1920 ist auch der Grund für die AIV-Veranstaltungsreihe: Damals wurde die „neue Stadtgemeinde Berlin“, damals auch „Groß-Berlin“ genannt, geschaffen. Was viele nicht wissen: Was man heute als deutsche Hauptstadt kennt, war bis 1920 eine Gruppe unabhängiger Städte. Durch die Zusammenlegung verdoppelte sich die Bevölkerung von Berlin beinahe, zahlreiche unabhängige Gebietskörperschaften kamen dazu – darunter Lichtenberg, Schöneberg, Charlottenburg u.a.
An das Jubiläum der Entstehung des heutigen Berlin erinnert der AIV mit verschiedenen Initiativen, darunter der „Internationale Städtebauliche Ideenwettbewerb Berlin-Brandenburg 2070“ mit Beiträgen aus 18 Ländern und die Ausstellung „Unvollendete Metropole“, die bis Ende Mai 2022 auf dem Gelände des Behrens-Ufer-Areals zu sehen ist.
Neue Stadtteile als Antwort auf gesellschaftliche Trends
Im Mittelpunkt der Konferenz stehe die Zukunft der Urbanität, wie sie in Wien mit Blick u.a. auf die Entwicklung neuer Stadtteile gedacht wird, sowie der neue „Managementplan Unesco-Welterbe. Historisches Zentrum von Wien“. Der jüngst verabschiedete Plan beschreibe, wie die Wiener Innenstadt als kulturelles, wirtschaftliches und politisches Zentrum der Gesamtstadt erhalten und zukunftsfähig entwickelt werden kann. Die Diskussion im Rahmen der Konferenz soll laut der Ankündigung des AIV zeigen, wie Berlin mit seinen vielen Baustellen in der historischen Mitte und in den neuen Stadtquartieren auch jetzt wieder etwas von Wien lernen kann.
Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zählen laut Veranstaltern:
- Prof. Harald Bodenschatz (Kurator der Ausstellung „Unvollendete Metropole“)
- Thomas Madreiter (Planungsdirektor der Stadt Wien)
- Bernhard Steger (Leiter Stadtteilplanung und Flächenwidmung Innen-Südwest der Stadt Wien)
- Prof. Petra Kahlfeldt (Senatsbaudirektorin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen)
- Heinz Jirout (Architekt)
- Alfred Berger (Berger + Parkinnen Architekten Wien)
Die nächste Metropolenkonferenz findet am 20. Mai 2022 zum Thema London-Berlin statt.
Warum Metropolen unvollendet sind
Nicht nur die Zusammenlegung mehrerer Städte im Jahr 1920 zum heutigen Berlin, auch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die Teilung der Stadt durch den Eisernen Vorhang bzw. die Auswirkungen der Wende sorgten im 20. Jahrhundert für umwälzende Veränderungen – und entsprechende Bautätigkeit. Daher war Berlin in seiner jüngeren Geschichte tatsächlich meist unvollendet – und wird das in gewisser Weise auch in Zukunft nicht sein. Denn für Berlin gilt ebenso wie für Wien und andere Großstädte, dass eine lebendige Metropole stets von den Veränderungen der Gesellschaft geprägt ist und auf sie reagieren muss, lautet der Gedanke.